Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Karl Spieß, Die Mobilmachung in Biedenkopf und die Kriegsmonate bis März 1916

Abschnitt 24: Abschnitt 24

Daß zu Fastnacht die üblichen Krüppeln nicht ge¬backen werden durften, hat man schmerzlich empfunden, doch auch dieses Verbot hat das Volk ertragen, ohne Hunger zu leiden. Die Pferde, deren Bestand von 72 auf 42 herabgesunken ist, müssen sich in ungewohnte Kost schicken, denn am Hafer muß gespart werden, dem Rindvieh ist das Brot¬getreide vorenthalten, den Hühnern die Gerste. Das alles sind Maßregeln, die anfangs unausführbar schienen, indessen, „der Bien muß" und siehe da, das Leben geht weiter seinen Gang und Jeder harrt der neuen Ernte, die der Himmel reich gestalten möge!

Mit großen Mengen Dauerware haben sich die Bürger versehen, erheblicher als je waren die Hausschlachtungen, denn Jeder will versorgt sein, wenn über kurz oder lang der Preis des Fleisches anzieht. Zahlen wir doch schon jetzt für das Schweinefleisch eine Mark, während es in Friedenszeiten für 70 Pfg. zu haben war. Eier sind nicht unter 12 Pfg. zu erstehen, die Butter ist von 1 Mk. 20 Pfg. auf 1 Mk. 50 Pfg. gestiegen. Linsen kosten statt 28 jetzt 56 bis 60 Pfg. Der Preis des Mehls stieg von 20 auf 30 Pfg. Für das mit Kartoffelzusatz hergestellte Roggenbrot zahlt man nicht mehr 46, sondern 70 Pfg. Bessere Schuhwichse ist überhaupt nicht mehr zu haben. Der Preis für Schuhwerk, Schuhsohlen und dgl. ist ganz erheblich gestiegen, Petroleum wird nur noch selten feilgeboten und glücklich sind die Leute zu preisen, die sich die Räume elektrisch erleuchten können. Nicht weniger denn achtzig neue Kunden sind dem städtischen Elektrizitätswerk im Laufe der Wintermonate erstanden! Der Spiritus, mit dem manche Hausfrau in der Küche zu wirtschaften pflegte, ist im Preis von 38 auf 55 Pfg. emporgeschnellt und Benzin kennt man als Handelsware nicht mehr. Die Autos, soweit sie überhaupt noch fahren dürfen, verwenden Benzol. Auch die Biertrinker werden bald merken, daß Krieg ist. Die [Sp. 287]Gemäße sollen kleiner oder die Preise höher werden, ein harter Schlag für unsere Wirte, die ohnehin schwer leiden. Eine ganze Anzahl ihrer Zunft steht im Felde, so die Herrn des Hotels zur Krone, des Frauentals, der Hotelrestaurants Göbel und Braun, der Wirtschaften von Kaufmann, Hörle, Meier, Otto Schmidt und Achenbach, sie alle tragen den Rock des Kaisers. Immer lichter werden die Reihen der Mitbürger, immer ruhiger wirds auf „Markt und Straßen". Selbst¬verständlich ruhen während des Kriegs alle Vergnügungen und dem Stadtsäckel entgehen solcherweise dis Erträge der Lustbarkeitssteuer; da auch der Güterumsatz gleich null ist, so entfallen ihm weiter die sonst einträglichen Umsatzsteuern. Die meisten Geschäfte sind weniger steuerkräftig, auch die Eisenbahnverwaltung dürfte einen Ausfall an ihrem Einkommen haben und weniger Steuern bringen, Rentner werden Zinsverluste erleiden, so daß in dieser Beziehung die Einnahmen der Stadt hinter denen der Friedensjahre zurückbleiben. Dennoch kann der alte Steuersatz beibehalten werden, eine Tatsache, von der angesichts der großen Lasten, die die Unterstützung der Kriegerfamilien auferlegt, mit Befriedigung Vermerk genommen werden darf.


Recommended Citation: „Karl Spieß, Die Mobilmachung in Biedenkopf und die Kriegsmonate bis März 1916, Abschnitt 24: Abschnitt 24“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/1-24> (aufgerufen am 26.04.2024)