Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Karl Spieß, Die Mobilmachung in Biedenkopf und die Kriegsmonate bis März 1916

Abschnitt 22: Abschnitt 22

Den Tagen vom 18. Bis 24. Januar fand eine sogenannte Reichswollwoche statt. Von Haus zu Haus galt es, alte Woll- und Tuchsachen zu sammeln, aus denen vornehmlich Decken für unsere Krieger gefertigt werden sollen. Und auch hier zeigte sich die Gebefreudigkeit unserer Mitbürger im schönsten Lichte, wie überhaupt die Liebestätigkeit unvermindert anhält. Am besten ersieht man dies aus den Ergebnissen der Sammlungen bei den beiden hiesigen Sammelstellen des Roten Kreuzes. Zahlen beweisen! Und so möge denn hier einmal zusammengestellt werden, was diesen Sammelstellen alles zugeführt wurde. Zunächst die Sammelstelle I von der Mobilmachung bis zu 15. November 1914 (die Zahlen in Klammern geben die Eingänge aus der Kreisstadt an): 3337 (231) Hemden, 803 (78) Unterhosen, 220 (36) Unterjacken, 4680 (372) Strümpfe, 416 Paar (55) Fußlappen, 68 (10) Wämser, 298 (50) Leibbinden, 1306 Paar (222) Pulswärmer, 56 (23) Kniewärmer, 65 (16) Kopfmützen, 96 (21) Ohrenschützer, 75 Dutzend Patenthosenknöpfe, 879 (120) Taschentücher, 1654 (24) Bettücher, 345 (11) Deckbettbezüge, 437 (27) Kissenbezüge, 70 (3) Kolter, 1572 (77) Handtücher, 114 (22) Halstücher, 650 (48) Verbandbinden, 108 Spreukissen, 318 Stück (269) und 47 Pfund Seife, 79 Paar (50) Pantoffeln, 45 Paar Handschuhe, 42 Stück 815) Kämme, außerdem Rasiermesser, Teller, Gabeln, Löffel, Messer, Putzmittel, Bürsten, Kamillen, Kompressen, Schals, Hosenträger, Watte, Briefpapier, Bleistifte, Federhalter, Taschenmesser, Stahlfedern, Kordel, Zeitschriften, Waschlappen, altes Leinen, Notizbücher, Liederhefte, Zwirn usw.

Bei der Sammelstelle II wurden von der Mobilmachung bis zum Jahresschlusse abgeliefert: 11044 Stück Eier, 1893 [Sp. 271] Laibe Brot, 1236Pfund Butter, 18519 Stück Zigarren, 12121 Stück Zigaretten, 2396 Pakete Tabak, 180 Schlingen Kautabak, 39 Stück Pfeifen, 1287 Pfund Wurst, 1928 Pfund Rauchfleisch, 1616 Zentner Kartoffeln, 53 Zentner frisches Obst, 370 Pfund Zucker, 429 Pfund Dörrobst, 270 Pfund Reis, 1568 Stück Suppenwürfel, 224 Flaschen Wein, 270 Pfund Kaffee, 335 Tafeln Schokolade,110 Pfund Erbsen, 103 Pfund Nudeln, 74 Pfund Gerste, 650 Flaschen und 1 Faß Bier,113 Rollen Pfeffermünz, 280 Körbe frisches Gemüse, 12 Körbe Salat, 395 Flaschen Saft, 80 Pfund Kakao, 62 Pfund Bienenhonig, 108 Töpfe Muß, 384 Flaschen Gelee, 139 Pakete Zwieback, 49 Gläser eingemachtes Obst, 48 Stück Geflügel, 3 Stück Rehe, 80 Pfund Quitten, 33 Zentner Mehl, außerdem Kognak, Tee, Kaffeezusatz, Knusperchen, Linsen, Bohnen, Haferflocken, Gries, Maizena, Maggi, kondensierte Milch, Salz, Pfeffer, Fleisch, Feuerzeug, Apfelkraut, Rhabarber, Kuchen, Mineralwasser, Feigen, Oel, Käse, Tomaten, Zeitungen, Zeitschriften und 115 vernähte Beutel mit Liebesgaben.

Nicht zu zählen sind die vielen, vielen Liebesgaben, die tagtäglich unmittelbar unseren Kriegern ins Feld gesandt werden, von Eltern und Kindern, von Freunden und Arbeitsgebern und guten Patrioten. Und zahlreich sind die Dankesbriefe und Karten, die von den Schlachtfeldern hierher gelangen. Wie rührend schildern sie mitunter ihr Weihnachtsfest und ihre Neujahrsnacht. So der „Biedenköpfer Landsturm“, dessen Schriftsteller uns in Nr. 4 des Hinterländer Anzeigers vom 9.1.15 ein so anschauliches Bild seines Christfestes entwirft. Und andere schildern die Mühsal des Krieges und ihre Heldentaten, Alle aber sind in dem einen Wunsche einig: möchte dem Vaterland bald ein ehrenvoller Frieden beschieden sein!

Der Betrieb im Lazarett zu Wilhelmshütte ist ruhiger geworden. Es sind schon seit Wochen nicht mehr als dreißig Betten belegt. Die Kranken sind des Lobes voll über die sorgsame Behandlung, die sie vom Arzt und den Schwestern erfahren und sie nehmen immer nur ungern Abschied von den Räumen, in denen es ihnen so gut gefallen hat. Auch sie haben ihre Weihnachtsfeier gehabt, deren Beschreibung der Leser in Nr. 153 (vom 29.12.14) unseres Lokalblattes findet. In hiesige Privathäuser werden nur noch selten Verwundete zur Pflege überwiesen.

Die „Flüchtlinge“ aus Oberschlesien sind am 8. Dezember in ihre Heimat zurückgereist; das untätige Leben, zu dem sie zumeist hier verurteilt waren, hatten sie satt, sie sind daher gerne wieder ins Elternhaus und zu ihrer Arbeitsstätte zurückgekehrt, waren aber ob der guten Aufnahme, die sie hier gefunden, sehr erfreut und haben es an einer öffentlichen Danksagung nicht fehlen lassen.

Die Jugendwehr ist endlich lebensfähig geworden. Ihr Führer Herr Oberförster Defert nimmt sich der Sache mit einer Hingabe an, die öffentlich belobt zu werden verdient und die mit Feldmütze und Armbinde ausgestatteten Jungmannen folgen ihm gerne und mit Eifer. Und das ist erfreulich, die Jungen lernen etwas nützliches, das ihnen im Leben, insbesondere aber in ihrem Militärstande, stets von Vorteil sein wird. Und daß der bitterernste Krieg den Erwachsenen wieder den Weg zur Kirche gezeigt hat und die Worte des Geistlichen in den allwöchentlichen Donnerstags-Betstunden nicht ungehört verhallen, darf ebenso mit Befriedigung festgestellt werden.


Recommended Citation: „Karl Spieß, Die Mobilmachung in Biedenkopf und die Kriegsmonate bis März 1916, Abschnitt 22: Abschnitt 22“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/1-22> (aufgerufen am 25.04.2024)