Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Alten-Buseck Karten-Symbol

Gemeinde Buseck, Landkreis Gießen — Von Susanne Gerschlauer
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

Anfang 17. Jahrhundert

Location

35418 Buseck, Ortsteil Alten-Buseck, Hofburgstraße 8 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Oberhessen

religiöse Ausrichtung

liberal

preserved

nein

Jahr des Verlusts

1931

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Wie für alle Gemeinden des Buseckertals1 gilt auch für Alten-Buseck die grundherrschaftliche Zuständigkeit der bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert reichsunmittelbaren Herren von Buseck und von Trohe. Nachdem das aus dem Salzburger Land stammende Busecker Adelsgeschlecht der Peilsteiner um 1218 ausgestorben war, traten die Herren von Buseck und von Trohe als Ganerben dessen Nachfolge an. Ihr Besitz umfasste das gesamte Buseckertal, das seit 1337 kaiserlich verbriefte Gerichtshoheit besaß.2 In den Jahren seit etwa 1800 stellten sie als Patrimonialherren in der Landgrafschaft Hessen die niedere Gerichtsbarkeit.3 1827 ging Alten-Buseck im Großherzogtum Hessen-Darmstadt auf.

Ein Resultat der langanhaltenden reichsunmittelbaren Ortsherrschaft durch die Herren von Buseck und von Trohe war die gezielte und mengenmäßig umfangreiche Ansiedlung von Schutzjuden.

Seit Beginn des 17. Jahrhunderts wohnten Juden in Alten-Buseck.4 Um 1831 lebten 61, 1851 57 Juden in Alten-Buseck (4,7 % der Gesamtbevölkerung von 1.223 Einwohnern). 1880 waren hier 42 und 1900 28 Personen (sechs Familien) gemeldet.5 1933 wohnten 19 Jüdinnen und Juden in Alten-Buseck. Wegen der zunehmenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Repressalien verzogen viele innerhalb Deutschlands, einige konnten in die USA und Südamerika entkommen.6

Vermutlich bestand bereits im 18. Jahrhundert eine jüdische Gemeinde.7 Aufgrund von Landflucht und Auswanderung, die um 1830 einsetzte, nahm die Zahl der Gemeindemitglieder um die Jahrhundertwende erheblich ab. Zeitweise konnten nicht genügend religiös mündige Männer zu einem Minjan zusammenkommen. In diesen Fällen besuchten die jüdischen Alten-Busecker die Gottesdienste der jüdischen Gemeinde im ca. vier Kilometer südöstlich gelegenen Großen-Buseck.8 Der 1840 schon seit ca. 20 Jahren amtierende Vorsitzende der Synagogengemeinde Alten-Busecks, Ephraim Goldschmitt, war Miteigentümer des Hauses, in dem vermutlich der erste Betraum der Gemeinde eingerichtet war.9 Um 1925 bildeten Simon Löber, der bis 1932 Vorsitzender blieb, Nathanael Grünewald und Salomon Blondheim den Vorstand der jüdischen Gemeinde.10 Auf Ephraim Goldschmitt ging die nach ihm benannte Stiftung zum Verein für Wohlfahrtspflege zurück, der die Unterstützung hilfsbedürftiger jüdischer Alten-Busecker zum Ziel hatte.

Der überwiegende Anteil der Alten-Busecker Juden lebte als Händler (Vieh, Krämerwaren).11

Nach 1933 wurde die jüdische Gemeinde aufgelöst.12 1939 lebten nur noch fünf jüdische Alten-Busecker im Ort, von denen zwei bis 1942 verzogen. Die verbliebenen drei, Hannchen und Simon Löber sowie Lina Wendel, wurden im Frühjahr 1942 von der Polizei verhaftet und nach Theresienstadt deportiert. Keiner von ihnen überlebte.13

Betsaal / Synagoge

Der erste jüdische Betraum wird um 1780 im Gebäude Nr. 96 (Besitzer: Hirsch Ephraim) in der heutigen Flussgasse 4 vermutet.14 Das Haus stand giebelständig zur Straße, im alten Ortskern, etwa 100 Meter südlich der mittelalterlichen Kirche und unterschied sich äußerlich vermutlich nicht von der umgebenden Wohnbebauung. In den Brandkassenregistern von 1777 und 1840 ist es u.a. als zweigeschossiges Wohnhaus mit „Lauberhütte“ verzeichnet.15 Offenbar blieb der Betraum, auch über verschiedene Besitzerwechsel des Gebäudes hinaus, bis etwa 1813 genutzt.16 Zu diesem Zeitpunkt entsprach er möglicherweise nicht mehr den räumlichen Ansprüchen und wurde daher zugunsten eines neu errichteten Synagogengebäudes aufgegeben.17 Das Haus steht noch, ist baulich jedoch vollständig verändert.

Als Beleg für die jüngste Synagoge in der damaligen Judengasse, später Hofburgsweg, heute Hofburgstraße 8, kann ein Darlehen vom 11. Juni 1838 über 200 Gulden gelten, das die jüdische Gemeinde aufnahm.18 Das Gebäude stand am östlichen Rand des alten Ortskerns, etwa 300 Meter südöstlich der Kirche. Wofür das Geld verwendet werden sollte, ist nicht überliefert. Im Brandkataster sind Gebäude und Grundstück mit einem Wert von 800 Gulden aufgeführt.19 Die Synagoge wurde demnach um 1813 als Neubau errichtet. Vielleicht diente das aufgenommene Geld für eine grundlegende Sanierung und Modernisierung der Synagoge Ende der 1830er Jahre.

Über einem quadratischen Grundriss von 6,30 x 6,30 Metern erhob sich das zweigeschossige Sakralgebäude.20 Das Haus war vermutlich nicht unterkellert. Es ist davon auszugehen, dass die Synagoge als (vielleicht erst um 1840 verputztes) Fachwerkhaus errichtet wurde, vergleichbar der benachbarten Bebauung. Zur Straße hin zeigte sich die Südtraufe um 1911 mit drei Fensterachsen in beiden Geschossen symmetrisch gegliedert. Die Fenster entsprachen als hochrechteckige, zweiteilige Sprossenfenster mit geteiltem Oberlicht denen in den Nachbarhäusern. Vermutlich besaß die Synagoge ein Zeltdach. Es ist anzunehmen, dass das umgebende Grundstück zumindest zur Straße hin durch einen Zaun, der an eine Mauer anschloss, begrenzt war, ähnlich wie in der unmittelbaren Nachbarschaft.

Die Eingänge für Männer und Frauen befanden sich auf der Hofseite im Westen. Über einen zweigeschossigen Treppenhausanbau mit Satteldach, dessen mit einem metallenen Knauf verzierter Giebel nach Westen zeigte, wurden die den beiden Geschlechtern zugewiesenen Ebenen erschlossen. In der Mittelachse des Untergeschosses der Westwand lag der Zugang für die Männer, in der Achse darüber der Zugang zur dreiseitig umlaufenden Frauenempore, die von zwei (hölzernen?) eingeschossigen Emporenstützen entlang der Nord- und Südwand getragen wurden.

Im Jahr 1911 war der Betraum sanierungsbedürftig und wurde um 1931 wegen Baufälligkeit abgerissen. Ein Grund für den schlechten Unterhalt der Synagoge war vermutlich der starke Rückgang der jüdischen Bevölkerung, weswegen die Alten-Busecker Juden den Gottesdienstes im benachbarten Großen-Buseck besuchten und kaum Anlass für eine Investition in die örtliche Synagoge sahen.21

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Möglicherweise lag das rituelle Tauchbad der Synagogengemeinde in der Hofburgstraße 3 (ehemals Judengasse). Während Ausschachtungsarbeiten auf dem Grundstück eines um die Mitte des 19. Jahrhunderts abgebrochenen Hauses waren schwere Eichenbalken gefunden worden, die eine quadratrische Öffnung im Boden umrahmten. Diese Grube war so groß, dass etwa zwei Personen darin hätten baden können22; eine Wasserzufuhr war vom nahegelegenen Wasserlauf in der Flussgasse möglich. Da weitere Einzelheiten zu den rituellen baulichen Bedingungen einer Mikwe (Wasserablauf, Beckentiefe etc.) ungeklärt sind, ist der eigentliche Zweck dieser Öffnung jedoch unbekannt.

Schule

Bevor die jüdischen Kinder aus Alten-Buseck in die Nachbargemeinde zum Religionsunterricht gingen, wurden sie vermutlich in den Räumen der Ende der 1830er Jahre renovierten Synagoge in der heutigen Hofburgstraße unterrichtet. Seit der Jahrhundertwende besuchte die nunmehr geringe Zahl an jüdischen Kindern den jüdischen Religionsunterricht in Großen-Buseck. Der Nieder-Weiseler Lehrer Max Goldschmidt tat dort seinen Dienst bis in die 1930er Jahre.

Gemeindehaus

Für Gemeindeversammlungen wurde vermutlich die Synagoge genutzt. Aus den vorliegenden Planunterlagen von 1911 lässt sich erschließen, dass es außer dem Gottesdienstsaal keinen separaten Raum in dem Gebäude gab.

Cemetery

Der alte Friedhof für die jüdischen Alten-Busecker liegt zwischen den Orten Alten- und Großen-Buseck, auf der Großen-Busecker Gemarkung „Am Judenbegräbnis“ und hat ca. 2.900 Quadratmeter Fläche.

Dieser bestand schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts23 und diente auch den Juden aus Beuern, Großen-Buseck, Reiskirchen, Burghardsfelden und Rödgen, als Beerdigungsstätte.24

Vor 1918 wurde auf dem kommunalen Friedhof in Alten-Buseck ein Gräberfeld

für die im Ort ansässigen Juden angelegt.

Alten-Buseck, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Großen-Buseck, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Alten-Buseck, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen
Großen-Buseck, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Indices

Persons

Buseck und von Trohe, Herren von · Peilstein, Grafen von · Goldschmitt, Ephraim · Löber, Simon · Grünewald, Nathanael · Blondheim, Salomon · Löber, Hannchen · Löber, Simon · Wendel, Lina · Hirsch Ephraim · Goldschmidt, Max

Places

USA · Südamerika · Großen-Buseck · Nieder-Weisel · Beuern · Reiskirchen · Burkhardsfelden · Rödgen · Alten-Buseck, Verein für Wohlfahrtspflege

Sachbegriffe Geschichte

Laubhütten · Theresienstadt, Ghetto · Alten-Buseck, Verein für Wohlfahrtspflege

Sachbegriffe Architektur

Fachwerk · Sprossenfenster · Zeltdächer · Satteldächer · Frauenemporen

Fußnoten
  1. Vgl. die Beiträge zu Beuern, Großen-Buseck, Reiskirchen
  2. Vgl. u.a. zu Ortsgerichtsbarkeit: HStAD, B 14, 245
  3. Lindenstruth, Streit (Diss)
  4. HStAD R 21; zudem: Ortsartikel Alten-Buseck auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  5. Ortsartikel Alten-Buseck auf Alemannia Judaica (s. Weblink); Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 34
  6. Ortsartikel Alten-Buseck auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  7. Ortsartikel Alten-Buseck auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  8. Ortsartikel Alten-Buseck auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  9. Hans, Buseck, S. 64
  10. Ortsartikel Alten-Buseck auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  11. Hans, Buseck, S. 60 ff.
  12. Ortsartikel Alten-Buseck auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  13. Gedenkstätte Yad Vashem (s. Weblink); Gedenkbuch Bundesarchiv (s. Weblink)
  14. Hans, Buseck, S. 63, 75: Nennung einer „Jude schule“ im Jahr 1813
  15. Hans, Buseck, S. 63, 75. Der klare Nachweis für einen Betraum ist bisher nicht erbracht. Das Bestehen bzw. die Einrichtung einer Laubhütte war und ist unabhängig von Beträumen resp. Synagogen möglich und üblich.
  16. Hans, Buseck, S. 59, 63 f.
  17. Hans, Buseck, S. 64
  18. Hans, Buseck, S. 64
  19. Hans, Buseck, S. 58 f., 64
  20. Vgl. Umbauplan von 1911, in Gemeindearchiv Großen-Buseck, Bestand Alten-Buseck, Umbau/Sanierung der Synagoge
  21. Hans, Buseck, S. 64
  22. Hans, Buseck, S. 64
  23. Vgl. Bestätigung des Vertrags über den Verkauf des Friedhofsgrundstücks für 150 fl., 1769, in: HStAD R 21 J, 3335
  24. Hans, Buseck, S. 64
Recommended Citation
„Alten-Buseck (Landkreis Gießen)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/24> (Stand: 11.7.2023)