Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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5622 Steinau
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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 95. Steinau
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Ulmbach Karten-Symbol

Gemeinde Steinau an der Straße, Main-Kinzig-Kreis — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1693

Location

36396 Steinau, Stadtteil Ulmbach, Rabensteiner Straße 10 | → Lage anzeigen

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

1253 wurde Ulmbach zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Bis 1802 gehörte es zum Hochstift Fulda, danach bis 1806 zu Nassau-Oranien, um anschließend unter französischer Besatzung 1810 Teil des Großherzogtums Frankfurt zu werden. Am 1. Juli 1974 wurde der Ort Stadtteil von Steinau an der Straße.

Erste Hinweise auf die Anwesenheit von Juden im Gerichtsbezirk Ulmbach stammen aus einer Amtsrechnung von 1597, in der von David, dem Sohn des Juden, die Rede ist. Ob es sich dabei allerdings um einen dauerhaften oder nur temporären Aufenthalt handelte, ist ungeklärt. Auch jüngere Nachweise lassen keinen eindeutigen Schluss darauf zu, ob die genannten Personen in Ulmbach lebten. Erst in einer Rechnung von 1692/1693 wird der Krämer „Sebastian Ball Judt“1 genannt, der tatsächlich in Ulmbach wohnte und Schutzgeld zu zahlen hatte. Er scheint aber wenig später wieder fortgezogen zu sein.

Ab etwa 1730 wurde der in Ulmbach lebende Meyer genannt, seit 1741 auch Jekoff. Als Jekoff oder Jacob Meyer erwarb er 1749 ein Haus. Er wurde 1760 als Schutzjude bezeichnet, der, nachdem sein Haus abgebrannt war, einen neuen Bauplatz erworben hatte. 1763 lebte er mit seiner Frau und sechs Kindern sowie vier weiteren Hausgenossen in dem neu errichteten Haus. 1789 gab es zwei jüdische Haushalte im Ort. Im ausgehenden 18. Jahrhundert hatten zeitweise in Ulmbach lebende Juden das Schlachtmonopol für das Amt Uerzell gepachtet. Bis 1803 erhöhte sich die Anzahl der abgabepflichtigen Juden auf drei, und 1805 wurden Abraham Jakob, Feiber Jakob und Meyer Hirsch namentlich genannt.2 Als sich 1811 Juden im Großherzogtum Frankfurt bürgerliche Namen geben mussten, wählte Seibel den Namen Seibel Buseck, Moyses nannte sich Moyses Ochs, die Witwe des Abraham Abraham Heins Witwe und Maier nahm den Namen Maier Nussbaum an.3 1824 wurden Maier Nussbaum, Feiber Bussek, Moses Ochs und Jakob Heim genannt.4

1826 verordnete auch der kurhessische Staat die Annahme bürgerlicher Familiennamen. In der daraufhin erstellten Liste werden Moses Ochs und sein Sohn Abraham, Isuuv Heim, Feiber Buseck mit seinen Kindern Löb, Meyer, Regina und Rachel, Herz Nusbaum mit Judas und Lieba, Jakob Hain mit Abraham und Simon sowie Meyer Nussbaum mit Jakob, Moses, Elisa und Eva aufgeführt.5

Seit 1823 gehörten die in Ulmbach lebenden Juden zur Synagogengemeinde Eckardroth. Am 8. Januar 1834 stellten sie den Antrag auf Bildung einer eigenen Gemeinde, dem am 11. September des gleichen Jahres zugestimmt wurde.6 Hintergrund war, dass sie Gemeindeabgaben an Eckardroth zu leisten hatten, obwohl sie einen eigenen Lehrer beschäftigten. Nach der Konstituierung hatten sie die Pflicht, Rechnungsbücher und die Matrikel mit Geburten, Hochzeiten und Sterbefällen zu führen. Als erster Gemeindeältester wurde Jacob Hain eingesetzt.

Im Ersten Weltkrieg fielen die beiden jüdische Gemeindemitglieder Baruch Nußbaum und Juda Schild. Ihre Namen sind auf dem Kriegerdenkmal aufgeführt.

Nach der Machtübergabe verließen viele Juden den Ort. Die meisten suchten Schutz in Frankfurt, andere wanderten nach Argentinien, in die USA oder nach Palästina aus. 1936 lebten nur noch fünf jüdische Personen im Ort. Die Gemeinde wurde vor 1938 aufgelöst.7

Betsaal / Synagoge

Obwohl es formal in der Mitte der 1820er Jahre noch keine eigene Gemeinde in Ulmbach gab, wurde seit etwa 1824/25 Gottesdienst im Doppelhaus von Jacob Hain und Moses Ochs gehalten. Sie hatten, eigentlich nur vorübergehend, einen Raum zur Verfügung gestellt, der aber tatsächlich bis 1835 genutzt wurde. In diesem Jahr wandte sich die 1834 gegründete Gemeinde an ihre vorgesetzte Behörde und führte aus, man habe „einen Verein getroffen […] zur Vergrößerung einer Synagoge, wo sie selbst die Einsicht habe das unsere Synagoge zu klein ist, und die Gemeinde sich vergrösert, da wir nicht im Stand sind zu stehen vielweniger zu sitzen“8, weil die bisherige zu klein geworden sei. Ob und wann dies allerdings realisiert wurde, ist ungeklärt.

Am 8. Dezember 1869 erwarb die Gemeinde das Haus Rabensteiner Straße 10, das sie bis 1936 als Synagoge nutzte. Eine Gebäudebeschreibung aus dem Jahr 1900 bezeichnet die Synagoge mit Lehrerwohnung und Schule „1 Stockwerk, Fachwerk mit Lehm, Ziegel, Zustand: gut. Herrnstände, Frauenstände, Thoraschrank und Vorsteherstand. 1 heizbare Stube und Holzremise. 2. Frauenbad: 1 Stockwerk, Fachwerk mit Lehm, Ziegel, gut, 1 nicht heizbare Stube. Anzahl der Familien, denen das Gebäude Wohnung gewährt: 13“.9

Am 18. Juni 1936 verkauften die im Ort verbliebenen Mitglieder der Gemeinde die Synagoge samt Nebengebäuden und Garten für 1.500 Reichsmark an Aloys Pappert. Die Kultgegenstände waren zuvor in die Gemeinde nach Hanau gebracht worden, wo sie in der Pogromnacht zerstört wurden. Dazu gehörten sechs Thorarollen, zwei silberne Thoraschilder, drei silberne Lesefinger, 25 gold- und silberbestickte Thoramäntel, 30 handbemalte Wimpel, sechs goldbestickte Thoraschreinvorhänge aus Plüsch, Samt und Seide, sechs goldbestickte Decken für das Vorbeterpult, sechs goldbestickte Decken für das Vorlesepult, eine Ewige Lampe, ein siebenarmiger Leuchter, ein silberner Channukahleuchter, ein Jahrzeitleuchter, ein silberner Pokal, eine silberne Hawdallahgarnitur, zwei Schofarhörner, 30 Gebetmäntel, 15 Paar Gebetriemen, 40 Gebetbücher, 25 Sätze Festgebetbücher, 30 Bände Pentateuch, ein Satz Aufrufplatten, ein Priesterwaschbecken mit Kanne aus Messing, eine silberne Etrogbüchse und zwei Gebetsteppiche im Gesamtwert von 58.525 DM.10

Das Gebäude wurde durch den neuen Besitzer zu einem Wohnhaus und die Mikwe zu einer Remise umgebaut. Heute ist ihr ihre ehemalige Funktion nicht mehr anzusehen.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Noch ungeklärt ist, wo sich vor dem Bau der Synagoge in der Rabensteiner Straße 10 eine Mikwe befand. Wahrscheinlich ist, dass sie vor Gründung der Gemeinde 1834 in einem Privathaus lag. Möglicherweise könnte sich eine solche Einrichtung auch in dem bis 1869 als Bethaus genutzten Gebäude befunden haben.

Die jüngste Mikwe entstand 1883/1884 in dem rückwärtig zur Synagoge gelegenen Hofteil in einem Schuppen und wurde schon vor 1933 nicht mehr benutzt.11 Der Schuppen war fünf Meter lang und vier Meter breit.12

Schule

Bereits in den 1820 er Jahren war in Ulmbach ein eigener Religionslehrer beschäftigt. Zeitweise ging die Gemeinde einen Schulverband mit Hintersteinau ein, der bis 1885 hielt. Wo bis zum Bau der Schule in der Rabensteiner Straße 10 Unterricht gehalten wurde, ist nicht geklärt.

Cemetery

Die in Ulmbach Verstorbenen wurden auf dem Friedhof in Eckardroth bestattet.

Eckardroth, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Eckardroth, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustrations

Indices

Persons

David · Sebastian Ball · Meyer · Jekoff · Jekoff Meyer · Jacob Meyer · Abraham Jakob · Feiber Jakob · Meyer Hirsch · Seibel · Buseck, Seibel · Moyses · Ochsen, Moyses · Abraham, Witwe des · Hein, Abraham, Witwe des · Maier · Nussbaum, Maier · Bussek, Feiber · Ochs, Moses · Heim, Jakob · Ochs, Abraham · Heim, Isuuv · Buseck, Feiber · Buseck, Löb · Buseck, Meyer · Buseck, Regina · Buseck, Rachel · Nusbaum, Herz · Nusbaum, Judas · Nusbaum, Lieba · Hain, Jakob · Hain, Abraham · Hain, Simon · Nussbaum, Meyer · Nussbaum, Jakob · Nussbaum, Moses · Nussbaum, Elisa · Nussbaum, Eva · Nußbaum, Baruch · Schild, Juda

Places

Steinau an der Straße · Eckardroth · Frankfurt am Main · Argentinien · Palästina · USA · Hanau · Hintersteinau

Sachbegriffe Geschichte

Fulda, Hochstift · Nassau-Oranien · Frankfurt, Großherzogtum · Pogromnacht

Sachbegriffe Ausstattung

Thorarollen · Thoraschilde · Lesefinger · Thoramäntel · Wimpel · Thoravorhänge · Decken · Vorbeterpulte · Vorlesepulte · Ewige Lampen · Leuchter · Chanukkaleuchter · Jahrzeitleuchter · Pokale · Hawdalah-Garnituren · Schofarot · Gebetmäntel · Gebetriemen · Gebetbücher · Festgebetbücher · Pentateuch · Aufrufplatten · Priesterwaschbecken · Kannen · Etrogbüchsen · Gebetsteppiche

Fußnoten
  1. Röder, 2018, S. 64
  2. Röder, 2018, S. 66
  3. HStAM 100, 7685
  4. Röder, 2019, S. 51
  5. Röder, 2019, S. 52
  6. HStAM 180 Schlüchtern, 498
  7. Arnsberg, 1971, S. 313
  8. HStAM 180 Schlüchtern, 498
  9. Röder, 2019, S. 55
  10. HHStAW 518, 1232
  11. Altaras, 2007, S. 345
  12. Röder, 2019, S. 55
Recommended Citation
„Ulmbach (Main-Kinzig-Kreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/407> (Stand: 25.8.2022)