Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Homberg (Ohm) Karten-Symbol

Gemeinde Homberg (Ohm), Vogelsbergkreis — Von Susanne Gerschlauer
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

14. Jahrhundert

Location

35315 Homberg, Schlossgasse 7 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Oberhessen

religiöse Ausrichtung

liberal

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Ortsherren der vor 1234 mit Stadtrechten versehenen Kleinstadt waren seit dem 13. Jahrhundert die Landgrafen von Hessen, die dort auch eine Münzprägestätte betrieben. Das Amt Homberg wurde durch einen landgräflichen Amtmann versehen, der u.a. für die Rechtspflege der Stadt, Stadt- und Landgericht verantwortlich war. 1806 ging die Stadt in die Verwaltung der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt über.

Bereits im 14. Jahrhundert lebten Juden in Homberg/Ohm, doch wurden sie bei Pogromen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts für mehr als 150 Jahre aus der Stadt vertrieben.1 Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts und 1616, diesmal im Zusammenhang mit Steuerzahlungen für den Bau der Festung in Gießen, sind wieder Juden in Homburg belegt.2

Um 1830 lebten 88 Juden in Homberg, was einem Anteil von fünf Prozent an der Gesamtbevölkerung entspricht. 1871 lebten 71 Juden am Ort, 1900 waren es 80 (= sechs Prozent) und 1905 56 Juden bei 1.205 Einwohnern gesamt.3 Bedingt durch Abwanderung in größere Städte nahm die Zahl der in Homberg wohnenden Juden rapide ab, so dass nach 1918 noch zehn, später noch sieben jüdische Familien in der Kleinstadt wohnten.4 Die Juden von Homberg gründeten um 1706 eine Synagogengemeinde, zur welcher ebenfalls die in Nieder-Ofleiden lebenden Juden gehörten.5 1826 ist der Vorsänger, Simon Katz, in Homberg/Ohm während der Gottesdienste tätig6; seit den Vorstandswahlen 1928/29 war Jacob Goldenberg Vorsitzender der jüdischen Gemeinde.7 Die Mehrheit der jüdischen Homberger lebte als Manufaktur- und Viehhändler.

Seit ca. 1935 fand kein Gottesdienst mehr statt.8 Bis 1939 waren alle bis dahin in Homberg/Ohm lebenden Juden nach Palästina, Nordamerika und die Niederlande ausgewandert oder innerhalb Deutschlands weggezogen.9

Betsaal / Synagoge

Über vermutlich vorhanden gewesene Vorgängerbauten bzw. Betstuben in Privathäusern ist bisher nichts bekannt. Etwa um 1830 erwarb die jüdische Gemeinde von einem ihrer Mitglieder eine Scheune, die sie zu einer Synagoge umbauen ließ.10 Diese letzte Synagoge Hombergs war ein zweigeschossiges und holzverschindeltes Fachwerkhaus in der Schlossgasse. Sie stand traufseitig und zur Straße durch eine Bruchsteinmauer abgeschirmt, zurückgesetzt und freistehend auf dem Grundstück am Hang. Das Satteldach war mit Biberschwanzziegeln gedeckt. Zur Straße hin zeigte sich das Gebäude im Westen mit einer dreiachsigen Front. Im Obergeschoss waren drei hochrechteckige Fenster eingebaut; im Untergeschoss befand sich die gleiche Einteilung, doch bestimmte dort der Haupteingang mit querrechteckigem Oberlicht die Mittelachse. Die zwei Geschosse über dem hohen Bruchsteinsockel wurden durch ein Gurtgesims optisch akzentuiert. Im Ostgiebel war ein schmaler rechteckiger Erker eingebaut, der etwa 50 cm unterhalb der Traufe mit einem ziegelgedeckten Pultdächlein abschloss. Ein halbrundes Oberlicht gewährte dem Innenraum Helligkeit. In der Südtraufe lag über einer einläufigen sechsstufigen Treppe mit Podest der Eingang für die Frauen, der der Erschließung des Obergeschosses diente. Hier war im Verlauf der 1830er Jahre mit dem Einbau der Inneneinrichtung auch die Frauenempore hinzugekommen.11

Vermutlich stand in einer Ecke des Raumes ein Holzofen zum Beheizen des Raumes. Die Sitzplätze waren nach Osten, zum Aron Hakodesch-Erker hin ausgerichtet. Hinweise auf Art und Umfang der inneren Ausschmückung liegen nicht vor.

Um 1938 ging die ehemalige Synagoge in Privatbesitz über. Durch die folgende erhebliche Vernachlässigung – bis in die 1980er Jahre hinein stand das Gebäude leer – drohte ihr Dach einzustürzen. Die Gemeinde Homberg veranlasste, das alte durch ein preiswertes Notdach in Pultform zu ersetzen. Neue Eigentümer ließen das bis dahin baulich unveränderte Gebäude gegen Auflagen der Denkmalpflege komplett abtragen und durch Intervention der Denkmalpflege in Orientierung an die ehemalige Erscheinungsform wieder aufbauen.12

1989 wurde eine Messingtafel zur Erinnerung an die ehemalige Nutzung des Gebäudes angebracht.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Der ehemalige Eigentümer der zur Synagoge umgebauten Scheune verkaufte der jüdischen Gemeinde in den 1830er Jahren neben dieser Scheune auch ein Wohnhaus, das anschließend als Lehrerwohnung genutzt wurde und in dessen Keller eine Mikwe eingerichtet werden sollte.

Schule

In den späten 1820er Jahren wird über verschiedene Archivalien die Beschäftigung von Religionslehrern belegt.13 Der Schulraum lag im Synagogengebäude. Eine Lehrerwohnung war in dem Gebäude eingerichtet, in dem die Mikwe der Gemeinde lag.

Cemetery

Ein alter jüdischer Friedhof lag im heutigen Stadtgebiet nördlich des alten Ortskerns, nahe dem ehemaligen Amtsgericht aus dem 19. Jahrhundert. Heute befindet sich an dieser Stelle ein großer Garten.14

Der jüngere jüdische Friedhof mit einer Fläche von etwa 1.100 Quadratmetern grenzt an den kommunalen. Die Juden aus Nieder-Gemünden und Maulbach begruben ihre Verstorbenen ebenfalls dort. Der jüngste Grabstein stammt aus dem Jahr 1935.15

Homberg (Ohm), ehemaliger Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Homberg (Ohm), Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Fußnoten
  1. Battenberg, Homberg an der Ohm, S. 47; Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 389
  2. Battenberg, Quellen, S. 410; HStAD, R 21 J, 2749
  3. Ruppin, Juden, S. 73; Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 388
  4. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 389
  5. Ruppin, Juden, S. 73. Jüdische Zivilstandsregister aus den 1750er Jahren in Nieder-Ofleiden belegen auch hier eine frühe Ansiedlung von Juden.
  6. Aus dem Repertorium der Stadt Homberg laut telefonischer Information von Walter Seitz am 6.3.2009
  7. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 388. Laut schriftlicher Information Walter Seitz vom 30.1.2009 hat sich die jüdische Gemeinde bereits 1929 aufgelöst; dem entgegen nennt Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 388, das Jahr 1937.
  8. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 389
  9. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 389
  10. Altaras, Synagogen 2007, S. 255
  11. Altaras, Synagogen 2007, S. 255
  12. Altaras, Synagogen 2007, S. 255. Schriftliche Information von Walter Seitz vom 30.1.2009
  13. Aus dem Repertorium der Stadt Homberg laut telefonischer Information von Walter Seitz am 6.3.2009
  14. Laut Angaben von Walter Seitz vom 6.3.2009
  15. vgl. auch Friedhof Homberg (Ohm) auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
Recommended Citation
„Homberg (Ohm) (Vogelsbergkreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/180> (Stand: 11.8.2022)