Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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4922 Homberg (Efze)
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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 42. Homberg

Homberg an der Efze Karten-Symbol

Gemeinde Homberg (Efze), Schwalm-Eder-Kreis — Von Thomas Schattner
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

um 1600

Location

34576 Homberg an der Efze, Salzgasse 9 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Niederhessen (Kassel)

religiöse Ausrichtung

orthodox

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Die Geschichte der neueren jüdischen Gemeinde ist sehr kurz. Erst ab dem Jahr 1885 etablierte sich in der Kreisstadt eine kleine jüdische Gemeinde, die in den nächsten Jahrzehnten aber rasant wachsen sollte und zu Beginn der 1930er Jahre mehr als 30 Mitglieder umfasste. Am 2. September 1942 endete diese Phase des deutsch-jüdischen Miteinanders dann abrupt nach 57 Jahren. An diesem Tag verließ Minna Heilbronn als letzte Person jüdischen Glaubens die Stadt, so dass der Bürgermeister jubelte: „Damit ist die Stadt judenfrei geworden“.

Schon seit ca. dem Jahr 1600 waren in Homberg Bürger jüdischen Glaubens ansässig. Anno 1600 wurde ein Homberger Jude, der wegen seiner Schulden von einem Bürger der Stadt gemahnt wurde, zu Tode geschlagen, in kleine Stücke zerhauen und anschließend in einem Sack in einem Wasserloch hinter einer Mauer versteckt. Der Mörder wurde später hingerichtet.1

Weitere Hinweise über die Aktivitäten von Juden finden sich 1636. Damals beklagten sich die Kupferschmiede der Stadt über jüdischen Hausierer-Handel solcher Waren. Die Ersterwähnung eines jüdischen Bürgers in Homberg erfolgte 1679.2

Rund einhundertvierzig Jahre später, 1739, finden wir weitere Spuren der Homberger Juden. Am 13. März 1935 veröffentlichte die Homberger Zeitung unter der Überschrift “Aus vergilbten Blättern“ Auszüge aus einer Judenordnung des Jahres 1739.3 Das Gesetz regelt vor allem das Verhalten der jüdischen Minderheit an Sonn- und Feiertagen.

Erneut fast wieder einhundert Jahre später erfahren wir die ersten Namen von jüdischen Bürgern der Stadt. Der Kaufmann David Stirn und der Pferdehändler Simon Heinemann waren Mitglieder des “Demokratisch socialen Vereins“.4 Dieser hatte sich im Umfeld der 1848er Revolution in der Kreisstadt gebildet. Laut seinen Statuten verfolgte er den Zweck, die “demokratisch soziale Republik mit aller Energie durch alle gesetzmäßigen Mittel“ zu erreichen.5 Neben diesen Namen sind 1866 ca. acht jüdische Personen in Homberg nachweisbar.6

Dennoch dauerte es bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, ehe in Homberg eine größere Anzahl von jüdischen Mitbürgern wieder ansässig wurde. Zwischen 1880 und 1908 zogen zahlreiche Familien in die Kreisstadt.7 Dadurch sind 1905 schon 27 Bewohner der Stadt jüdischen Glaubens nachweisbar.8 Verstärkt wurde diese Bewegung durch den Umzug der Synagogengemeinde Falkenberg/Hebel nach Homberg im Jahr 1909. Denn erst ab diesem Jahr besaß die Kreisstadt eine eigene jüdische Gemeinde. Mit ihr verzog die jüdische Volksschule nach Homberg. So erklärt sich der enorme Anstieg der jüdischen Bürger, der 1908 mit 47 Personen hier in Homberg einen Höhepunkt erreichte.

Im Jahr der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, 1933, wohnten in Homberg mindestens sechs jüdische Familien mit insgesamt 34 Mitgliedern.9 Sie lebten in eigenen Häusern und in wirtschaftlich weitgehend guten Verhältnissen. Doch schon zwischen 1933 und 1938 verließen sechs jüdische Bürger die Kreisstadt. Mindestens zwei Familien verzogen zusätzlich 1939 nach Berlin bzw. Frankfurt. Im gleichen Jahr verstarb Robert Katz an den Folgen seiner Haft im Konzentrationslager Buchenwald in Kassel.

Dennoch ist der Blutzoll, den die Homberger Juden zusammen mit ihren Nachfahren entrichteten mussten, enorm. Nur 19 von ihnen gelang die Flucht, 15 Personen flohen in die USA, drei nach Palästina und zwei Personen nach England. Von 16 Personen ist das Schicksal unbekannt, 23 ehemalige jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger Hombergs wurden in den Konzentrations- und Vernichtungslagern bzw. in den Ghettos in Auschwitz, Dachau, Lodz, Minsk, Riga, Sobibor, Stutthof und Treblinka ermordet.

Betsaal / Synagoge

Der Umzug der Synagogengemeinde von Falkenberg nach Homberg hatte auch für das religiöse Leben der jüdischen Gemeinde Folgen. Zwar nutzten etliche Mitglieder weiterhin teilweise die Falkenberger Synagoge, doch die Errichtung eines eigenen religiösen Zentrums innerhalb der Stadt wurde immer dringender. Vor diesem Hintergrund errichtete die jüdische Gemeinde Hombergs im Jahr 1901 einen Gebetsaal im Haus der Familie Heilbronn. Ein Artikel in der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 19. September 1901 beschreibt die Hintergründe der Errichtung wie folgt: „Diesmal ist es uns durch die Opferwilligkeit der Herren Goldschmidt, Katz, Höxter und Heilbronn gelungen, unseren lang gehegten Wunsch, ein Betlokal einzurichten, auszuführen. Besonders verdient gemacht hat sich um das Zustandekommen dieses heiligen Zweckes Herr Jakob Goldberg aus Kassel, der überall, wo es sich um die orthodoxen Interessen des Judentums handelt, mit der größten Opferwilligkeit und Selbstverleugnung eifrig mitwirkt. Von Herrn Goldberg erhielten wir die Einrichtung für unser Betlokal und ging er uns auch mit Rat und Tat an die Hand“. In welchem Haus genau sich der Betsaal befand, ist unbekannt. Sicher ist dagegen, dass „silbernes Gehänge“, welches ehemals von der Falkenberger Familie Buxbaum für die Falkenberger Synagoge gespendet worden war, nun im Homberger Betsaal Verwendung fand.

Sieben Jahre später wurde der Betsaal erstmals verlegt. Am 25. April 1908 verzog der jüdische Lehrer Wolf Lotheim von Falkenberg nach Homberg. In seinem Haus in der Salzgasse Nummer 9 wurde nun ein zweiter Gebetsraum, der diese Funktion bis zum Jahr 1930 innehatte, eingerichtet.10 Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass schon ein Jahr später Sus(s)mann Heilbronn, der erste Gemeindeältester und Schächter der Gemeinde, das Haus übernahm. Des Weiteren war in der Salzgasse Nummer 9 von 1908 bis 1919 ein jüdischer Schulraum untergebracht. Eventuell wurden auch beide Nutzungsformen in einem Raum vereint. Der Gebetsraum befand sich im Erdgeschoss des dreigeschossigen Fachwerkbaus. Inwieweit er auch als Privatsynagoge diente, lässt sich heute nicht mehr feststellen.

Da sich der Gesundheitszustand von Sus(s)mann Heilbronn (1859 - 1933) immer mehr verschlechterte, musste gehandelt werden. Ein Schlaganfall hatte seiner Gesundheit enorm zugesetzt und ihn ans Bett gefesselt. Deshalb wurde nun Salomon Goldschmidt (1869 - 1932) Gemeindevorsteher. Wahrscheinlich wurde auch in diesem Zusammenhang der Gebetsaal im Jahr 1930 in die Webergasse Nummer 10 verlegt, wo er bis zum Jahr 1938 der Gemeinde für ihre Gottesdienste diente.11 Auch hier lag der Gebetsraum im Erdgeschoss, seine Ausrichtung erfolgte nach Thea Altaras nach Südosten.12 Der Raum war durch Holzscherengitter geteilt, damit Frauen und Männer getrennt an den Gottesdiensten teilnehmen konnten. Der Betsaal nahm die gesamte Grundfläche des Fachwerkgebäudes ein. Allerdings war dieser Raum auch wesentlich kleiner als der Vorgängersaal. Dies war allerdings unproblematisch, weil sich auch zwischenzeitlich die Gemeinde verkleinert hatte. Im Jahr 1927 leben durch den berufsbedingten Wegzug der Kinder der jüdischen Familien nämlich nur noch 31 Personen in Homberg.13 Nach dem Tod von Salomon Goldschmidt im Mai 1932 wurde Robert Katz (1884 - 1939) sein Nachfolger als Gemeindevorsteher.

Das Haus in der Salzgasse wurde im April 1943 von der Reichsfinanzverwaltung des Deutschen Reiches beschlagnahmt. Das Gebäude in der Webergasse wurde im März 1939 an den Schafmeister Heinrich Schäfer verkauft. Die Häuser mit den beiden ehemaligen Beträumen in Homberg befinden sich heute noch in Privatbesitz. In der Salzgasse erinnern heute drei Stolpersteine für Mitglieder der Familie Heilbronn an die jüdische Vergangenheit des Hauses, eine kleine Gedenktafel erinnert seit dem Jahr 1993 am Haus in der Webergasse daran, dass in diesem Haus einst jüdische Gottesdienste gefeiert wurden.

Ob die jüdische Gemeinde einen Versuch unternommen hat, eine Synagoge zu errichten, ist unbekannt. Zahlenmäßig wäre sie dazu zumindest zeitweise durchaus in der Lage gewesen und auch finanzkräftig genug wäre sie gewesen.

Weitere Einrichtungen

Cemetery

Wenn auch nach dem Umzug der Synagogengemeinde weiterhin Bestattungen auf dem jüdischen Friedhof in Falkenberg stattfanden, wurde gleichzeitig ein jüdischer Friedhof in Homberg errichtet. Dieser befindet sich noch heute am Südrand des christlichen Friedhofs und wurde von 1911 bis 1941 von der jüdischen Gemeinde genutzt. Insgesamt 15 Tote wurden hier auf dem 706 Quadratmeter großen Areal beerdigt.

Falkenberg, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Homberg (Efze), Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Falkenberg, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Indices

Persons

Heilbronn, Minna · Stirn, David · Heinemann, Simon · Katz, Robert · Heilbronn, Familie · Goldschmidt, Familie · Katz, Familie · Höxter, Familie · Goldberg, Jakob · Buxbaum, Familie · Lotheim, Wolf · Heilbronn, Sussmann · Heilbronn, Susmann · Goldschmidt, Salomon · Schäfer, Heinrich

Places

Falkenberg · Hebel · Berlin · Frankfurt am Main · Kassel · Palästina · England

Sachbegriffe Geschichte

Homberg (Efze), Demokratisch Socialer Verein · Revolution 1848/1849 · Buchenwald, Konzentrationslager · Auschwitz, Vernichtungslager · Dachau, Konzentrationslager · Lodz, Ghetto · Minsk, Ghetto · Riga, Ghetto · Sobibor, Vernichtungslager · Stutthof, Konzentrationslager · Treblinka, Vernichtungslager · Reichsfinanzverwaltung · Stolpersteine

Sachbegriffe Architektur

Holzscherengitter · Fachwerkbauten

Fußnoten
  1. Heimat-Kalender des Kreises Homberg, 2. Jg. (1927), o. O., o. J., o. S.
  2. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 390
  3. Homberger Zeitung vom 13. März 1935
  4. Kaiser, Erich: Geschichte der Stadt Homberg 1648-1920, Homberg/Efze 1982, S. 80
  5. Kaiser, Erich: Geschichte der Stadt Homberg 1648-1920, Homberg/Efze 1982, S. 79
  6. Krause-Willenberg, Geschichte der Juden im heutigen Schwalm-Eder-Kreis, S. 191
  7. HStAM 180 Homberg, 195
  8. Skamel/Simon, Homberg unterm Hakenkreuz, S. 262
  9. Skamel/Simon, Homberg unterm Hakenkreuz, S. 262
  10. https://archivhomberg.files.wordpress.com/2018/09/juden-in-homberg.pdf
  11. https://archivhomberg.files.wordpress.com/2018/09/juden-in-homberg.pdf
  12. Altaras, Synagogen in Hessen, S. 156-157
  13. Skamel/Simon, Homberg unterm Hakenkreuz, Homberg, S. 262
Recommended Citation
„Homberg an der Efze (Schwalm-Eder-Kreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/336> (Stand: 22.7.2022)