Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Heusenstamm Karten-Symbol

Gemeinde Heusenstamm, Landkreis Offenbach — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1591

Location

63150 Heusenstamm, Kirchstraße 20 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Offenbach

religiöse Ausrichtung

reformiert

preserved

nein

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Heusenstamm wurde zum ersten Mal 1211 in einem Lehnsbuch der Herren von Eppstein erwähnt. Nach deren Aussterben traten die Grafen von Königstein das Lehen an, ab 1561 das Kurfürstentum Mainz. Genau 100 Jahre später, 1661, kam es in den Besitz von Philipp Erwein von Schönborn. Seit 1806 im Besitz der Fürsten von Isenburg-Birstein gelangte Heusenstamm 1816 an Hessen- Darmstadt.

Bereits im Dreißigjährigen Krieg dürfte sich eine jüdische Gemeinde gegründet haben, nachdem der Freiherr von Heusenstamm seine Herrschaft an den Frankfurter Kaufmann Stefan von Cronstetten verpachtet hatte und dieser die Ansiedlung von 15 jüdischen Familien und den Bau einer Synagoge gestattet hatte. Dagegen protestierte 1650 der örtliche Pfarrer, woraus ein Schriftwechsel entstand, demzufolge bereits 200 Jahre zuvor Juden in Heusenstamm ansässig gewesen sein sollen und eine Synagoge sowie einen Friedhof unterhalten hätten.1 Tatsächlich gibt es im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt eine Akte aus der Zeit 1591/95, laut der fünf Juden aus Ratingen, Reiferscheid und Jud Joseph aus Heusenstamm auf dem Rückweg von der Frankfurter Messe auf einem angeblich gesperrten Geleitweg festgenommen worden waren.2

Der Protest des Pfarrers scheint vergeblich gewesen zu sein, denn 1678 erneuerte Philipp von Schönborn die Schutzbriefe der aus „etlich und Zwanzig hausgesassen bestehende Judenschaft“.3 Auch zu dieser Zeit scheinen eine Synagoge und ein Friedhof bestanden zu haben.

Um 1670 soll die Anzahl der in Heusenstamm lebenden Juden bei 20 gelegen haben.4 Gleichzeitig waren dort 30 Untertanen, sechs Witwen und elf Beisassen wohnhaft. Die Gesamteinwohnerzahl lag folglich bei 67, der Anteil der jüdischen Einwohner hätte demnach bei knapp 30 Prozent gelegen, was bemerkenswert hoch wäre.

1795 wurden erstmals alle Schutzjuden namentlich genannt. Es waren Isaak Sendel, Bendet, Josephs Witwe, Isaak Jakob, Aschrom, Jousel und Bär. Bis 1828 stieg die Zahl der jüdischen Familien auf 16, zudem lebten fünf Witwen im Ort. Insgesamt waren dies 89 Personen, was einen Anteil von rund 11 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht.

1829, nach Annahme fester Familiennamen, besaßen Mayer Oppenheimer, Samuel Rosenberger, Isaac Schwarzschild, Lemte Reichenberger, Wolf Gutenstein, Moses Löw, Joel Rollmann, Katman Hirsch, Moses Gamberg, Lazarus Katzenbach und die Witwen Rechina Kamberg, Bente Oppenheimer, Merte Feist und Merte Schloß aus Heusenstamm, Abraham Löw, Benjamin Kamberg und die Witwe Aron Löw aus Obertshausen und Katman und Daniel Hirsch aus Hausen einen Sitz in der Synagoge.5

Mit Rückgang der Mitgliederzahlen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verarmte auch die Gemeinde, so dass sie 1891 um Beihilfe für laufende Gemeindeausgaben bei der bürgerlichen Gemeinde nachsuchte. Um 1905 lag die Zahl der jüdischen Einwohner bei 35 Personen und 1933 bei acht Familien.6

Nach der Zerstörung der Synagoge wurden auch in Heusenstamm Privatwohnungen überfallen, Menschen misshandelt und teilweise verhaftet und deportiert.

2007 wurden in Heusenstamm Stolpersteine verlegt.

Betsaal / Synagoge

In der 1678 erteilten Erneuerung des Schutzbriefes für die Heusenstammer Judenschaft wird erwähnt, dass die Herrschaft einen Kredit in Höhe von 230 Gulden für den Bau einer Synagoge zur Verfügung gestellt hatte.7 Ob es sich dabei um das gleiche Gebäude handelte, das 1829 in der Eckgasse, heute Kirchstraße 20, lag und renoviert wurde, ist nicht bekannt.

1881 wurde an gleicher Stelle ein Neubau errichtet und am 31. Oktober eingeweiht. Er verfügte über 34 Sitzplätze für Männer und 12 Frauenplätze. Zur Ausstattung gehörte unter anderem ein Thoraschild mit Silbergehänge aus dem Jahr 1674.8 Über dem Thoraschrein soll sich das Hessische Wappen befunden haben, ein Geschenk des Großherzogs Ernst Ludwig anlässlich der Einweihung. Die Synagoge selbst war ein schmales eingeschossiges Haus, dessen hinterer Bereich den Betsaal aufnahm, der nur 35 Quadratmeter groß war.9 Der vordere Teil des Hauses barg eine kleine Wohnung.

1924 stürzte während der Purimwoche der Dachstuhl ein.

Die Synagoge wurde im Zuge der Novemberpogrome gewaltsam geöffnet, die Fenster eingeschlagen und das Mobiliar sowie wertvolle Kultgegenstände zerstört. Weil in ihrem vorderen Bereich christliche Mieter wohnten, sah man von Brandstiftung ab.

Nach den Zerstörungen wurde das Gebäude verkauft und zunächst zu einem Wohnhaus umgebaut. Heute steht an dieser Stelle ein vollständiger Neubau.

Von den Einrichtungsgegenständen überdauerte eine qualitativ hochwertige Thoradecke, die der örtliche Pfarrer 1960 wieder abgab. Ihr Verbleib ist allerdings ungeklärt.10

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Eine Mikwe wird bestanden haben, es ist aber nichts darüber bekannt geworden.

Schule

In Heusenstamm gab es eine Religionsschule, an der Ende des 19. Jahrhunderts Moses Eckmann unterrichtete. 1910 feierte er sein 25-jähriges Lehrerjubiläum.

1937 besuchten die Kinder die jüdische Volksschule in Offenbach.

Cemetery

Der jüdische Friedhof Heusenstamm liegt etwa einen Kilometer nördlich der Stadt nur wenig südlich der BAB 3 (Verlängerung Jahnstraße). Er wurde 1669 eingerichtet und diente als Begräbnisstätte auch für die in Weiskirchen, Jügesheim, Dietzenbach, Hainhausen, Obertshausen und Bieber Verstorbenen.11 Seine Einfriedungsmauer entstand 1857, stürzte aber 1887 teilweise wieder zusammen. Da die Gemeinde sehr arm war, wurden die meisten Verstorbenen ohne Grabstein bestattet. Ihre Namen standen überwiegend auf hölzernen Totenbrettern. Die letzte Bestattung fand im Februar 1938 statt.

Der Friedhof wurde nicht nur im Zuge der Novemberpogrome geschändet, sondern auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

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Grabstätten

Heusenstamm, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Fußnoten
  1. Dittrich, Heusenstamm 1989, S. 6
  2. HStAD E 14 B, 70/5
  3. Dittrich, Heusenstamm 1989, S. 7
  4. Dittrich, Heusenstamm 1989, S. 9
  5. Dittrich, Heusenstamm 1989, S. 14
  6. Dittrich, Heusenstamm 1989, S. 10
  7. Dittrich, Heusenstamm 1989, S. 8
  8. Dittrich, Heusenstamm 1989, S. 11
  9. Richter-Rauch, Familien, S. 17
  10. HHStAW 518, 1435
  11. Hüttenmeister, 2014, S. 6
Recommended Citation
„Heusenstamm (Landkreis Offenbach)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/158> (Stand: 22.7.2022)