Synagogen in Hessen
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- Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 90. Hintersteinau
Hintersteinau
- Gemeinde Steinau an der Straße, Main-Kinzig-Kreis — Von Wolfgang Fritzsche
- Basic Data ↑
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Juden belegt seit
Mitte 18. Jahrhundert
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Location
36396 Steinau, Ortsteil Hintersteinau, Hausnummer 51
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Rabbinat
Hanau
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preserved
nein
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Gedenktafel vorhanden
nein
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Weitere Informationen zum Standort
- History ↑
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Hintersteinau wurde urkundlich erstmals 950 erwähnt und kam 1377 an die Herren von Hanau und 1456 bei der Hanauer Landesteilung an die Grafschaft Hanau-Münzenberg. Mit dem Tod des letzten Hanauer Grafen fiel der Ort 1736 an die Landgrafschaft Hessen-Kassel. Dort gehörte er zum Landkreis Schlüchtern. 1866 gelangte Hintersteinau an Preußen und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg Bestandteil des Bundeslandes Hessen. 1974 wurde es in die Stadt Steinau eingegliedert und mit Auflösung des Landkreises Schlüchtern dem neu geschaffenen Main-Kinzig-Kreis zugeteilt.
Obwohl 1754 bereits 13 Juden in Hintersteinau lebten, gibt es so gut wie keine Nachrichten über das Gemeindeleben und die dazu benötigten Einrichtungen.
Als sich Juden 1811 bürgerliche Namen geben mussten, wählten die vier in Hintersteinau verzeichneten Familienväter die Namen Hirsch Stern, Benedikt Heß, Liebmann Goldschmidt und Bär Adler.
1864 gründete sich der israelitische Krankenunterstützungsverein.1
Bereits 1932 kam es in Hintersteinau zu antisemitischen Ausschreitungen. Im April waren die Fenster der Synagoge zertrümmert worden und am Abend des 14. Juli kam es zu Zusammenrottungen, bei denen nationalsozialistische Kampf- und Spottlieder auf Juden gesungen wurden. Kurz vor 11:00 Uhr wurden bei vier jüdischen Familien die Fenster eingeworfen. „Als Täter könnten dafür einige politisch verhetzte junge Burschen in Fragen kommen“, mutmaßte der Bericht erstattende Oberlandjäger. Gleichzeitig verwies er aber auch darauf, dass von Seiten der jüdischen Einwohner auf politischem Gebiet „auch nicht immer der nötige Takt gewahrt“ würde. Der ebenfalls Stellung nehmende Bürgermeister wiegelte ab und beendete seinen Bericht mit „Der Jude hat die Eigenschaft an sich, daß er seinen finanziellen Verpflichtungen nur erst dann nachkommt, wenn Zwangsmaßnahmen angewandt werden. Vom Einwerfen der Fensterscheiben an der Synagoge ist mir nichts bekannt.“2
Formal wurde die jüdische Gemeinde Hintersteinau im November 1938 aufgelöst, als noch 25 Juden im Ort wohnten. Sie betrieben überwiegend Viehhandel.
- Betsaal / Synagoge ↑
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Bislang ist ungeklärt, wo vor Mitte des 19. Jahrhunderts Gottesdienst gehalten wurde. In einer Akte, die den geplanten Bau einer neuen Synagoge zum Inhalt hat, ist zwar von einem „Gotteshaus“ die Rede, allerdings ohne dieses näher zu lokalisieren. Bereits 1834 hatte die Gemeinde die ehemalige Zehntscheune des Klosters Schlüchtern in Hintersteinau für 900 Gulden angekauft, um dort ein Gemeindehaus einzurichten. Ein Teil des Kaufpreises war durch einen teilweisen Weiterverkauf finanziert worden. Die Gemeinde schob jedoch den Umbau immer weiter vor sich her, bis 1843 der Lehrer Grünstein daran erinnerte und gleichzeitig den Bau eines Schullokales vorschlug.3
Als sich die Gemeinde 1869 eine neue Synagogenordnung für zugezogene Juden gab, gab sie an, etwa zehn Jahre zuvor eine Synagoge samt Schule, Lehrerwohnung und Mikwe für rund 2.000 Gulden erbaut zu haben, die zu diesem Zeitpunkt einen Wert von rund 3.000 Gulden habe. Sollten sich nun weitere Juden im Ort ansiedeln, so sehe sich die Gemeinde gezwungen, die Synagoge zu vergrößern. Daher erhob sie ein Synagogengeld in Höhe von 150 Talern, um die neuen Gemeindemitglieder in die gleichen Rechte wie die einheimischen setzen zu können.4 Ob es sich hierbei allerdings um die zuvor erwähnte Zehntscheune handelt, ist wenig wahrscheinlich. Auch wenn über die folgenden Jahre und Jahrzehnte keine weiteren Archivalien vorliegen, so weisen die Entschädigungsakten darauf hin, dass sich der Betraum in einem sehr alten Fachwerkbau befand, der der Gemeinde gehört hatte.5
Nach Paul Arnsberg befand sich die Synagoge in dem Haus mit der Nummer 51 und wurde schon lange vor 1933 nicht mehr genutzt, da kein Minjan mehr erreicht werden konnte. Die Kultgegenstände waren nach Schlüchtern gebracht worden6, wo sie in der Pogromnacht zerstört wurden. Dazu zählten sechs Thorarollen, eine silberne Thorakrone, drei silberne Thoraschilder, ein silberner Lesefinger, sechs gold- und silberbestickte Thoramäntel, 50 handbemalte Wimpel, drei goldbestickte Thoraschreinvorhänge aus Samt, vier Decken für das kombinierte Vorbeter- und Vorlesepult, ein silberner Chanukkaleuchter, ein silberner Weinbecher, ein silberner Pokal, eine silberne Hawdallahgarnitur, ein pergamentbeschriebenes Megillah mit Mantel, zwei Schofarhörner und ein silbernes Priesterwaschbecken mit Kanne im Gesamtwert von 45.700 DM.
- Weitere Einrichtungen ↑
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Mikwe
In Zusammenhang mit Einführung einer neuen Synagogenordnung wurde erwähnt, dass um 1860 ein Gemeindezentrum mit Schule, Lehrerwohnung und Mikwe gebaut worden sei. Den Entschädigungsakten ist zu entnehmen, dass es vor der NS-Zeit eine Mikwe in einem alten Fachwerkbau gegeben hatte.7
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Schule
Die Schule befand sich in dem um 1860 eingerichteten Gemeindehaus. Der Lehrer war gleichzeitig Vorsänger in der Synagoge und Schochet.
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Cemetery
Die Verstorbenen aus Hintersteinau wurden auf dem Friedhof in Flieden bestattet.
- References ↑
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Weblinks
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Sources
- Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (HHStAW):
- HHStAW Best. 365, Nr. 753: Sterberegister der Juden von Schlüchtern (enth. Hintersteinau), 1826-1827
- HHStAW Best. 365, Nr. 763: Geburtsregister der Juden von Schlüchtern (enth. Hintersteinau), 1826-1852
- HHStAW Best. 365, Nr. 766: Trauregister der Juden von Schlüchtern (enth. Hintersteinau), 1826-1827
- HHStAW Best. 503 Nr. 7366: Entschädigungsansprüche der jüdischen Gemeinden im Regierungsbezirk Wiesbaden. Band 11: Gebäude der jüdischen Kultusgemeinde in Schlüchtern (darin: Zerstörung von Kultgegenständen aus der Synagoge in Hintersteinau), (1932-1933) 1960-1962
- HHStAW Best. 518 Nr. 1175: Israelitische Kultusgemeinde Schlüchtern (enth. Aufstellung der aus der Synagoge Hintersteinau ausgelagerten Kultgegenstände), 1954-1962
- Hessisches Staatsarchiv Marburg (HStAM):
- HStAM Best. 86 Nr. 9987: Geplanter Bau einer Synagoge zu Hintersteinau, 1843
- HStAM Best. 180 Schlüchtern Nr. 493: Errichtung von Statuten [für zugezogene Juden] wegen Teilnahme an den Einrichtungen der Synagogen-Gemeinde Hintersteinau, 1869
- HStAM Best. 180 Schlüchtern Nr. 791: Israelitischer Krankenunterstützungsverein zu Hintersteinau, 1864
- HStAM Best. 180 Schlüchtern Nr. 1325: Verbrechen und Vergehen, 1931-1940
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Bibliography
- Alicke, Klaus-Dieter: Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum. Gütersloh 2008
- Arnsberg, Paul: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang. Untergang. Neubeginn, 2 Bde. Frankfurt a.M. 1971/1972, hier: Band 1, S. 369
- Kühnert, Alfred: Die Synagogengemeinde Hintersteinau. In: Bergwinkel-Bote 40 (1989), [S. 21]
- Indices ↑
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Persons
Hanau, Herren von · Stern, Hirsch · Heß, Benedikt · Goldschmidt, Liebmann · Adler, Bär · Grünstein, Lehrer · Arnsberg, Paul
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Places
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Sachbegriffe Geschichte
Hanauer Landesteilung · Hanau-Münzenberg, Grafschaft · Hessen-Kassel, Landgrafschaft · Preußen · Zweiter Weltkrieg · Hintersteinau, Krankenunterstützungsverein · Pogromnacht · Synagogenordnungen
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Sachbegriffe Ausstattung
Thorarollen · Thorakronen · Thoraschilder · Lesefinger · Thoramäntel · Wimpel · Thoraschreinvorhänge · Decken · Vorbeterpulte · Vorlesepulte · Chanukkaleuchter · Weinbecker · Pokale · Hawdallahgarnituren · Megilloth · Schorafhörner · Priesterwaschbecken · Kannen
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Sachbegriffe Architektur
- Fußnoten ↑
- Recommended Citation ↑
- „Hintersteinau (Main-Kinzig-Kreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/194> (Stand: 10.2.2023)