Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Briefwechsel des Roßdorfer Musketiers Joseph Preis mit seiner Mutter, 1914-1915

Abschnitt 8: 14.3.1915: Brief des Joseph Preis an seine Mutter

Schützengraben, 14. 3. 1915 Liebes Mütterchen !

Will Euch wieder ein paar Zeilen schreiben. Vorgestern habe ich Euch ja auch einen geschrieben, worin ich Euch herzlich gratuliert habe zu Euerem Namenstage. Ich hatte aber vergessen Euch zu schreiben, daß ich das Andenken und die Photographie von meinem lieben Bruder und fünf Mark noch ehe wir in Gent abrückten erhalten habe. Ach was habe ich mich gefreut über das Andenken und die Photographie. Liebes Mütterchen, jetzt bin ich schon pa(a)r Tage im Graben; ach hier ists schrecklich, ihr könnt Euch keinen Begriff davon machen. Wir sind noch ungefähr 12 Stunden vor Ypern. Unser Graben ist teilweise 150 Meter vom französischen. Schon vom November liegen sie in den Gräben. Also könnt Euch denken, wies hier aussieht. Wo unsere Kompanie liegt, ist gerade ein Gemüseacker. Hier steht noch das ganze Gemüse vom vorigen Jahr. Es ist auch noch schön frisch. Zwischen den Gräben liegen noch die Leichen von November an, denn hier ist schon einige (Mal?) ein Sturmangriff gemacht worden, des Nachts werden als einige von uns begraben. Ihr könts gar nicht schrecklicher vorstellen, ich glaube es auch nicht.

Liebes Mütterchen, die Granaten und Schrappneils sind ja zu schrecklich (,) hier kann man sich auch vor schützen. Das Gewehrfeuer ist ja nicht so schlimm.

Liebe Mutter was hats doch Artillerie und Train so gut, die sind ein par Stunden hinter der Front, fast keiner Gefahr ausgesetzt. Aber wir liegen hier direkt vorm Feind. Von hinten sausen die deutschen Granaten über uns weg und unter uns blatzen die französischen. Liebes Mütterchen, betet und tut Guts (?) denkt ja immer an mich. Ihr seid auch nur Herz und Marg meiner einzigen Gedanken. Alles übrige habe ich vergessen und wollte auch auf alles verzichten, wenn ich nur mein liebes Mütterchen wieder kriegte. [S. 5/6] Betet, daß ich Euch wieder sehe. Den Boten (Bonifatiusboten) habe ich gekriegt, schickt mir ihn immer und auch ganz, damit (icti)mal was lese von meiner Diözese. Liebe Mutter(,) schickt mir immer weiter hauptsächlich Butter und Wurst jeder Sorte, denn immer eine Sorte wird man müde.

Liebes Mütterchen es ist jetzt 1 Uhr Sonntag (,) ihr habt sicher schon einen guten Mitag gehabt, aber ich habe nur ein trocken Stückchen Brot gessen heute morgen. Ich opfer aber alles dem lieben Gott auf und will auch gern alles ertragen, wenn ich nur Euch, liebes Mütterchen, wieder kriege.

Zum Schluße seid herzlich gegrüßt, im Geiste umarmt und geküsst von Euerem lieben unvergeßlichen Sohn Joseph.


Personen: Preis, Joseph · Preis, Anna
Sachbegriffe: Feldpost · Feldpostbriefe
Empfohlene Zitierweise: „Briefwechsel des Roßdorfer Musketiers Joseph Preis mit seiner Mutter, 1914-1915, Abschnitt 14: 14.3.1915: Brief des Joseph Preis an seine Mutter“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/74-8> (aufgerufen am 26.04.2024)