Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg
Inhalt
- Julikrise und Mobilmachung in Marburg, 1914
- Ausmarsch mit der Truppe an die Westfront
- Verlagerung der Einheit an die Ostfront, Verwundung
- Zusammentreffen mit Kaiser Wilhelm II. in Berlin, 1918
- Kritik an der Kirche und am Volkskirchenbund, 1919
- Politische Betätigung in der Marburger DNVP
- Kapp-Putsch in Marburg, 1920
- Das Marburger Studentenbataillon in Mechterstädt, 1920
- Austritt aus der Deutschnationalen Volkspartei
- Tätigkeit im Kommunallandtag
- Gründung der Wirtschaftspartei
Abbildungen
↑ Johann Victor Bredt, Erinnerungen des Marburger Rechtsprofessors und Politikers, 1914-1921
Abschnitt 9: Austritt aus der Deutschnationalen Volkspartei
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Der Kapp-Putsch hatte für mich die große Bedeutung, daß er meinen Bruch mit der Deutsch-Nationalen Volkspartei herbeiführte. Die Marburger Deutschnationalen waren fast restlos begeistert von Kapp. Keiner hatte allerdings gewagt, einen Finger zu rühren oder auch nur den Mund aufzumachen. Erst später wurde hinter verschlossenen Türen um so mehr geredet. Genau wie nach dem Krieg wurde auseinandergesetzt: „wir hätten" alles erreichen können, „wenn nur . . ." Da ich offen meine entgegengesetzte Meinung äußerte und vor allem die Frage aufwarf, was denn Kapp habe praktisch machen wollen, kam ich bald in Konflikt mit den führenden Leuten. Es kam schließlich so weit, daß jeder für eine Art Vaterlandsfeind galt, der nicht begeistert von Kapp redete. Als mir dann eines Tages der stellvertretende Vorsitzende, kein anderer als mein Kollege André1, mit klaren Worten sagte, Leute wie ich hätten in der Partei nichts mehr zu suchen, da machte ich ganze Arbeit.
Der erste Vorsitzende in Marburg, Buchhändler Sonnenschein2, hatte selbst einen schweren Stand in der Partei und konnte mir wenig helfen. Ich schrieb daher [am 9. April] an den Vorsitzenden von Hessen-Nassau, Landeshauptmann v. Gehren, und [am 4. Mai 1920] an den Vorsitzenden der Gesamtpartei, Minister a. D. Hergt. Beiden setzte ich auseinander, daß ich in der Deutschnationalen Partei nicht länger bleiben könnte und meinen Austritt erklärte. Beide antworteten sehr höflich, betonten auch die Loyalität ihrer Partei, konnten aber schließlich nur von meiner Erklärung Notiz nehmen. Ich war nun parteilos und hatte nicht vor, mich jemals wieder einer Partei anzuschließen. Die Folgen daraus zog ich alsbald im Kommunallandtag.
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Personen: | Bredt, Johannes Victor · Kapp, Wolfgang · André, Fritz · Sonnenschein, August · Gehren, Reinhard von · Hergt, Oskar |
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Orte: | Marburg |
Sachbegriffe: | Kapp-Putsch · DNVP |
Empfohlene Zitierweise: | „Johann Victor Bredt, Erinnerungen des Marburger Rechtsprofessors und Politikers, 1914-1921, Abschnitt 3: Austritt aus der Deutschnationalen Volkspartei“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/62-9> (aufgerufen am 04.05.2024) |