Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Johann Victor Bredt, Erinnerungen des Marburger Rechtsprofessors und Politikers, 1914-1921

Abschnitt 3: Verlagerung der Einheit an die Ostfront, Verwundung

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Am 31. August wird das XI. Korps „nach dem Osten verladen''; seit dem 5. September beginnt von Allenstein aus der Vormarsch. In Rauttershof übermittelt B[redt] eine Einladung zum Abendessen an den nationalliberalen Reichstagsabgeordneten und Rittmeister Ernst Bassermann.1

Jetzt in Rauttershof schickte mich Plüskow zu Bassermann mit dem Auto aus, um ihn zum Abendessen zu holen. Er kam auch sogleich mit und wurde sehr höflich empfangen, vor allem von den Fürstlichkeiten.2 Als wir nun nach Tisch zusammensaßen, meinte Plüskow plötzlich: „Nun, Herr Bassermann, äußern Sie [S. 101] sich einmal über die politische Lage!" Was sollte der arme Bassermann da nun sagen ? Er sagte allerlei, was wohl gar nicht verstanden wurde in diesem Kreise, aber ein Gespräch kam nicht recht auf. Später sagte Plüskow: „Begleiten Sie Ihren Freund Bassermann in sein Quartier." Im Auto sprach Bassermann sehr anerkennend über Plüskow, der ihm ausgezeichnet gefallen habe und ein kluger Mann zu sein scheine! Als ich dann aber wieder beim Generalkommando war, sagte Plüskow: „Ich will Ihnen etwas sagen: Mit Ihrem Freunde Bassermann ist gar nichts anzufangen. Er wußte ja nichts zu sagen über die politische Lage. Das sind nun die Herren Abgeordneten, die unsere Politik machen!" So urteilten diese beiden Männer übereinander.

In der Nähe von Perkallen (Ostpreußen) wird B[redt] am 12. September 1914 verwundet. Die Zerschmetterung des Unterkiefers beendet zunächst den aktiven Dienst; als Verwunderter kommt B[redt] nach Königsberg, Marburg und Berlin, wo er am 22. Oktober dennoch einer Sitzung im Abgeordnetenhaus3 beiwohnt, das einen Siegfrieden fordert. Die Sitzung endet „mit einem dreifachen Hoch auf den obersten Kriegsherrn“, in das B[redt] „begeistert" einstimmt.

Am 9. Februar 1915 nimmt das Abgeordnetenhaus4 „den neuen Staatshaushalt ohne weitere Debatte" an. „Auf dem Korridor“ bietet der konservative Abgeordnete v. Kries B[redt] an, in die Zivilverwaltung von Polen einzutreten, zunächst als Vertreter des freikonservativen Parteifreundes Georg Schultz-Bromberg, der als Kreischef von Konin und Slupka für eine Zeit vertreten werden sollte.


  1. (1854—1917), MdR 1893—1917; Bassermann war zu Beginn des Krieges ins Feld gerückt und in Namur von B. bereits kurz Plüskow vorgestellt worden; vgl. auch Eschenburg S. 5.
  2. Dem Generalkommando hatten sich u. a. angeschlossen Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar (+ 1925), Fürst Heinrich XXVII. Reuß und Prinz Joachim von Preußen.
  3. Sten. Berichte Pr. Abg.-Hs. 1914/15 Bd. 7 Sp. 8327. — Vgl. auch „Die Kriegstagung des Preuß. Landtages“ Kölnische Volkszeitung Nr. 917 v. 23. 10. 1914 (Morgenausgabe).
  4. Die Sitzung schloß mit einer von allen Fraktionen gebilligten Erklärung Heydebrands: „´Jetzt handelt es sich um Kampf und Sieg; was später kommt, ist eine andere Frage.“ Sten. Berichte Pr. Abg.-Hs. 1914/15 Bd. 7 Sp. 8359—61.

Personen: Bredt, Johannes Victor · Bassermann, Ernst · Kries, Wolfgang von · Schultz-Bromberg, Georg · Sachsen-Weimar, Ernst Wilhelm Großherzog von · Reuß, Heinrich XXVII. Fürst von · Preußen, Joachim von · Heydebrand und der Lasa, Ernst von
Orte: Allenstein · Rauttershof (Ostpreußen) · Königsberg · Perkallen (Ostpreußen) · Marburg · Berlin · Polen · Konin · Slupka · Namur
Sachbegriffe: XI. Armeekorps · Preußisches Abgeordnetenhaus · Kölnische Volkszeitung
Empfohlene Zitierweise: „Johann Victor Bredt, Erinnerungen des Marburger Rechtsprofessors und Politikers, 1914-1921, Abschnitt 3: Verlagerung der Einheit an die Ostfront, Verwundung“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/62-3> (aufgerufen am 28.04.2024)