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Verleihung des Goethepreises der Stadt Frankfurt an den Bildhauer Georg Kolbe, 28. August 1936

Der in Waldheim in Sachsen geborene Bildhauer Georg Kolbe (1877–1947) erhält den diesjährigen Goethepreis der Stadt Frankfurt am Main. Die Nominierung Kolbes war am 3. August bekanntgegeben worden, nachdem zuvor die Reichskammer für bildende Kunst dem Bildhauer ein positives politisches Führungszeugnis ausgestellt hatte.1 Der Geehrte gibt sich ob des Umstands, kein Literat und dennoch Goethepreisträger geworden zu sein, in seiner Dankesrede überrascht:

Mit Bestürzung und zugleich mit freudiger Wärme erfüllte mich die Botschaft von der Zuerkennung des Goethepreises der Stadt Frankfurt. Einem Bildhauer? Wahrhaftig? Ein Preis, der wohl nur Dichtern zugedacht sein kann. Wundersam erschien mir das! Sie haben aber wohl zu recht erkannt, daß an allem Suchen nach dem Klaren – dem Vorbildlichen auch der Bildhauer als Baumeister des Menschenkörpers seinen Teil hat. Dieses Erkennen ist es vornehmlich, was mich beglückt. Ich weiß, dass Sie von mir keine oratorischen Leistungen erwarten, keine kunstgerechte Abhandlung über mein Verhältnis zu Goethe oder gar über Goethe selbst um sozusagen meine Zugehörigkeit zu beweisen. Ich kann hier nichts Tieferes bekunden, als daß ich Goethes Geist schon in früher Jugend aufnahm, daß er mich befruchtete und stetig in mir lebt. Es geschah mir, wie Ihnen allen geschah! Goethes Reich, das seines Wesens, seines Genies, ist in der Ausstrahlung so groß und weit, es umfasst uns alle, die wir lebendigen Geistes sind, alle die unablässig nach der Deutung des Menschentums und seiner Steigerung streben.“1

Kolbes Kunstwerke, zum Zeitpunkt der Preisverleihung von Kulturverantwortlichen des NS-Regimes „hochgeschätzt“, sind allerdings nicht durchgängig als auszeichnungswürdig betrachtet worden: von einer besonderen Wertschätzung des künstlerischen Schaffens Georg Kolbes durch das NS-Regime war in den ersten Jahren nach der „Machtergreifung“ nicht viel zu spüren. Zahlreiche Skulpturen des Bildhauers verschwanden aus dem öffentlichen Raum, weil man sie thematisch oder stilistisch für „untragbar“ oder „entartet“ hielt. Unter den von den Nationalsozialisten beseitigten Werken Kolbes ist 1933 auch das erste in Deutschland (unter starkem öffentlichen Protest völkischer und antisemitischer Kreise) tatsächlich aufgestellte und eingeweihte Heinrich-Heine Denkmal. Entstanden aufgrund einer Initiative des Frankfurter Theaterintendanten Emil Claar und gestiftet von Verehrern des Dichters, wurde das Denkmal am 13. Dezember 1913 nach mehrjährigen Auseinandersetzungen zwischen Liberalen und Antisemiten in der Friedberger Anlage aufgestellt.2

Kolbe engagiert sich als letzter Präsident des Deutschen Künstlerbundes bis zum Verbot des renommierten Verbandes im Jahre 1936 für zahlreiche als „entartet“ diffamierte Künstlerkollegen, nimmt aber auch von 1937 bis 1944 regelmäßig an der Großen Deutschen Kunstausstellung im Haus der Kunst in München teil, die vom Regime als wichtigste Kulturveranstaltung im nationalsozialistischen Deutschland propagiert wird. Adolf Hitler nimmt Kolbe 1944 in die Sonderliste „Unersetzliche Künstler“ der „Gottbegnadeten-Liste“ mit den zwölf wichtigsten bildenden Künstlern auf.
(KU)


  1. Es sei „in politischer Hinsicht nichts nachteiliges“ über Kolbe bekannt. Vgl. Leitgeb, Der ausgezeichnete Autor: städtische Literaturpreise und Kulturpolitik in Deutschland 1926–1971, Berlin u. a. 1994, S. 137 f.
  2. Zitiert nach Freundeskreis Arthur Pfeifer e.V.: Ansprache Arthur Pfeifers anlässlich einer Feierstunde zu Ehren Georg Kolbes am 25. Januar 1948 im Rathaussaal Waldheim (Stand: 30.08.2012).
  3. Zuvor waren Versuche, dem 1856 verstorbenen Dichter ein öffentliches Andenken zu setzen, in Düsseldorf und Hamburg am hartnäckigen Widerstand nationalistischer Kräfte gescheitert. Vgl. Ziegler, Edda: Dichterliebe und Denkmalstreit, in: Aus Politik und Zeitgeschichte: APuZ, hrsg. von der Bundeszentrale für Politische Bildung, Bonn (2006), H. 3, S. 18-25; Wikipedia: Heinrich-Heine-Denkmal (Bronx) (Stand: 30.8.2012).
Belege
Weiterführende Informationen
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.7.1979, S. 35: Statuen mit Schicksalen: Das Werk Georg Kolbes in Frankfurter Parkanlagen / Von Christa von Helmolt
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.2.1993, S. 27: Von deutscher Innerlichkeit zum Tribut an die Macht: Sündenfälle der Kunst: Das Beispiel des Bildhauers Georg Kolbe / Von Wolfgang Rothe
Hebis-Schlagwort
Bildhauer; Kolbe, Georg
Empfohlene Zitierweise
„Verleihung des Goethepreises der Stadt Frankfurt an den Bildhauer Georg Kolbe, 28. August 1936“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/4788> (Stand: 17.12.2020)
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