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Goethepreis der Stadt Frankfurt an Gerhart Hauptmann, 28. August 1932

Der Goethepreis der Stadt Frankfurt am Main wird an den Schriftsteller und Dramatiker Gerhart Hauptmann (1862–1946) verliehen. Die Verleihung findet im Anschluss an eine Kranzniederlegung im Geburtszimmer des Goethehauses in der Paulskirche statt.

Gerhart Johann Robert Hauptmann, geboren in Ober Salzbrunn in Schlesien, erhielt 1912 den Nobelpreis für Literatur. Er gilt als bedeutendster deutscher Vertreter des Naturalismus und wird besonders im Ausland als „der“ repräsentative Dichter deutscher Literatur geachtet. Hauptmann wird 1932 außer dem Goethepreis auch die Ehrendoktorwürde der Columbia University in New York und die Goldene Preußische Staatsmedaille verliehen.
In diesem Jahr wirft die Deutschland 1931/32 in vollem Umfang erfassende Weltwirtschaftskrise ihren Schatten auch auf den Goethepreis: aufgrund der schwierigen materiellen Lage vieler Menschen wird das mit der Auszeichnung verbundene hohe Preisgeld in der Öffentlichkeit heftig angegriffen. So fordern zum Beispiel die Nationalsozialisten, aber auch andere Parteien in populistischer Weise die Verteilung des Geldes an Bedürftige. Hauptmann erklärt sich jedoch bereit, einen Großteil des Preisgelds zur Unterstützung notleidender Frankfurter Künstler zu spenden. Der sich stets als überparteilich verstehende Künstler, dessen Werk von der nationalsozialistischen Ideologie weitestgehend unberührt bleibt1, wird 1944 als einer von sechs Schriftstellern (neben Hans Carossa, Hanns Johst, Erwin Guido Kolbenheyer, Agnes Miegel und Ina Seidel) in die Sonderliste „Unersetzliche Künstler“ der von Hitler, Goebbels und dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda zusammengestellten „Gottbegnadeten-Liste“ aufgenommen.

Die Verleihung des Preises in der Paulskirche bildet den Abschluss der reichseinheitlich organisierten Feierlichkeiten zum Jubiläum des 100. Todestag Goethes (22. März 1832), die am 22. März mit einer Feierstunde in Weimar, dem Sterbeort des Dichters, begannen und in den folgenden Monaten mit Gedenkveranstaltungen in ganz Deutschland fortgesetzt wurden. Eine Gedächtniswoche vom 21. bis 28. August (Goethes Geburtstag) rundet schließlich das erste (an Verbreitung und Vielzahl der Gedenkveranstaltungen gemessen) eigentliche „Goethejahr“ ab und rückt mit dem Fokus auf Frankfurt die selbsterklärte „Goethestadt“ ins Rampenlicht.2
(KU)


  1. Das für Kulturpolitik und „weltanschauliche“ „Überwachung“ zuständige „Amt Rosenberg“ urteilt 1942: „Bei aller Anerkennung der künstlerischen Gestaltungskraft Hauptmanns ist die weltanschauliche Haltung der meisten seiner Werke vom nationalsozialistischen Standpunkt aus kritisch zu betrachten.“ Vgl. Ernst Klee, Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945 (Fischer; 16048), 2. Aufl., Frankfurt am Main 2007, S. 232.
  2. Die Stadt Frankfurt lässt es sich im Übrigen nicht nehmen, auch parallel zu den reichsweiten Feiern ein eigenes, äußerst umfangreiches Programm zu präsentieren. Den Anfang macht am 22. März eine Gedächtnisfeier zur Sterbestunde Goethes, auf der Albert Schweitzer, der Goethepreisträger des Jahres 1928, im Opernhaus die Gedenkrede hielt. Am 14. Mai 1932 wird in Anwesenheit des Schriftstellers Thomas Mann (1875–1955) das erweiterte Goethemuseum des Freien Deutschen Hochstifts für Wissenschaften, Künste und allgemeine Bildung eröffnet. Im Juni feierte die Frankfurter Universität, die seit jenem Jahr den Namen „Johann Wolfgang Goethe-Universität“ führt, eine Festwoche zu Ehren des Dichters. Vom 21. bis 24. Juli tagt anlässlich des Festjahres das 11. Deutsche Sängerbundesfest in der Stadt. Großen öffentlichen Anklang finden die am 18. Juni mit einer Inszenierung des „Urgötz“ eröffneten Römerbergfestspiele, die bis zum 31. August fortgesetzt werden. Einen Tag vor der Verleihung des Goethepreises erhellen am 27. August nach einer Aufführung des „Egmont“ ein Feuerwerk und die festliche Beleuchtung der Altstadt den Himmel über der Mainmetropole.
Belege
Empfohlene Zitierweise
„Goethepreis der Stadt Frankfurt an Gerhart Hauptmann, 28. August 1932“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/2229> (Stand: 9.12.2022)
Ereignisse im Juli 1932 | August 1932 | September 1932
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