Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Wilhelm Neuhaus, Landsturm-Infanterie-Bataillon Hersfeld, 1914-1915

Abschnitt 15: Einrichten des Bataillons in Sottegem

[Teil IV, S. 18-2] [S. 18-19] Als wir vor einem Vierteljahre in Belgien einrückten, nahm der Stab unseres Bataillones seinen Sitz in Sottegem und ist bis zum heutigen Tage mit der 3. Kompagnie dort geblieben. Die zweite Kompagnie liegt westlich (an der Bahnstrecke Sottegem-Audenarde), die vierte Kompagnie nördlich (an der Bahnstrecke Sottegem-Gent) von Sottegem. Beide erfuhren nur unwesentliche Verschiebungen in ihrer Aufstellung. Die erste Kompagnie dagegen ist die Wanderkompagnie des Bataillons gewesen. Zuerst stand sie am weitesten westlich (in Audenarde) dann am weitesten nördlich (in Gent-Ledeberg) und jetzt steht sie südlich von der Bataillons-Zentrale an der Bahnstrecke Sottegem-Grammont. Sind solche Verschiebungen auch unvermeidlicherweise mit erhöhten Anstrengungen und Entbehrungen verbunden, so haben wir doch die anderen Kompagnien nicht um ihre behagliche Ruhe beneidet, sondern uns des wechselnden Bildes gefreut, das uns die Provinz Ostflandern in West, Nord und Süd, in Kleinstadt, Großstadt und Dorf schauen liest.

Unsere Kompagnieleitung, Metzgerei, Bäckerei, Handwerker- und Revierstube befinden sich in Sottegem, einem bedeutenden Eisenbahnknotenpunkt mit etwa 4000 Einwohnern.*) Hier kreuzen sich die Bahnlinien Gent-Charleroi, Brüssel-Courtrai und Alost-Renaix. In der Stadt sind mehrere bedeutende Trikotagenfabriken, in der Umgebung viele Handschuhnäherinnen (das fertig geschnittene Leder kommt meistens aus Deutschland) und Spitzenklöppelerinnen als Heimarbeiter. Die große Zahl von Ladengeschäften deutet darauf hin, daß die Landbevölkerung in weitem Umkreise hier ihre Einkäufe macht. Geschichtlich ist m. W. Sottegem nie hervorgetreten. Doch auf dem Marktplatz steht das Standbild des Grafen Egmont, des ehemaligen Gouverneurs von Flandern, der 1568 in Brüssel unter dem Henkerbeil des Herzogs Alba sein Leben lassen mußte. Er hatte einen Schloßsitz in Sottegem [S. 19] das heutige ,,Oud Kasteel", seine Asche ist später von Brüssel nach Sottegem überführt und in der Kirche neben den irdischen Ueberresten seiner Gemahlin und seiner Kinder beigesetzt worden.

Durch drei große Feldwachen, die ihre Unteroffiziersposten an die Bahnstrecke entsenden, halten wir die Linie Sottegem-Grammont und ein Stück über letztere Stadt hinaus besetzt. Die erste Feldwache hat ihre Ortsunterkunft in einem Nonnenkloster bei dem Dorfe Erwetegem1 und stellt 5 Unteroffizierposten, die zweite Feldwache hat ihren Sitz in dem Dorfe Hemelverdegem2 aufgeschlagen, sie besetzt 4 Unteroffizierposten. Beide sichern die Strecke von Sottegem bis Grammont. Letztere Stadt selbst ist von einer Spandauer Landsturmkompagnie besetzt. Ueber Grammont hinaus nach Enghien3 zu hat die dritte Feldwache ihren Bereich. Von ihr will ich hier ausführlicher berichten, aber ähnlich ist das Leben und Treiben auch auf den anderen.

*) Da wir ständig mit dem Ort zu tun haben, ein paar Worte über ihn.


  1. 2 km südlich Zottegem.
  2. Ca. 11 km südlich Zottegem.
  3. Ungefähr 31 km südlich von Zottegem gelegen.

Personen: Ferdinand III., Alba, Herzog · Neuhaus, Wilhelm · Lamoral, Graf von Egmont
Orte: Alost · Brüssel · Courtrai · Deutschland · Enghien · Erwetegem · Gent · Grammont · Hemelverdegem · Hersfeld · Ledeberg · Oudenaarde · Renaix · Spandau · Zottegem
Sachbegriffe: Denkmale · Eisenbahnstrecken · Frauenklöster · Handarbeiten · Handschuhherstellung · Heimarbeit · Spandauer Landsturmkompagnie · Trikotage
Empfohlene Zitierweise: „Wilhelm Neuhaus, Landsturm-Infanterie-Bataillon Hersfeld, 1914-1915, Abschnitt 2: Einrichten des Bataillons in Sottegem“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/21-15> (aufgerufen am 30.04.2024)