Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Wilhelm Neuhaus, Landsturm-Infanterie-Bataillon Hersfeld, 1914-1915

Abschnitt 12: Abmarsch von Audenarde nach Gent, 24.-25.11.2014

[Teil III, 14-17] [14-15] [S. 14] Am 24. November, morgens 8 Uhr, verließen wir Audenarde, das uns vier Wochen in seinen Mauern gesehen hatte, und gelangten nach einem etwa 22 Kilometer langen Marsche am Nachmittag in Zwijnaerde1, einem Orte wenige Kilometer südlich von Gent, an. Hier bezogen wir Quartiere, zumeist in Privathäusern und erreichten am andern Morgen den Bahnhof Meizelbeke2, einem durch seine großen Gärtnereien bekannten Vorort Gents. Der Weg führte uns an einer von den Engländern gesprengten Scheldebrücke und englischen Schützengräben vorbei, über eine von den Unsrigen aus fünf großen Scheldeschiffen hergestellte Brücke. Die Kompagnie löste sich in 6 Feldwachen auf. 4 übernahmen die Bewachung der Bahnstrecke von Meizelbeke über Ledeberg3 bis zum Bahnhof Gent-Süd, die zwei anderen standen über Gent hinaus am sogenannten Geleisdreieck und der Lysbrücke. Die Hauptunterkunft der Kompagnie (Kompagniebüro, Küche, Revierstube usw.) befand sich am Marktplatz in Ledeberg, einem Vorort Gents, der unmittelbar an die Stadt anschließt. Während die näher gelegenen Feldwachen ihre Verpflegung mit Hilfe der Elektrischen abholten, erhielten die weiter entfernten die Nahrungsmittel in rohem Zustande und kochten selbst. Der Dienst war überaus anstrengend. Wir standen während unseres Aufenthalts in Gent ohne Ablösung, zogen also alle vier Stunden auf Posten. Dazu waren die Wachen wegen der vielen verkehrenden Züge besonders gefährlich und verantwortungsvoll. Man kann ruhig sagen, daß wir diesen Anstrengungen nicht wochenlang gewachsen gewesen wären, waren doch die Kameraden in den letzten Tagen bei dem Postenwechsel kaum wach zu kriegen. Die Feldwachen hatten es sich bald in ihren in Bahnhofsgebäuden, Maschinen-, Wagenschuppen usw. untergebrachten Heimen gemütlich gemacht, soweit es ging, gemütlicher jedenfalls, als es bei unsern Vorgängern, sächsischer Landsturm, gewesen war. Da wurde große Reinigung gehalten. Fußboden, Tische und Stühle gescheuert und vor allen Dingen Pritschen gezimmert, damit die Strohsäcke nicht direkt [S. 15] auf dem Fußboden lagen. Aber kaum fühlten wir uns einigermaßen heimisch, als wir wieder fortmußten. Das scheint überhaupt unsere Bestimmung zu sein, Ordnung und Sauberkeit in unseren Quartieren zu schaffen, und dann vor anderen Kameraden das Feld zu räumen. Wenigstens erlebten wir bei unserem zweiten Aufenthalt in Sottegem das Gleiche. „Macht das Quartier nicht allzuschön, sonst müßt Ihr bald auf Reisen gehn", lautet ein Verschen alter Landsturmweisheit.


  1. Zwijnaarde, Vorort von Gent.
  2. Merelbeke, Vorort von Gent
  3. Ungefähr 3 km südlich von Gent.

Personen: Neuhaus, Wilhelm
Orte: Gent · Hersfeld · Ledeberg · Meizelbeke · Oudenaarde · Zottegem · Zwijnaerde
Sachbegriffe: Eisenbahnstrecke · Ordnung · Privathaushalte · Sächsischer Landsturm · Schützengraben · Wachdienst
Empfohlene Zitierweise: „Wilhelm Neuhaus, Landsturm-Infanterie-Bataillon Hersfeld, 1914-1915, Abschnitt 12: Abmarsch von Audenarde nach Gent, 24.-25.11.2014“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/21-12> (aufgerufen am 05.05.2024)