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Hessische Biografie

Portrait

Rudolf Keller
(1878–1960)

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Keller, Rudolf [ID = 12933]

* 9.9.1878 Lövenich Kr. Erkelenz, † 28.1.1960 Frankfurt am Main, evangelisch
Dr. phil. – Gymnasiallehrer, Schulleiter, Oberschulrat, Schuldezernent, NS-Schul- und Kulturdezernent
Andere Namen | Wirken | Familie | Nachweise | Leben | Zitierweise
Wirken

Werdegang:

  • 1891-1897 Gymnasium Gütersloh, Reifezeugnis
  • Studium der Geschichte und Germanistik an den Universitäten Heidelberg, Berlin, Bonn
  • 1902 Promotion an der Universität Bonn, Dissertation verteidigt am 13.3.1902
  • 1903 Staatsprüfung, Lehrbefähigung für Philosophische Propädeutik, Deutsch und Geschichte in der 1. Stufe, Französisch in der 2. Stufe
  • 1.4.1903-30.3.1904 Seminarjahr am Staatlichen Gymnasium Bonn
  • 1.4.-30.9.1904 Probejahr am Staatlichen Gymnasium Bonn, dabei wurde die Hälfte erlassen
  • 1.10.1904 Fähigkeit zur Anstellung an höheren Schulen
  • 1.10.1904-30.9.1905 Einjähriger Freiwilliger Infanterie-Regiment 160
  • 2.8.1914-30.4.1916 Leutnant d. R., Adjutant 1. Bat. Infanterie-Regiment 28
  • 30.4.1916 Mobilmachungsbestimmung aufgehoben und zum Bezirkskommando Essen entlassen
  • ab 1.7.1917 I. Ers. Bat. Infanterie-Regiment 68
  • 26.3.1918 Hauptmann d. R.
  • 20.8.-5.10.1917 beim Stellvertretenden Generalkommando VIII. Armeekorps
  • 20.11.1918 entlassen, ohne je an der Front gekämpft zu haben
  • 1.10.1905-15.10.1912 Oberlehrer am Staatlichen Friedrich-Wilhelms-Gymnasium in Köln
  • 16.10.1912-30.3.1926 Schulleiter am städtischen Realgymnasium, anscheinend zuerst als Oberlehrer, ab 1.4.1918 als Direktor und schließlich ab 1.4.1925 als Oberstudiendirektor
  • 1918-1926 Mitglied der DDP
  • 1.4.1926 Oberschulrat im Provinzialschulkollegium in Berlin
  • 4.10.1927 von der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung zum hauptamtlichen Stadtrat gewählt
  • 1.1.1928 Schuldezernent in Frankfurt am Main
  • ab 5.1933 Kulturdezernent der Stadt Frankfurt am Main
  • Verlängerung als Stadtrat am12.9.1945 für weitere zwölf Jahre
  • aus Altersgründen keine Wiederwahl bei der Magistratswahl am 25.7.1946
  • 1.8.1946 Ruhestand
  • 1930-3.1933 Mitglied der Deutschen Staatspartei
  • 29.4.1933 Beitritt in die NSDAP, seine Aufnahme wurde abgelehnt
  • 1935-1944 KdF-Mitglied (Blockhelfer)
  • Mitglied im Reichsbund höherer Beamter
  • Deutscher Philologenverband
  • 1932-nach 1945 Mitglied in der Deputation für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung der Stadt Frankfurt
  • Mitglied im Großen Rat und im Kuratorium der Frankfurter Universität seit der Weimarer Zeit, kurz interimistisch Kurator und z. B. 1958 stellvertretender Kurator
  • 1934-1950er Jahre im Vorstand der Frankfurter Museums-Gesellschaft
  • 1934-mindestens 1958 im Verwaltungsausschuss des Freien Deutschen Hochstifts
  • 1939 bis Liquidation im Vorstand der Georg und Franziska Speyer´schen Studienstiftung, 1943 liqudiert, 1948 wiederbelebt
  • seit 1948 Vorsitzender der Städeladministration
  • 1949 Kommissarischer Leiter der Staatlichen Hochschule für Musik
  • 7.7.1949-28.1.1959 im Rundfunkrat des Hessischen Rundfunks, 3.3.-10.5.1951 stellvertretender Vorsitzender, 11.5.1951-28.1.1959 Vorsitzender
  • Verdienstkreuz für Kriegshilfe (Kaiserzeit)
  • 1932 Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt am Main
  • Ehrenkreuz für Kriegsteilnehmer (NS-Zeit)
  • Treudienst-Ehrenzeichen 1. Stufe
  • 1954 Goethe-Plakette des Landes Hessen
  • 1958 Großes Bundesverdienstkreuz
  • 1959 Ehrenbürger und Ehrensenator der Universität Frankfurt am Main
  • 1959 Ehrenmitglied der Frankfurter Museums-Gesellschaft

Werke:

  • Die Friedensverhandlungen zwischen Frankreich und dem Kaiser auf dem Regensburger Kurfürstentag 1630 (Diss. phil. 1902)
  • Der Ausbau der Volksschule [1931]
  • Deutschland und Frankreich [1931]
Familie

Vater:

Keller, Ernst, * Hamm, Westf., 25.12.1821, † 14.12.1899, seit 1850 (1854) Pfarrer in Lövenich

Mutter:

Roelen, Sibilla Agneta, * 8.11.1834, † 9.4.1903, Heirat 1.11.1855

Partner:

  • Jörgens, Elisabeth, * 14.9.1878, Heirat 7.8.1906
Nachweise

Quellen:

  • Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt am Main, PA 59.142, PA 73.674

Literatur:

Bildquelle:

Tüffers, Der Braune Magistrat, S. 173

Leben

Rudolf Keller wurde 1878 geboren. Nach einer humanistischen Schulbildung und einem geisteswissenschaftlich-philologischen Studium wurde er mit einer historischen Arbeit promoviert und erhielt mit bestandener Staatsprüfung die Lehrbefähigung. Unterbrochen von Militär- und Kriegsdienst wirkte er als Gymnasiallehrer und später Schulleiter in Köln und Essen. 1926 wurde er Oberschulrat im Provinzialschulkollegium in Berlin und 1927 von der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung zum hauptamtlichen Stadtrat für die Schulen gewählt. Parteipolitisch war er von 1918 bis 1926 in der DDP und von 1930 bis März 1933 in der Deutschen Staatspartei aktiv. Er trat am 29. April 1933 der NSDAP bei, jedoch wurde seine Aufnahme abgelehnt. Er erklärte sich rückhaltlos bereit, auf dem Boden der nationalsozialistischen Staats- und Weltauffassung mitzuwirken. Keller wechselte von der Republik in den totalitären NS-Staat mit kurzfristigen Schwierigkeiten und zwölf Jahre später problemlos in die Nachkriegsgesellschaft. Nachdem im März 1933 der Kulturdezernent von den Nationalsozialisten aus dem Amt vertrieben worden war, bekam er von diesen noch dieses Dezernat hinzu: Während des „Dritten Reiches“ füllte er in den meinungsbildenden Arbeitsgebieten Bildung und Kunst als hauptamtlicher Stadtrat in Frankfurt am Main eine systemstabilisierende Funktion aus. Er war ein eifriger politischer Beamter, der sich für die Anliegen des Frankfurter Oberbürgermeisters und „Alten Kämpfers“ Friedrich Krebs (1894–1961) in den NSDAP-internen Auseinandersetzungen mit dem Gauleiter Jakob Sprenger (1884–1945) engagierte. Keller war vielfältig und vielschichtig in den NS-Unrechtsstaat involviert resp. über Verbrechen informiert. Dies betraf insbesondere die sozialrassistische Politik der Stadt. Er wirkte mit an Arisierungen von Immobilien, an der Ausplünderung jüdischen Kunstbesitzes in Frankfurt wie auch durch Ankäufe in Europa, zudem an der Verfolgung jüdischer sowie Sinti- und Roma-Kinder, ebenso an der Schließung konfessioneller Schulen. Er trug die lokale Verantwortung für die Umwandlung des Schulwesens und -unterrichts im NS-Sinne, zum Beispiel die Einführung von Boxen und Kleinkaliberschießen; die HJ erhielt Räume und sogar Schulgebäude. Seine Nachkriegsbehauptung, er habe die Einverleibung städtischer Kindergärten durch die NSV verhindert, ist unzutreffend; dies geschah durch den Reichsinnenminister Wilhelm Frick (1877–1946). Unter seiner Leitung gab es rassistische Überprüfungen städtischer Mitarbeiter und ihrer Angehörigen, wurden Bibliotheken von missliebigen Büchern gesäubert und antisemitische Stücke in den Städtischen Bühnen aufgeführt. Er hielt allem Anschein nach Reden mit Hitlerzitaten und NS-Ideologemen, so wie es von ihm erwartet wurde. Ein halbes Jahr, bevor im Oktober 1941 die Deportation von über 10.000 Frankfurter Juden in den Osten begann, erfuhr er in einer Beratung von Stadträten vom Plan des Oberbürgermeisters, dadurch das Wohnungsproblem zu beheben. Er profitierte persönlich durch das Einkommen, das Ansehen, die Macht als Stadtrat wie auch durch einen PKW und sogar eine Zwangsarbeiterin im eigenen Haushalt. Weil er kein NSDAP-Mitglied gewesen war, wurde er am 12. September 1945 für weitere zwölf Jahre Stadtrat. Aufgrund der neuen hessischen Gemeindeordnung und der Altersgrenze bei der Magistratswahl am 25. Juli 1946 schied er aus. Nach dem Krieg hatte er hohe Ehrenämter wie den Vorsitz im Rundfunkrat des Hessischen Rundfunks inne; er war Vorsitzender der Städeladministration und saß im Verwaltungsausschuss des Freien Deutschen Hochstifts, in der Deputation für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, im Vorstand der Frankfurter Museums-Gesellschaft und war Mitglied des Großen Rates und des Kuratorium der Goethe-Universität. Keller wurde für seine „Lebensleistungen“ mit höchsten Ehren gewürdigt, so mit der Goethe-Plakette des Landes Hessen 1954, dem Großen Bundesverdienstkreuz 1958 und vor allem für seine angebliche NS-Opposition mit der Ehrenbürger- sowie Ehrensenatorenwürde der Goethe-Universität 1959. Er verstarb 1960.

Gunter Stemmler

Zitierweise
„Keller, Rudolf“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/116174811> (Stand: 19.2.2024)