Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Leo u.a., Mobilmachung und Aufbruch der Reitenden Abteilung des 1. Kurhessischen Feldartillerie-Regiments Nr. 11 zur Westfront, 1914

Abschnitt 5: Gefecht im Département Meuse, 10.-12. August 1914

[20-22] Für den folgenden Tag war vom H.K.K. befohlen, daß die 3. Kav.Div. in Richtung Longuyon, die 6. Kav.Div. in Richtung Mangiennes vorgehen sollte. Schon 2.30 vormittags am 10. 8. wurde aufgebrochen. Der Vormarsch der 3. Kav.Div. ging über Mercy le Bas, Boismont und [S. 21] bei glühender Hitze weiter über Pierrepont, Beuveille, wo die erste feindliche Kav.-Patrouille gesichtet wurde, Fermont, Fresnois auf Longuyon, wo wir in der Talsohle am Ausgang des Städtchens Ortsbiwak bezogen. Unsere Kavallerie hatte den ersten Gefangenen gemacht, einen französischen Dragoner in roter Hose mit blankem Stahlhelm und Roßschweif. Der Aufenthalt in Longuyon dauerte jedoch nicht lange. Kaum war ab-gesattelt, als auch schon wieder Alarm geblasen wurde. Der Anmarsch starker feindlicher Kavallerie südlich Spincourt und deren Vorgehen in nordöstlicher Richtung waren gemeldet. Bereits 4.30 nachmittags bezog 2./r. 11 Stellung bei Montigny-Ferme, 1. u. 3./r. 11 westlich Bouillon-Ferme. Dort hörten wir unaufhörlich rollendes Geschützfeuer in Gegend von Rouvrois. Die Rauchwolken der zerspringenden Geschosse tauchten das dortige waldreiche Gelände in ein weites Nebelmeer. Gegen 5 Uhr nachmittags veranlaßte der H.K.K. den sofortigen und eiligen Abmarsch der 3. Kav.Div. in Richtung Rouvrois, wo die 6. Kav.Div. auf starken Feind gestoßen war und in schwerem Kampfe stand. Noch während des Vormarsches dorthin wurde 2./r. 11 auf dringenden Befehl des H.K.K. vorgezogen. In Schweiß gebadet und mit einer dicken Staubschicht bedeckt, folgten die beiden anderen Batterien in schneller Gangart. Der Vormarsch gestaltete sich schwierig, da die Bagagen der 6. Kav.Div. die Straße belegt hatten.

Die 6. Kav.Div. waren gegen eine befestigte, mit schwerer Artillerie versehene Feldstellung bei Mangiennes und Bully gerannt. Ein Durchstoßen war mit den Mitteln einer Kav.-Division nicht möglich. Deshalb hatte sie den Rückzug in östlicher Richtung bereits angetreten, als die herbeieilende 3. Kav.Div. mit 2./r. 11 an der Spitze auf dem Gefechtsfeld erschien. Der 3. Kav.Div. fiel nunmehr die Aufgabe zu, die 6. Kav.Div. aufzunehmen, welche schwere Verluste erlitten hatte. Namentlich war ihre R./8 stark mitgenommen, deren 3. Batterie in offener Feuerstellung von der verdecktstehenden feindlichen schweren Artillerie fast gänzlich zusammengeschossen war und den Verlust sämtlicher Offiziere zu beklagen hatte. Wir erwarteten jeden Augenblick das Vorbrechen feindlicher Kavallerie. Der Feind stieß aber nicht nach, und so blieb es leider den 12 feuerbereiten Geschützen der R./11 versagt, Lorbeeren zu ernten. Die Geschütze waren mit Aufbietung der letzten Kraft von Mann und Pferd bei Kirchhof Arrancy (l./r. 11) östlich Straße Longuyon-Rouvrois (2./r. 11) und an Südostecke des Haut Bois sowie an Straße Ar¬rancy-Pillon (3./r. 11) in Stellung gebracht worden.

Sobald die 6. Kav.Div. in geordnetem Rückmarsch den Chiers-Abschnitt [S. 22] erreicht hatte, folgte ihr auch die 3. Kav.Div. 3./r. 11 hatte den Rückmarsch zu decken. Gegen 8 Uhr abends ging sie ebenfalls zurück, da vom Feinde nichts zu sehen war. Dieser nächtliche Rückmarsch über den Chiersabschnitt auf ermüdeten Pferden mit leerem Magen, auf überfüllten Straßen, ist wohl allen Teilnehmern in unangenehmster Erinnerung. Ringsum war der Horizont von brennenden Dörfern rot erleuchtet, überall Aasgeruch in der Luft; im Straßengraben lagen zahlreiche gefallene Pferde. In der Marschkolonne Rufen und Fluchen der durchein¬ander geratenen Truppenteile. Von Longuyon waren zahlreiche Bagagen direkt nach Bazailles dirigiert worden; diese waren dort von den Einwohnern überfallen und zersprengt. Bei Ville au Montois und östlich Boismont bezog die R./11 gegen 2 Uhr nachts Biwak nach einem Marsche von 60 km.

Die Pferde waren stark ermattet und abgemagert, die Sättel paßten teilweise schon nicht mehr. Zahlreiche Pferde waren gedrückt. Von 2.30 morgens bis 2 Uhr nachts hatten die Pferde nichts zu fressen bekommen; auch die Mannschaften hatten nur etwas trockenes Brot im Sattel verzehrt. Franktireurs belästigten die Truppe; die 2./Drag. 5 wird in Pierrepont überrumpelt und aus Häusern und Gärten beschaffen. Scharfe Gegenmaßregeln wurden ergriffen und die Dörfer, deren Einwohner sich am Kampf beteiligt hatten, zur Strafe angezündet. In Beuveille wurde eine Lichtsignalstation der Franktireurs aufgehoben.

Am 11.8. wurden verschiedene Lauerstellungen bei Bazailles und Boismont eingenommen. Die Pferde können sich dabei in Ruhe in den Haferfeldern wieder sattfressen. Abends 6 Uhr ging die Division (ohne 22. Kav.Brig. und 2./r. 11) zwischen Mercy-le Bas und Joppécourt in eine nächtliche Feuerstellung, die gegen Mitternacht von Zivilisten belästigt wurde. Die Pferde kommen in Mercy-le Bas unter.

Der 12. 8. war endlich ein Ruhetag, den Mann und Roß gut gebrauchen konnten. Der Fall der Festung Lüttich wurde bekannt und löste große Freude aus.


Personen: Leo, Georg
Orte: Arrancy · Bazailles · Beuveille · Boismont · Bully · Fresnois · Joppécourt · Longuyon · Lüttich · Mangiennes · Mercy le Bas · Montigny-Ferme · Pierrepont · Pillon · Rouvrois · Spincourt · Ville au Montois
Sachbegriffe: Warnsignal · Gefangener · Gefallene · Gefechte · Gerüche · Kadaver · Rückzug
Empfohlene Zitierweise: „Leo u.a., Mobilmachung und Aufbruch der Reitenden Abteilung des 1. Kurhessischen Feldartillerie-Regiments Nr. 11 zur Westfront, 1914, Abschnitt 5: Gefecht im Département Meuse, 10.-12. August 1914“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/46-5> (aufgerufen am 20.04.2024)