Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Leo u.a., Mobilmachung und Aufbruch der Reitenden Abteilung des 1. Kurhessischen Feldartillerie-Regiments Nr. 11 zur Westfront, 1914

Abschnitt 1: Mobilmachung, Anfang Juli 1914-2. August 1914

[11-13]

I. In Frankreich und Belgien (1914-1918).

1. Mobilmachung und Abtransport.

Wie alljährlich üblich, wurde auch Anfang Juli 1914 der sogenannte „Pferdemarkt“ in Fritzlar festlich begangen. Reiterliche Vorführungen jeder Art, Vorreiten von Remonten1, eine Geschützquadrille von je einem Geschütz jeder Batterie und schließlich eine Schleppjagd im roten Rock hinter der Meute fanden in Gegenwart des Kommandierenden Generals von Plüskow auf dem Exerzierplatz statt. In der zweiten Hälfte des heißen Monats wurde lediglich zu Übungszwecken eine Probemobilmachung der gesamten Reitenden Abteilung durchgeführt. Die Vorbereitungen zum Abrücken nach dem Schießplatz Senne2 und zu dem anschließend vorgesehenen Kavallerie-Exerzieren wurden gegen Monatsende getroffen. Die Schießplatzmunition war bereits verladen, ein Vorkommando unter Vizewachtmeister Gitzke entsandt; wir alle hofften auf die nun dicht bevorstehende interessante Abwechslung, die uns Schießübungen, Kaisermanöver und Kaiserparade bringen sollte, als am 29. Juli das Telegramm eintraf:

[S. 12] „Befehl vom Generalkommando: Regiment bleibt im Standort. Furierkommandos kommen zurück."
Man sprach wohl von einem etwaigen Kriege, aber niemand dachte ernstlich daran. Die Wellen, die die Ermordung des Thronfolgers Franz Ferdinand und das österreichische Ultimatum an Serbien bald in der ganzen Welt schlugen, waren nur schwach bis in das stille Fritzlar gedrungen. Mit dem Eingreifen Rußlands überstürzten sich die Ereignisse.
Am 31. 7. abends wurde die drohende Kriegsgefahr bekanntgegeben. Nun wurde es ernst. Frankreich trat auf Rußlands Seite. In die hochgehenden Wogen der Begeisterung, welche nunmehr in der Brust eines jeden Reiters lebendig wurden, mischten sich der selbstbewußte Stolz und die felsenfeste Zuversicht auf die eigene Kraft und die Tüchtigkeit der deutschen Wehrmacht.
Am 1.8., nachmittags 5.30, traf in Fritzlar das Telegramm ein: „Die Mobilmachung ist befohlen. 1. Mobilmachungstag ist der 2. August."
Der Abteilungs-Stab ließ die amtliche Mobilmachung auf der Post abholen, gab sofort die nötigen Anordnungen heraus, und die Mobilmachung der R./11 begann. Sie spielte sich reibungslos ab. Eine emsige Tätigkeit entfaltete sich in allen Stuben, auf den Kammern, in den [S. 13] Ställen und Geschützschuppen. Die Protzen der Geschütze und die Munitionswagen fuhren zum Exerzierplatz, wo am Pulvermagazin die Schießplatzmunition abgegeben und die Kriegsmunition eingeladen wurde. Bereits am 1. 8. abends waren mehrere Patrouillen in Feldgrau in die umliegenden Dörfer abgeritten, um noch in der Nacht die Ankaufspferde zu bestellen. Am 2. 8., 9 Uhr vormittags, standen 320 Ankaufspferde in der Allee vor der Kaserne, wo sie durch eine Kommission abgeschätzt und von der Abteilung übernommen wurden. Die leichte Munitionskolonne wurde neu aufgestellt, die Reservisten trafen ein und wurden eingeteilt. Zahlreiche Kriegsfreiwillige strömten heran, viele davon alte Reiter. Sie ließen sich nur schwer abweisen.


  1. Pferd, das sich bei der Kavallerie in Ausbildung befindet.
  2. Truppenübungsplatz zwischen Paderborn und Detmold.

Personen: Franz Ferdinand, Österreich, Erzherzog · Gitzke, Vizewachtmeister · Plüskow, Heinrich Hermann Otto Maximilian von · Leo, Georg
Orte: Frankreich · Fritzlar · Serbien · Rußland · Senne · Paderborn · Detmold
Sachbegriffe: Mobilmachung · Patriotismus · Reservisten · Enthusiasmus · Kriegsbegeisterung · Manöver · Probemobilmachungen · Kavallerie · Munition · Kaisermanöver · Kaiserparade · Drohende Kriegsgefahr · Augusterlebnis · Protzen · Munitionswagen · Pferde · Kriegsfreiwillige
Empfohlene Zitierweise: „Leo u.a., Mobilmachung und Aufbruch der Reitenden Abteilung des 1. Kurhessischen Feldartillerie-Regiments Nr. 11 zur Westfront, 1914, Abschnitt 1: Mobilmachung, Anfang Juli 1914-2. August 1914“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/46-1> (aufgerufen am 20.04.2024)