Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Leo u.a., Mobilmachung und Aufbruch der Reitenden Abteilung des 1. Kurhessischen Feldartillerie-Regiments Nr. 11 zur Westfront, 1914

Abschnitt 4: Vormarsch und erste Gefechte, 8.-9. August 1914

[18-20] Schlecht ausgeschlafen, fröstelnd vor Kälte, traten wir im Morgengrauen des 8. 8. wieder an. Die bald hochsteigende warme Sonne trocknete unsere am Vorabend völlig durchnäßten Uniformen jedoch schnell. 6.45 wurde der Vormarsch fortgesetzt. Wieder ging es durch üppigwogende [S. 19] Getreidefelder in Richtung Baslieux. Auf Grund falscher Meldungen gingen 2./r. 11 und 3./r. 11 in Lauerstellung bei Baslieux. l./r. 11 marschiert vor unseren Augen auf Höhe 398, 1 km westlich Laix, das in Flammen steht, auf und eröffnet 10.20 das Feuer auf feindliche Schützen, die in ihren roten Hosen deutlich erkennbar sind. Die ersten Kanonenschüsse krachen. Wenige 100 m hinter der 1.r. Bttr. hielt die gesamte 3. Kav.Div. aufmarschiert in Getreidefeldern, als einige schwere Granaten vor und hinter der offenstehenden 1. r. Bttr. einschlagen, anscheinend aus der Festung Longwy kommend. Hptm. Heck läßt darauf Stellungswechsel vornehmen und bringt seine Batterie in Deckung. Sergt. Breitung der 1./r. 11 wird verwundet. Ungenaue Angaben über den Feind laufen ein. Lt. v. Wangenheim, Drag. 5, erhält Befehl, gegen den halblinks liegenden Wald aufzuklären. Er reitet mit 15 Dragonern den Hang hinauf. Maschinengewehrfeuer schlägt ihm entgegen. Er fällt vor unseren Augen als erster Offizier der Division. Drei ledige Pferde verschwinden am Horizont. Der Rest der Patrouille, vier zurückkommende Dragoner, erstatten Meldung, worauf 4./Drag. 5 als Aufklärungsschwadron den Wald säubert.

Hptm. v. Suchten erhält Befehl, mit der Vorhut (22. Kav.Brig.) vorzugehen und galoppiert mit seiner 3. r. Bttr. an der Division vorbei, um auf der freien Höhe 2 km östlich Arrancy aufzufahren. Vor uns dehnt sich ein weites Tal mit Getreidefeldern. Die Batterie geht wie aus dem Exerzierplatz im Galopp in offene Feuerstellung. Hptm. v. Suchten eröffnet das Feuer gegen französische Infanterie, die gegen uns ausschwärmt. Kaum platzen die ersten Schrapnells, als das ganze Feld lebendig wird. Die Franzosen gehen unter starken Verlusten fluchtartig zurück in Deckung. 3./r. 11 geht darauf im Verband der 22. Kav.Brig. weiter vor, erklettert den steilen Hang der Höhe 800 nordwestlich Bois [S. 20] de la Lerupte und geht südlich Arrancy auf freier Höhe erneut in offene Feuerstellung. Die Batterie beschießt abermals französische Infanterie in Schützenlinien und Schützengräben westlich Remenoncourt mit so sichtbarem Erfolg, daß die in der Nähe stehenden Offiziere des Div.-Stabes dem Batteriechef begeistert zu seinen Treffresultaten beglückwünschen. Auch die beiden anderen Batterien gingen südlich Bois de Doncourt in Stellung, kamen aber nicht mehr zum Schuß. Wir hatten das Glück, keine feindliche Artillerie vor uns zu haben, andernfalls wäre den Batterien und Eskadrons das offene Auftreten auf freien Höhen schnell abgewöhnt worden.

Bei eintretender Dunkelheit rückte die R./11 mit Drag. 5 im Mondenschein gegen 11 Uhr nachts in Joppécourt ein, wo Ortsbiwak bezogen wurde. Marschleistung 40 km. Sonntag, der 9. 8., sollte ein Ruhetag werden. Bei glühender Sonnenhitze ruhten wir im Biwak und im Dorfe und waren im Begriff, uns an gebratenen Hühnern und reichlich vorhandenem Rotwein zu erfreuen, als gegen 12 Uhr mittags Alarm geblasen wurde. Schimpfend ließen wir Braten und Mittagsruhe fahren, eilten zu unseren Pferden und verließen 15 Minuten später den Ort. Die Batterien gingen in Stellung zwischen Joppécourt und Mercy le Bas, 1. und 2./r. 11 auf Höhe 303, 3./r. 11 auf Höhe 339. Mehrere Stunden saßen wir bei glühender Hitze an den eingegrabenen Geschützen, als um 3.30 nachmittags der Befehl zum Einrücken in die alten Quartiere eintraf. Bei unserem eiligen Abmarsch waren unsere Bagagen in Joppécourt von Zivilisten beschossen worden. Als Schuldiger wurde der Maire ermittelt und standrechtlich erschossen.


Personen: Breitung, Sergeant · Heck, Hauptmann · Suchten, Hauptmann von · Wangenheim, Freiherr von, Leutnant · Leo, Georg
Orte: Arrancy · Baslieux · Bois de Doncourt · Bois de la Lerupte · Joppécourt · Laix · Longwy · Mercy le Bas · Remenoncourt
Sachbegriffe: Warnsignal · Requisition · Hinrichtung · Gefallene · Gefechte · Granaten · Stellung · Verwundete
Empfohlene Zitierweise: „Leo u.a., Mobilmachung und Aufbruch der Reitenden Abteilung des 1. Kurhessischen Feldartillerie-Regiments Nr. 11 zur Westfront, 1914, Abschnitt 4: Vormarsch und erste Gefechte, 8.-9. August 1914“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/46-4> (aufgerufen am 25.04.2024)