Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Johannes Ledroit, Mobilisierung des Hessischen Landwehr-Infanterie-Regiments 118, 1914

Abschnitt 6: Abreise, Aufteilung des Regiments

[S. 17-18] III. Auf der Fahrt

Zum Verständnisse des befohlenen Abrückens ist es nötig, auf die allgemeine Kriegslage einzugehen. Diese aber war die folgende: Innerhalb 5 Tage war das deutsche Heer mobil und innerhalb weiterer 10 Tage marschierte es an der West- und Ostgrenze Deutschlands auf. Im Westen verharrten die 7 großen Armeen nach ihrem Aufmarsche noch, bis sich die erste Armee einen Weg durch Belgien durch Eroberung der Festungen Lüttich und Namur gebahnt hatte. Dann erst sollte es auf der ganzen Linie vorangehen. Während der Zeit des Verharrens wurden dann auch die Etappentruppen möglichst nahe herangezogen, wir in das obere Nahetal, was wir aber erst merkten, als wir dort ausgeschifft wurden, wie die militärtechnische Ausdrucksweise lautet. Ohne eine Ahnung von diesem Ziele zu haben, trafen wir denn in Mainz unsre Abreisevorbereitungen, machten die letzten Einkäufe, und besuchten zum letzten Male unsre Bekannten und Angehörigen, soweit wir von Mainz oder Umgebung stammten, oder schrieben die von auswärts einen letzten Brief oder eine letzte Karte.

Um 7 Uhr 45 am 14. August abends fuhren Reg.-Stab und I. Batl. von Mainz ab, um 11 Uhr 45 nachts das II. Batl. und um 2 Uhr am Vormittag des 15. August das III. Batl. von Worms. In Bingen gabs bereits 70 Minuten Aufenthalt und reichliche Verköstigung. Dann fuhren wir weiter in die Nacht hinein, nicht in Schlafwagen, sondern auf gewöhnliche Art. Wir schliefen aber doch bald gut, die Strapazen des Tages hatten uns müde gemacht. Als wir im Morgengrauen erwachten, merkten wir, daß wir im Nahetal waren. Bald reichten uns denn auch liebenswürdige Damen auf den zahlreichen Haltestellen das Frühstück. Es war des Guten zu viel. Hätten wir später von dem, was wir da dankend zurückwiesen, nur einen kleinen Teil gehabt! Es war herzlich gut gemeint, aber ohne Voraussicht für die Zukunft.

Am Bahnhofe Birkenfeld-Neubrücken trafen Reg.-Stab und I. Batl. um 3 Uhr morgens, II. Batl. um 7 Uhr morgens und III. Batl. um 12 Uhr mittags am 15. August ein. Man beachte die Pünktlichkeit dieses Eintreffens!

Das Regiment wird, wie folgt verteilt: Reg.-Stab in Birkenfeld-Neubrücken, Stab des I. Batl. 1., 2. und 4. Komp. nach Hoppstädten, 3. nach Dienstweiler und Burg Birkenfeld, Stab des II. Batl., 5. und 6. Komp. nach Brücken, 7. und 8. Komp. nach Achtelbach, Stab des III. Batl. und 11. Komp. nach Meckenbach, 12. Komp. nach Traunen, 9. Komp. nach Ellweiler und 10. Komp. nach Dambach. Wir geben dieses Verzeichnis der damaligen Quartiere, weil diese Namen sicher bei allen Teilnehmern angenehme Erinnerungen auslösen. Ungemein freundlich wurden wir überall ausgenommen. Was Küche und Keller bieten konnten, wurde herbeigeschafft. „Trinkt und eßt, so viel Ihr könnt, haltet uns nur die Franzosen vom Leibe!" sagte man allenthalben. Es ging uns damals zum letzten [S. 18] Male bezüglich Verpflegung und Quartiere gut: denn wo wir darnach hinkamen, wars überall schlecht bestellt. Wenns uns später manchmal inbezug auf Quartier und Verpflegung recht kratzig ging, hörte man die Mannschaften sagen: „Ach, wären wir nur noch einmal in Brücken, Hoppstädten usw. Faulem Nichtstun darf sich der deutsche Soldat nicht hingeben, und so gabs denn auch in den Orten um Birkenfeld herum gar mancherlei Dienst, nur am 16. August, einem Sonntage, war Ruhetag. Die Kompagnien wohnten da dem Gottesdienste im nahen Birkenfeld oder in den Quartierorten bei. Ohne eine Anzahl Appells gings aber selbst am Sonntage nicht ab. Am 17., 18. und 19. August ist teils Dienst in den Kompagnien, teils im Bataillon. Je ein Reisemarsch in der Kompagnie und dem Bataillon von 20 Kilometer Ausdehnung findet statt. Wir haben dabei sehr unter Regen zu leiden. Auch bereitet die belgische Gegend unsern Fahrern mancherlei Schwierigkeiten. Wir kommen bei diesen Märschen durch wunderbaren Hochwald.


Orte: Birkenfeld · Bingen · Brücken · Dambach · Deutschland · Ellweiler · Hoppstädten · Lüttich · Mainz · Meckenbach · Namur · Neubrücken · Traunen · Worms
Sachbegriffe: Abschied · Landschaft · Unterkunft · Verpflegung · Witterung · Landwehr-Infanterieregiment 118
Empfohlene Zitierweise: „Johannes Ledroit, Mobilisierung des Hessischen Landwehr-Infanterie-Regiments 118, 1914, Abschnitt 6: Abreise, Aufteilung des Regiments“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/43-6> (aufgerufen am 25.04.2024)