Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Tagebuch des Soldaten Heinrich Preis aus Moischt (1914-1915)

Abschnitt 6: Klage über herrische Vorgesetzte, Ablösung, 3.–9. Okt.

[10-12] Ich habe nun schon lange einige bedauerliche Wahrnehmungen machen müssen in Bezug auf unsre Vorgesetzten, in erster Linie komt unser Herr Mayor. Er scheint für seine Leute keine anderen Bezeichnungen zu kennen als Ochse – Rindvih, u.d. Kleichen. Als wir in den Gräben vor Saimont lagen und die Feldküche nur [s]pät Nachts zu uns kommen konnte, liß er eines Nachts unsre Feldküche, mit der Bemerkung, die 9. Comp. krigt nichts zu Fressen, wieder abfahren.

[S. 11] Mir und vielen andern machte er stets den Eindruck eines Betrunkenen. Am 3. Okt. sagte er zum Untfz. Reitz; als er ihn fragte, wo er die gesammelte Sachen abgeben sollte: Sie Ochse fragen sie das Regiment. Am 4. Wurden Abends Liebesgaben vertheilt, als einige Krieger den vertheilenten Feldwebel umstanden, in dessen Nähe auch der Herr Major saß, schrie er: Ich wünsche mit diesem Volk nicht zusammen zu kommen, stellen sie einen Untfz. hir her; Und dabei glaubt der herr Major sich mit diesem Volk das Eiserne Kreuz verdient zu haben, welches er jetzt trägt. Unser herr Comp.-Führer1 keine w. Bemerkungen.

5. Okt. Ruhetag. 6. Okt. Ankunft des Ersatzbatteljons. Abends wieder in Schützengraben, Nachts Furchtbar kalt. 7. Okt. Ausheben von Deckungsgräben, Abends gegen 11 Uhr Befehl zum Fertigmachen, Rückmarsch bis Kandirs-Autrii, 3 Stunden Ruhe, 4 Uhr Abmarsch nach Challerange2.

8. Okt. Abfahrt Nachts 2 Uhr bis Hirson3, Ankunft 3 Uhr des nächsten Tages. 9. Okt. Nachmittags Marsch bis Alleronge. 10. Okt. Abfahrt 2 Uhr Morgens [S. 12] Ankunft in Vallensierens4 3 Uhr Nachmitags dortselbst Qurtier mehrere Tage. Ich mit 2 Mann zusammen in der Rue des Meillets bei herrn Schertikoff, ein geborner Russe, seit 25 Jahre in Frankreich. Er ist ein richtiger Handelsjude. Obwohl er kein Jude ist. Die Frau ist eine sehr feine Frau, spricht etwas deutsch, kann mich sehr gut mit ihr unterhalten. Wir sind mit Verpflegung Einquartiert, die Frau kann nicht sehr gut kochen. Ich lerne sie noch manches. Im übrigen leben wir hir sehr gut. Wir kaufen uns die feinsten Sachen. Vor allem gibt es gute Butter und Käse hier, dazu kocht unsre Frau ein guten Thee oder Kaffe. Die Stadt hir ist sehr schön hat 30.000 Einwohner. Die Leut hatten große Angst vor den Deutschen, werden aber jetzt ganz zutraulich. Mann hatte ihn vorgemacht die Deutschen thäten Frauen und Kinder umbringen, weshalb auch viele geflohen sind. In Valensines Quartier bis zum 13ten Okt.


  1. Hier Lücke gelassen für einen Namen.
  2. Challerange, Ort im Départment Ardennes, zwischen Reims und Verdun.
  3. Hirson, Gemeinde im Département Aisne.
  4. Valenciennes.

Personen: Preis, Heinrich · Schertikoff · Reitz, Unteroffizier
Orte: Saimont · Kandirs-Autrii · Challerange · Hirson · Alleronge · Valenciennes
Sachbegriffe: Offiziere · Majore · Schützengräben · Feldküchen · Liebesgaben · Feldwebel · Unteroffiziere · Eisernes Kreuz · Ersatzbataillone · Deckungsgräben · Tee · Kaffee
Empfohlene Zitierweise: „Tagebuch des Soldaten Heinrich Preis aus Moischt (1914-1915), Abschnitt 6: Klage über herrische Vorgesetzte, Ablösung, 3.–9. Okt.“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/3-6> (aufgerufen am 25.04.2024)