Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917

Abschnitt 60: Musterung des Jahrgangs 1898, Ernte, Fleischpreise

[Nr. 60] Feldbrief vom 22. Oktober 1916

In der Zeit vom 6.—10. Oktober fand hier die Musterung der gestellungspflichtigen Rekruten des Jahrgangs 1898 von Dieburg und der Umgegend statt. Die jungen Leute waren fröhlich und guter Dinge. Sie sangen mit Begeisterung die alten Soldatenlieder, als ob es zu Spiel und Tanz, nicht aber in Not und Gefahr ginge. Lassen wir ihnen die Freude, der Ernst wird schon von selbst kommen. — Auch die älteren Jahrgänge werden sich einer nochmaligen Musterung unterziehen müssen.

Das Wetter ließ in letzter Zeit viel zu wünschen übrig. Wie kürzlich eine Zeitung schrieb, war der verflossene Sommer der kühlste in den letzten 50 Jahren. In der Zeit der Kartoffelernte war es besser. Manchmal schien die Sonne recht warm und angenehm, und man konnte das Feuer, das Ende September lustig im Ofen flackerte, wieder entbehren. Jetzt ist es wieder kühl und unfreundlich.

Ueber die Kartoffelernte habe ich sehr verschiedene Urteile gehört. Manche Bauersleute klagen; andere sind zufrieden. In Habitzheim und ändern Orten soll die Ernte sogar gut ausgefallen sein. Von Rheinhessen wird eine gute Mittelernte gemeldet. Der durchschnittliche Ertrag in ganz Deutschland ist Blätterberichten zufolge genügend, um Menschen und Tiere wieder ein Jahr weiter zu bringen. Und das ist die Hauptsache. — Als Höchstpreis ist der Betrag von 8 Mark für den Doppelzentner festgesetzt. —

In letzter Zeit wird hier die Viehzucht viel mehr gepflegt als früher. Seitdem die Hausschlachtungen wieder frei gegeben sind, haben viele Leute Schweine zur Mast eingelegt, sogar Leute, die vor dem Kriege an so etwas nicht einmal dachten. Im Interesse einer besseren Volksernährung ist das nur zu begrüßen. Die jungen Tiere find jetzt auch nicht mehr so sündhaft teuer. Während man früher 50 Mark erlegen mußte, kann man jetzt schon das Paar zu 85 Mark bekommen. Hoffentlich sinken auch die Fleischpreise wieder nach und nach.

Am 15. Oktober machte der Dienstbotenverein Darmstadt unter Führung seines Präses, des Herrn Prof. Roos, eine Kriegswallfahrt nach Dieburg. Zunächst wurde in der St. Rochusanstalt eine Tasse Kaffee getrunken und dann der Gang nach der Kapelle angetreten. Dort erklärte ich die Geschichte des Gotteshauses und des Gnadenbildes, sowie die Sagen, die damit im Zusammenhang stehen. Eine Andacht zur Königin des Friedens und der sakramentalische Segen schloß die religiöse Feier. —

Zum Unteroffizier befördert wurde der Gefreite Johann Bonifer VI., zum Gefreiten Georg Enders.

Durch Verleihung des eisernen Kreuzes wurden ausgezeichnet: Landsturmmann Jos. Ott, Gefreiter Adam Friedrich Wick, Wehrmann Jos. Kern, Gefreiter Franz Knauf, Gardist Aug. Kern, Vizefeldwebel Phil. Blank und Sebastian Weber.

Auf dem Felde der Ehre Kapuzinerbruder Mamertus an Blutvergiftung, R. i. p.

Leutnant Hermann Völker ist nicht gefallen, wie ich in Nr. 68 berichtete, sondern verwundet in englische Gefangenschaft geraten. Ich wünschte, ich könnte von allen 97 gefallenen Dieburgern die Todesnachricht widerrufen.


Personen: Ebersmann, Jakob
Empfohlene Zitierweise: „Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917, Abschnitt 60: Musterung des Jahrgangs 1898, Ernte, Fleischpreise“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/19-60> (aufgerufen am 01.05.2024)