Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Theodor Birt, Vor der Entscheidung! Lazarett-Ansprache, 1917

Abschnitt 9: Zusammenstehen aller Deutschen um den Kaiser

[20-23] Es ist derselbe „Geist der Freiheit", der einst auch im Jahre 1813 Preußen im Befreiungskrieg gegen den Eroberer Napoleon in Flammen setzte:

Der Gott, der Eisen wachsen ließ,
Der wollte keine Knechte,
Drum gab er Säbel, Schwert und Spieß
Dem Mann in seine Rechte.

So sang damals Ernst Moritz Arndt, und die Worte gelten und zünden noch heute: [S. 21]

Wem soll der erste Dank erschallen?
Dem Gott, der groß und wunderbar
Aus langer Schande Nacht uns allen
In Flammen aufgegangen war,
Der unsrer Feinde Trotz zerblitzet,
Der unsre Kraft uns schön erneut
Und auf den Sternen waltend sitzet
Von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Wem soll der zweite Wunsch ertönen?
Des Vaterlandes Majestät.
Verderben allen, die es höhnen!
Glück dem, der mit ihm fällt und steht.
Es geh', durch Tugenden bewundert,
Geliebt durch Redlichkeit und Recht,
Stolz von Jahrhundert zu Jahrhundert,
An Kraft und Ehren ungeschwächt!

So Arndt. Damals kämpfte das deutsche Volk um sein Leben. Es tut es auch jetzt, in den kommenden Monaten. Darum fand des Kaisers Erlaß an sein Volk denn auch aus allen Kreisen, aus allen Orten des Vaterlandes den unmittelbarsten, mächtigsten Widerhall, in Adressen, die an ihn gerichtet wurden von den Parteivorständen des Reichstags, vom Bund der Landwirte, der Handwerkskammer zu Berlin, den Hamburger Rhedern, von katholischen und evangelischen Frauenvereinen. Auch der Handlungsgehilfenverband, die Arbeitervereine sind in der Massenkundgebung im Zirkus Busch in Berlin am 21. Januar zu Wort gekommen. Nie war die [S. 22] Einig-

keit, nie die ernste Entschlossenheit so groß wie jetzt; und das ist am heutigen Tage die schönste Huldigung für unseren Kaiser.

Das Vaterland ist belagert wie eine Festung; der Feind will noch einmal von allen Seiten Sturm laufen. Da kommt es bei uns auf jeden einzelnen an. Auch das sei noch gesagt. Für Nichtstuer ist bei uns kein Platz. Wer felddienstunfähig ist, tut, wo er kann, Hilfsdienst als Zivilmensch. So soll es jetzt sein; so soll es aber auch nach dem Kriege bleiben, wenn endlich der Friede erkämpft ist. Auch dann werden noch namenlos viele Verluste zu decken, Schäden zu heilen sein, und die Arbeit wird doppelt hoch im Werte stehen. Das gilt auch von unseren lieben verwundeten Kameraden, von den Verwundeten und den sonst von Krankheit und Leiden Befallenen, wie sie hier um mich versammelt sind und die das Opfer ihrer Gesundheit brachten für das Vaterland und für uns. Wer da Invalid ist, der soll nicht denken, daß er hernach untätig vom Mitleid seiner Verwandten leben will oder muß. Er soll das nicht wollen, und er wird es auch nicht nötig haben. Denn Mitleid wird zur Plage, und dauernde Wohltat drückt. Glücklich ist nur der, der etwas zu tun, zu schaffen findet, jeder nach seiner Kraft. Ihr, die Ihr schwer getroffen und zerschossen seid an Fuß und Händen, auch [S. 23] auf Eure Arbeit rechnet hinfort der Staat, rechnet das deutsche Volk. Arbeit und Verdienst muß und soll Euch werden. Das hoffen wir. Für Hilfe, Unterricht und Anweisung der Invaliden wird ja jetzt schon nach Möglichkeit gesorgt, und der Blinde lernt Blindenschrift. Auch mit künstlichen Gliedmaßen läßt sich manches Handwerk betreiben, und es gilt, sich darauf einzuüben. Das Vaterland kann Euch nicht besser danken, als daß es Euch aufruft: Laßt Euch nicht in Entmutigung gehen; greift frisch zu, wo immer sich Euch Tätigkeit und ein zweckmäßiges Leben bieten wird. Dann bleibt Ihr im Herzen gesund, so schwer Ihr auch sonst geschädigt seid. Ihr sollt auch in Zukunft das Gefühl haben, daß Ihr uns unentbehrlich seid, und als Vollmenschen weiter mit uns leben. Das ist der Dank des Vaterlandes für Eure Wunden, daß es Euch dazu verhelfen will.


Personen: Birt, Theodor
Empfohlene Zitierweise: „Theodor Birt, Vor der Entscheidung! Lazarett-Ansprache, 1917, Abschnitt 9: Zusammenstehen aller Deutschen um den Kaiser“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/119-9> (aufgerufen am 23.04.2024)