Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Theodor W. Adorno-Preis an Norbert Elias, 2. Oktober 1977

Der Soziologe und Philosoph Norbert Elias (1897–1990) erhält als erster Preisträger den von der Stadt Frankfurt am Main gestifteten Theodor-W. Adorno-Preis. Die Preisübergabe findet in der Paulskirche statt.

Der 1975 in Erinnerung an den deutschen Philosophen und Soziologen Theodor W. Adorno (1903–1969)¹ gestiftete Preis, der von der Stadt Frankfurt am Main alternierend mit dem Max-Beckmann-Preis und dem Goethe-Preis alle drei Jahre verliehen wird, wurde vom Frankfurter Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann (1925–2018) initiiert und ist mit einem Preisgeld in Höhe von 50.000 DM dotiert.
In der vom Preiskuratorium verfassten Begründung heißt es: „Norbert Elias hat mit seinen Untersuchungen, vor allem, über den ‚Prozeß der Zivilisation’ des Abendlandes, grundlegende Arbeiten für eine höchst differenzierte, kulturhistorisch unterbaute Theorie des sozialen Wandels geschaffen. Der Zusammenhang individualpsychologischer Strukturen mit objektiv historischen Prozessen wird dabei in besonders eindringlicher Weise dargestellt. Mit dem umfassenden Werk und der geistigen Haltung Adornos ist Norbert Elias verwandt, vor allem durch das Vermögen, soziale Tatsachen wahrzunehmen und zu durchdringen, gleich frei von fachspezifischen Schranken wie eingeschliffenen Lehrmeinungen.“

Frankfurts Oberbürgermeister Walter Wallmann (1932–2013; CDU) äußert in einer kurzen Ansprache, dass er nicht nur den Preisträger, sondern auch das Andenken Adornos durch die Verleihung geehrt sehe. Es sei insbesondere Adornos Arbeit am Institut für Sozialforschung gewesen, die entscheidend dazu beigetragen habe, die Mainmetropole und ihre Universität zu einem internationalen Zentrum der sozialwissenschaftlichen Forschung zu machen.
Im Anschluss skizziert der Berliner Soziologe Wolf Lepenies (geb. 1941) in seiner Laudatio den Lebensweg des gebürtig aus Breslau stammenden Elias, der 1930 als Assistent von Karl Mannheim (1893–1947)² nach Frankfurt am Main kam, und zeichnete die Rezeptionsgeschichte seines Werkes nach. Lepenies stellt dabei die Arbeiten des Preisträgers in den Kontext der Entwicklung der deutschen Soziologie, die als Gegenstand der Wissenschaft in den Jahren der NS-Herrschaft eine schicksalhafte Unterbrechung ihrer Entwicklung erdulden musste.
(KU)

1. Der in Frankfurt geborene Adorno ist einer der Begründer und Hauptvertreter der unter den Bezeichnungen „Frankfurter Schule“ und „Kritische Theorie“ bekannt gewordenen und ausgesprochen einflussreichen sozialphilosophischen Denkrichtung, die ihre Blütezeit im Umfeld der sogenannten 68er-Generation erlebte. Theodor W. Adorno lehrte zwanzig Jahre lang, bis zu seinem Tod 1969, an der Johann Wolfgang Goethe-Universität. ↑
2. Karl Mannheim wurde 1930 auf die Initiative von Adolf Grimme hin zum ordentlichen Professor für Soziologie an der Universität Frankfurt am Main berufen. ↑