Topografie des Nationalsozialismus in Hessen
Weilmünster, Kapelle, Heil- und Pflegeanstalt
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Kategorie:
Verfolgung
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Subkategorie:
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Objektbeschreibung:
Wie alle Gebäude der ersten Bauphase der Heil- und Pflegeanstalt Weilmünster ist auch die Kapelle nach Südwesten orientiert. Sie steht zusammen mit dem Leichenhaus am nordöstlichen Ende der Hauptachse der gestaffelten Anstaltsgebäude und befinden sich am höchsten bebauten Punkt des Wellersbergs. Bei der am Waldrand errichteten Kapelle handelt es sich um einen etwa 20 mal 15 Meter großen kreuzförmigen Backsteinbau mit einem Glockenturm in der Mitte. Sie verfügt an Vorderseite und den beiden Seitenwänden über jeweils drei hohe, farbig verglaste Bogenfenster.
Die etwa zehn mal zehn Meter große Leichenhalle ist im gleichen Stil entworfen und befindet sich rund 50 Meter nordöstlich innerhalb des Walds.
Auf dem anstaltseigenen Friedhof, der auch einen jüdischen Friedhof beinhaltet, wurden zwischen 1897 und Dezember 1996 Patientinnen und Patienten und auch Anstaltspersonal beerdigt. Seit 2003 dient der Ort als Gedenkstätte. Er liegt etwa 250 Meter östlich des Gutshofs.
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Beschreibung:
Bis in den September 1943 wurde die Kapelle für Gottesdienste genutzt. Am 26. September 1943 verlas der Anstaltsgeistliche und Wetzlarer Kaplan Walter Adlhoch den zweiten Teil des gemeinsamen Hirtenbriefs der deutschen Bischöfe über die zehn Gebote als Lebensgesetz der Völker vor Patientinnen und Patienten, Pflegepersonal und Ärzten. Daraufhin verbot Fritz Bernotat dem Geistlichen weitere Gottesdienste auf dem Anstaltsgelände zu halten. Einzelseelsorge auf den Stationen soll weiterhin erfolgt sein, weil Adlhoch von Anstaltspersonal über An- und Abwesenheit Bernotats informiert gewesen sein soll.
Mit dem Gottesdienstverbot ging auch die Schließung der Kapelle einher. Fortan wurde sie zur Aufbewahrung von Leichen genutzt. Die große Opferzahl überschritt in der dezentralen Phase der Tötungen die Kapazität der bestehenden Leichenhalle.
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Nutzungsanfang (früheste Erwähnung):
1933
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Nutzungsende (späteste Erwähnung):
1943
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Nutzung vor NS-Zeit:
Baubeginn 1895
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Nutzung nach NS-Zeit:
Ab September 1943 Nutzung als Leichenhalle.
- Indizes ↑
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Orte:
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Sachbegriffe:
Verfolgung · Euthanasie · Gesundheitswesen · Zwischenanstalten
- Nachweise ↑
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Literatur:
- Klee, „Euthanasie“ im Dritten Reich, S. 417f., S. 458f.
- Roßbach, Zur Baugeschichte des Krankenhauses in Weilmünster, in: Vanja, 100 Jahre Krankenhaus Weilmünster, S. 61-72.
- Schmuck-Schätzel, „Euthanasie“ in der kirchlichen Publizistik, S. 123.
- Sandner, Die Landesheilanstalt Weilmünster im Nationalsozialismus, in: Vanja, 100 Jahre Weilmünster, S. 121-164.
- Vanja, „eitel Lust und Freude herrscht wirklich nicht darin“, in: Vanja, 100 Jahre Weilmünster, S. 121-164.
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Ungedruckte Quellen:
- Verhandlungen des Regierungsbezirks Wiesbaden, 28. Kommunallandtag, 1894, Wiesbaden 1894, 7. Sitzung, 28.4.1894 (2.9.2022)
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Weblinks:
Gedenkort Kalmenhof e.V.: Gedenkbuch Weilmünster (31.5.2023)
Fachtagung: "'Zwischenanstalten'. Ein besonderer Typus Anstalt im NS"? (15.11.2023)
- Abbildungen ↑
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Abbildungen:
- 3135-FA-010: Kindersanatorium Weilmünster, Kapelle des Sanatoriums, um 1920/30 © LWV-Archiv, F 19, Nr. 361
- 3135-P-020: Weilmünster, Psychiatrisches Krankenhaus, Kapelle: Schnitt u. Grundriss © LWV-Archiv, B Kartensammlung, Nr. 4183
- Zitierweise ↑
- „Weilmünster, Kapelle, Heil- und Pflegeanstalt“, in: Topographie des Nationalsozialismus in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/nstopo/id/3535> (Stand: 18.2.2024)