Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Topografie des Nationalsozialismus in Hessen

Weilmünster, Gutshof, Heil- und Pflegeanstalt

Klassifikation | Nutzungsgeschichte | Indizes | Nachweise | Abbildungen | Zitierweise
Klassifikation

Kategorie:

Verfolgung

Subkategorie:

Euthanasie 

Nutzungsgeschichte

Objektbeschreibung:

Der Gutshof wurde ab Ende 1895 als Teil der psychiatrischen Einrichtung Weilmünsters errichtet. Die Versorgungseinrichtung bestand aus mindestens sechs, der Zeit typischen Bauweise aus Ziegelmauerwerk mit Gewölbe- und Holzbalkendecken, Gebäuden. Die vier Gebäude auf der Nordseite umfassten Stallungen und eine Kutscherwohnung. Die landwirtschaftliche Versorgungseinrichtung lag im südöstlichen Bereich des bebauten Anstaltsgeländes, zwischen dem östlich höhergelegenen Wald und dem direkt anschließenden Handwerksgebäude im Westen.

Beschreibung:

Versorgungseinrichtungen, in diesem Fall der Gutshof, waren fundamentale Bestandteile der Anstaltskonzeption in Weilmünster. Durch den landwirtschaftlichen Betrieb sollten Finanzmittel eingespart, eine größtmögliche Unabhängigkeit von der erreicht und die Versorgung der Anstalt gewährleistet werden. Für diese Zwecke entfielen 85 % der Grundfläche des 32 ha großen Grundstücks auf land- und forstwirtschaftliche Betriebe und Nutzflächen.

Seit dem Bestehen psychiatrischer Anstalten im 19. Jahrhundert bildete die Arbeitstherapie chronisch Kranker einen wichtigen Bestandteil des Anstaltslebens. Unbezahlte Arbeit innerhalb der Institutionen war wichtiger Aktivposten der Anstalten, so auch in Weilmünster. Waren in den 1920er Jahren noch Anerkennungen in Form von Tabak und Getränken möglich, reduzierte sich die angebotene Arbeitstherapie in Weilmünster aufgrund der staatlich angeordneten Personaleinsparungen in den 1930er Jahren auf diejenigen Patientinnen und Patienten, die selbstständiger und weniger personalintensiv arbeiten konnten. Arbeitsfähigkeit in Verbindung mit Produktivität wurde so im Lichte zweckrationaler Motive der Anstaltsökonomie entscheidendes Selektionskriterium in der NS-"Euthanasie". Statistisch eröffnete Außenarbeit, wie sie auf dem Gutshof verrichtet wurde, verglichen mit anderen Tätigkeiten im Anstaltsleben, den Patientinnen und Patienten statistisch die größte Überlebenschance.

Nutzungsanfang (früheste Erwähnung):

1933

Nutzungsende (späteste Erwähnung):

1945

Nutzung vor NS-Zeit:

1895 Baubeginn

Nutzung nach NS-Zeit:

Heute privatwirtschaftliche Nutzung des denkmalgeschützten Gutshofs als "Feriendomizil mit Reitanlage" (30.8.2022).

Indizes

Orte:

Weilmünster

Sachbegriffe:

Verfolgung · Euthanasie · Gesundheitswesen · Zwischenanstalten

Nachweise

Literatur:

Ungedruckte Quellen:

Weblinks:

Gedenkort Kalmenhof e.V.: Gedenkbuch Weilmünster (31.5.2023)

Fachtagung: "'Zwischenanstalten'. Ein besonderer Typus Anstalt im NS"? (15.11.2023)

Landesamt für Denkmalpflege: "Psychiatrisches Landeskrankenhaus, Ehem. Irren-, Heil- und Pflegeanstalt" (1.7.2022)

Zitierweise
„Weilmünster, Gutshof, Heil- und Pflegeanstalt“, in: Topographie des Nationalsozialismus in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/nstopo/id/3532> (Stand: 18.2.2024)