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Hessische Biografie

Portrait

Herbert Otto Rudolf von Bismarck
(1884–1955)

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Bismarck, Herbert Otto Rudolf von [ID = 6282]

* 29.8.1884 Stettin, † 30.3.1955 Wiesbaden, evangelisch
Politiker, Parlamentarier
Andere Namen | Wirken | Familie | Nachweise | Leben | Zitierweise
Wirken

Werdegang:

  • 1899 Pflegesohn in der Familie seiner späteren Schwiegermutter
  • bis 1903 König-Wilhelm-Gymnasium in Stettin
  • 1903-1906 Jurastudium in München, Lausanne, Berlin, Greifswald
  • 1906 Gerichtsreferendar
  • 1908 Regierungsreferendar
  • 1912 Regierungsassessor beim Landrat in Frankenstein (Schlesien)
  • 1914–1918 Kriegsdienst als Oberleutnant d.R.
  • 5-11.1918 Hilfsarbeiter beim Vertreter des Reichskanzlers im Großen Hauptquartier in Spa und Wilhelmshöhe
  • 1918–1931 Landrat Kreis Regenwalde
  • 1930–1933 Mitglied des Reichstags (DNVP)
  • 1933 kurzzeitig Staatssekretär des Preußischen Innenministers, dann im einstweiligen Ruhestand
  • 1933–1939 Bewirtschaftung des Familienguts in Lasbeck bei Regenwalde
  • 1939–1944 Militärdienst, Major bei der Wehrmacht
  • nach 1945 in Vertriebenenorganisationen (Sprecher der Pommerschen Landsmannschaft) tätig
  • Rechtsritter des Johanniter-Ordens
Familie

Vater:

Bismarck, Philipp von, 1844–1894, auf Kniephof und Lasbeck, Königlich Preußischer Rittmeister der Landwehr a.D., Ehrenritter des Johanniter-Ordens

Mutter:

Harnier, Hedwig von, 1858–1945, Tochter des Adolf von Harnier, auf Burg Echzell und Häuserhof, und der Luise Freiin von Rotenhan

Partner:

  • Kleist-Retzow, Maria von, * Belgrad 8.5.1893, Heirat Stettin 16.2.1912, Tochter des Jürgen von Kleist-Retzow, † 1897, Landrat, und der Ruth Gräfin von Zedlitz und Trützschler, Schriftstellerin der Frauenfrage, der Berneuchener Bewegung und der Bekennenden Kirche, Widerstandskämpferin gegen die Diktatur der Nationalsozialisten

Verwandte:

  • Schlabrendorff, Luitgarde von, geb. von Bismarck <Tochter>, verheiratet 1939 mit Fabian von Schlabrendorff, 1907–1980, Dr. jur. h.c., Assistent bei Herbert von Bismarck als Staatssekretär, 1942 Adjutant seines Vetters Henning von Tresckow, durch diesen Mitglied des Widerstands gegen die Nationalsozialisten, Bundesverfassungsrichter
  • Bismarck, Jürgen von <Sohn>, Dipl.-Ing., Major a.D.
  • Bismarck, Hans Otto von <Sohn>, 1919–1940, gefallen, Leutnant
  • Pompe, Spes, geb. von Bismarck <Tochter>, verheiratet 1951 mit Hans-Dietrich Pompe, Pfarrer
  • Bisrmarck, Gottfried von <Sohn>, Dipl.-Ing.
  • Bisrmarck, Friedrich Christoph von <Sohn>, Jurist
  • Bismarck-Osten, Karl Graf von <Halbbruder>, † Bad Nauheim 19.6.1952
  • Bismarck, Klaus von <Neffe>, 1912–1997, Oberstleutnant der Reserve a.D., Intendant
  • Bismarck, Philipp von <Neffe>, 1913–2006, Dr. rer. pol., Industriekaufmann, Major a.D., Politiker, Mitglied des Deutschen Bundestages
Nachweise

Literatur:

Bildquelle:

Reichstags-Handbuch 1932, 7. Wahlperiode, S. 547.

Leben

Am 29. August 1884 als Herbert Otto Rudolf von Bismarck in Stettin geboren, besuchte der Großneffe Fürst Otto von Bismarcks bis 1903 das städtische König-Wilhelm-Gymnasium. Anschließend nahm Herbert von Bismarck das Jurastudium auf und studierte dies an den Universitäten zu München, Lausanne, Berlin und Greifswald. Im Jahr 1906 legte von Bismarck sein Referendarexamen erfolgreich ab und wirkte zunächst als Königlich Preußischer Gerichtsreferendar (1906–1908) und Regierungsreferendar (1908–1912) in Stettin und am Landratsamt Pyritz, bevor er ab 1912 als Regierungsassessor beim Landrat im schlesischen Frankenstein Anstellung fand. Im privaten Bereich erfolgte am 16. Februar 1912 die Vermählung mit Maria Ruth Marieagnes Margarete von Kleist-Retzow.

Im Ersten Weltkrieg bewährte sich von Bismarck im aktiven Kriegsdienst (August 1914 bis April 1918), woran anschließend der inzwischen als Oberleutnant der Reserve dienende Jurist seit 1. Mai 1918 als Hilfsarbeiter beim Vertreter des Reichskanzlers im Großen Hauptquartier in Spa und Wilhelmshöhe Erfahrung in der politischen und militärischen Führungsebene sammeln konnte. Nach Kriegsende fungierte Bismarck (seit Dezember 1918) als Landrat des Kreises Regenwalde in Labes (Pommern) und bewirtschaftete parallel das Familiengut in Lasbeck in demselben Landkreis.1

Mit Beginn der politischen Betätigung für die Deutschnationale Volkspartei erfolgte – gemäß preußischer Gesetzgebung – von Bismarcks Versetzung in den einstweiligen Ruhestand (1931).

Herbert von Bismarck gehörte von der 5. bis zur 7. Wahlperiode (September 1930 bis März 1933) dem Deutschen Reichstag als Abgeordneter der DNVP-Fraktion an und war ebenfalls 1933 Abgeordneter im preußischen Landtag.2 Daneben fungierte Herbert von Bismarck seit Dezember 1931 als Verbandsvorsitzender der Jugendorganisation der DNVP, dem „Bismarckbund“, wozu ihn der „Bismarck-Bundesrat“ nach seiner vom Parteivorsitzenden Hugenberg ausgesprochenen Ernennung zum Reichsjugendführer (das heißt zum Vorsitzenden des Reichsjugendausschusses und damit Mitglied des Parteivorstandes) der DNVP wählte. Der ideologischen Programmatik der DNVP verpflichtet, vertrat der „Bismarckbund“ eine dezidiert völkisch-deutschnationale Weltanschauung. Mit der Übernahme des Vorsitzes durch Herbert von Bismarck erfolgte eine Militarisierung des Bundes zu einer reinen Kampforganisation, wobei trotz Sympathiebekundungen für das nationalsozialistische Regime am 21. Juni 1933 die Auflösung der Parteijugend bestimmt wurde.3

Herbert von Bismarcks politische Karriere nahm im schicksalhaften Jahr 1933 eine zunächst erfolgreiche Entwicklung, als er im Januar 1933 vom Kabinett von Schleicher mit Wirkung zum 1. Februar 1933 zum Staatssekretär im preußischen Innenministerium ernannt wurde. Als deutschnationaler Politiker vertrat von Bismarck zeitlebens rechts- und nationalkonservative Positionen, deren traditionell preußische Nuancierung ein etatistisch-rechtsstaatliches Politikverständnis implizierten und ihn in eine latente Konfliktlage mit dem preußischen Innenminister Hermann Göring (NSDAP) brachten. Zentraler Kritikpunkt des Juristen und Staatssekretär von Bismarcks waren die rechtsstaatliche Maßstäbe konterkarierenden Methoden der NSDAP-Machthaber, deren Beendigung er von Göring wiederholt einforderte. Vergeblich versuchte von Bismarck Unterstützung bei Vizekanzler Franz von Papen, Alfred Hugenberg oder Reichswehrminister Werner von Blomberg zu erhalten. Hieraus folgend entbehrten die Kritikpunkte und Forderungen an Göring einer für Änderungen notwendigen machtpolitischen Grundlage und führten letztendlich zum Bruch mit den Regierenden. Bereits nach zwei Monaten Dienstzeit (10. April 1933) in den einstweiligen Ruhestand versetzt,4 versuchte von Bismarck die Nachfolge des 1932 zurückgetretenen Regierungspräsidenten Cronau im pommerschen Regierungsbezirk Köslin anzutreten. Nachdem diese Bemühungen aufgrund von Interventionen des Pommerschen Landbundes5 und des angespannten Verhältnisses zu NSDAP-Funktionären scheiterten, zog sich der Rittergutsbesitzer bis 1939 auf den familiären Besitz nach Lasbeck zurück.6

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde von Bismarck für den Militärdienst reaktiviert und diente als Major der Reserve in der Wehrmacht. 1939 hatte Fabian von Schlabrendorff von Bismarcks Tochter Luitgarde geheiratet. Dieser war während von Bismarcks Zeit als preußischer Innenstaatssekretär dessen persönlicher Adjutant und verband sich ihm neben den persönlichen Beziehungen auch durch das gemeinsame Engagement im militärischen Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime. Die am 15. August 1944 verkündete Entlassung aus dem Militärdienst mittels Sonderverfügung dürfte Ausdruck des Sympathisierens mit den Widerständlern gewesen sein, wobei eine Funktion im aktiven Widerstand nicht nachgewiesen und somit auch erklärbar ist, warum von Bismarck den dem 20. Juli 1944 folgenden Liquidationen entging.7

Gleichsam tritt Herbert von Bismarck in Erinnerungen und Autobiographien von aktiven Widerstandskämpfern aus dem nationalgesinnten Umfeld Henning von Tresckows hervor. Beispielsweise verdankte von Schlabrendorff die Verbindung mit einem der aktivsten Persönlichkeiten des militärischen Widerstandes, General Hans Paul Oster (Leiter des Zentralamtes der Abwehrabteilung im Oberkommando der Wehrmacht), wodurch von Schlabrendorff im Jahr 1938 „unmittelbar bis in das Zentrum der Widerstandsbewegung vorgedrungen“8 war, seinem Schwiegervater Herbert von Bismarck.

In Folge der Vertreibungen flüchtete von Bismarck, der im Rahmen seines kulturkonservativen Engagements in der pommerschen Heimat auch Vorsitzender des Gaues Pommern der Fichte-Gesellschaft geworden war, 1945 nach Wiesbaden und trat hier als Mitbegründer der Pommerschen Landsmannschaft (PLM) für die Belange der Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten auf. Die Wahl zum ersten Sprecher der Landsmannschaft nahm von Bismarck auf der ersten Pommerschen Abgeordnetenversammlung im Huldigungssaal des Lüneburger Rathauses am 30./31. Juli 1949 an.9 Inoffiziell übte von Bismarck diese Funktion bereits seit dem 11. August 1948 aus und sollte diese bis zum 7. Juni 1952 begleiten. In der Eigenschaft als Sprecher der PLM unterzeichnete von Bismarck 1950 die Charta der Heimatvertriebenen und forcierte die Einigung der Vertriebenenverbände, indem er im Herbst 1949 als Mitbegründer der Vereinigung Ostdeutscher Landsmannschaften (VOL) auftrat und diesem Vorläufer des Verbands der Landsmannschaften (VDL) als Präsident zeitweilig vorstand.

Das Ausscheiden als Sprecher der PLM im Juni 1952 war gesundheitlichen Gründen geschuldet, wobei von Bismarck auch weiterhin als Präsident des von ihm ebenfalls mitbegründeten Ostdeutschen Kulturrates sowie als Beiratsmitglied der Ostdeutschen Akademie in Lüneburg wirkte. Als herausragende Leistung in von Bismarcks Spätwerk steht die Organisation und Veranstaltung des gesamtdeutschen Treffens der Landsmannschaften in der Paulskirche zu Frankfurt am Main sowie der ostdeutschen Kulturtagung in Aachen im Jahr 1951.10

In Lebenserinnerungen und Publikationen deutscher Vertriebenenfunktionäre wird von Bismarck als „aufopfernd, uneigennützig und gewissenhaft“ dargestellt und „seine altpreußische Pflichtauffassung“ als für die Vertriebenenpolitik im „Gedanken der Rückgewinnung der ostdeutschen Heimat“11 entscheidenden Wesenszug beschrieben.

Im Rahmen der Feierlichkeiten zu seinem 70. Geburtstag erhielt von Bismarck 1954 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland und starb bereits am 30. März des darauffolgenden Jahres im hessischen Wiesbaden.12

Sebastian Pella


  1. Vgl. Martin Schumacher, Katharina Lübbe, Wilhelm Heinz Schröder: M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung, 1933–1945. Eine biographische Dokumentation. 3. Auflage. Düsseldorf 1994, S. 40 f.; Art. Herbert von Bismarck, in: Internationales Biographisches Archiv (Munzinger-Archiv; Genealogisches Handbuch der Adligen Häuser A, Bd. A III, 1957, S. 57; ME-Bi, 16.7.1955, 6367; http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/adr/adrag/kap1_2/para2_172.html; http://d-nb.info/gnd/130316989
  2. Vgl. ebd.
  3. Vgl. Wolfgang R. Krabbe, Die Bismarckjugend der Deutschnationalen Volkspartei, in: German Studies Review, Vol. XVII, No. 1, February 1994. S. 9-32, hier S. 21, 27 f.
  4. Vgl. Fabian von Schlabrendorff, Offiziere gegen Hitler. Neue, durchges. und erw. Aufl. Berlin 1984, (Deutscher Widerstand 1933–1945), S. 24 f. Nach von Schlabrendorffs Erinnerungen reichte von Bismarck selbst aufgrund der ablehnenden Haltung sowie den permanenten Konflikten mit Göring den Rücktritt ein und lehnt „die ihm von Göring angebotenen Posten eines Staatsrates und Regierungspräsidenten“ (S. 25) ab.
  5. In einem Schreiben des Pommerschen Landbundes an den Kommissar zur besonderen Verwendung Daluege vom 13. April 1933 fordert dieser unmissverständlich, die Einsetzung von Bismarcks zu verhindern: „Der Pommersche Landbund, Kreisgruppe Lauenburg, bittet dringend, diese Ernennung zu verhindern. Herr von Bismarck-Lasbeck gehört zu den Kreisen der Herren von Braunschweig-Lübzow und von Kleist-Schmenzin, die in übelster Weise gegen unseren Führer und Reichskanzler bis in die letzte Zeit gehetzt haben und deshalb auch vor kurzem in Schutzhaft genommen worden sind. Die hiesige Landbundkreisgruppe und auch die sonstige bäuerliche Bevölkerung des Grenzkreises Lauenburg würde Herrn von Bismarck-Lasbeck als Regierungspräsident in Köslin als untragbar ansehen müssen.“ Martin Schumacher, Katharina Lübbe, Wilhelm Heinz Schröder (Anm. 1), S. 40 f.
  6. Vgl. Anm. 1.
  7. Vgl. ebd.
  8. Fabian von Schlabrendorff (Anm. 4), S. 28.
  9. Vgl. http://www.pommersche-landsmannschaft.de/Wir_ueber_uns/Geschichte_PLM/body_geschichte_plm.html, Stand: 01.06.2010.
  10. Vgl. Eckhard Wendt, Art. Herbert (Otto Rudolf) von Bismarck, in: ders., Stettiner Lebensbilder, Köln 2004, S. 75 f.
  11. Zitate aus ebd., S. 76.
  12. Vgl. Anm. 1.
Zitierweise
„Bismarck, Herbert Otto Rudolf von“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/130316989> (Stand: 28.11.2023)