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Regierungserklärung von Ministerpräsident Stock im Landtag, 9. November 1949

Der hessische Ministerpräsident Christian Stock (1884–1967; SPD) stellt dem Hessischen Landtag in seiner 68. Plenarsitzung sein neues Kabinett vor und gibt dazu eine Regierungserklärung ab. Er teilt mit, dass die Landesregierung in Zukunft nur noch aus dem Ministerpräsidenten und vier Fachministern bestehen wird, nämlich den Ministern für Inneres, für Finanzen, für Erziehung, Volksbildung und Justiz sowie für Arbeit, Landwirtschaft und Wirtschaft. Neben den bereits ausgeschiedenen bisherigen Ministern Josef Arndgen (1894–1966; CDU), Dr. Harald Koch (1907–1992) und Georg August Zinn (1901–1976; beide SPD) wird auch der bisherige Landwirtschaftsminister Karl Lorberg (1891–1972; CDU) der Landesregierung nicht mehr angehören, weil Lorberg nach der Verwaltungsreform eine weitere Ausübung seines Amtes für nicht mehr möglich halte und seine Tätigkeit als beendet ansehe. Der Ministerpräsident würdigt die großen Leistungen der ausscheidenden Minister und gibt einen Bericht über die Arbeit der Landesregierung in den vergangenen Jahren.

Stock hebt hervor, dass das Innenministerium neben den Gemeinde- und Kreisordnungen und den Wahlgesetzen auch das allgemeine Landesverwaltungsgesetz geschaffen habe. Das dem Innenminister unterstellte Amt für Soforthilfe habe bis jetzt Unterhaltshilfe von monatlich 1,2 Millionen DM und Nachzahlungen von rund 1,3 Millionen DM geleistet. Im Oktober 1949 seien rund zwei Millionen DM für die Restfinanzierung von Flüchtlingswohnungen ausgezahlt worden, weitere vier Millionen DM stünden bis zum Jahresende für den gleichen Zweck zur Verfügung.

Die Wiederaufbauabteilung habe durch ihre Arbeit 101.000 Wohnungen in Hessen erstellt oder wieder bewohnbar gemacht. Der Aufbau von 46 kommunalen Krankenhäusern und 130 Volksschulen seien seit der Währungsreform vom Land mit 10,2 Millionen DM bezuschusst worden. Von den 750.000 Flüchtlingen, die nach Hessen gekommen seien, habe ein großer Teil mit der Ansiedlung neuer Industrien neue Arbeitsplätze gefunden. Der Exporthandel habe sein Volumen von 3,1 Millionen DM im Jahr 1946 bis heute auf 250 Millionen DM erhöht. Die Verkehrsverwaltung habe 52 Eisenbahnbrücken und 54 Dauerbrücken in Hessen errichtet. Im Zuge der Bodenreform habe das Landwirtschaftsministerium 2.851 Bauplätze an Flüchtlinge und 1.932 an Alteingesessene abgegeben. Unter den nach Hessen gekommenen Flüchtlingen seien jedoch 250.000 Menschen, die aus bäuerlichen Betrieben stammten.

In der Landtagsdebatte über die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten stellt der Fraktionsvorsitzender der KPD, Ludwig Keil (1896–1952), fest, die Erklärung Stocks nehme sich aus „wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht“. Zu den Kommunisten gewandt betont der Sprecher der SPD-Fraktion, Heinrich Fischer (1895–1973), mit revolutionären Forderungen allein sei es nicht getan. Er wendet sich scharf gegen eine Verwirtschaftung des Volksvermögens, wie es dem Anschein nach zur Zeit in Bonn betrieben werde. Er sehe dennoch Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit der Bundesregierung, wenn diese die Grundrechte der Demokratie achte. Nach dem Eindruck des Vorsitzenden der FDP-Landtagsfraktion, Karl Theodor Bleek (1898–1969), hat über der Regierungserklärung Stocks etwas vom Novembernebel, etwas Müdes und Resigniertes gelegen. Der Sprecher der CDU, Dr. Erich Großkopf (1903–1977) fordert von der Landesregierung die baldige Fertigstellung des Landesverwaltungsgesetzes, die Auflösung überflüssig gewordener Sonderstellen und die Beendigung der Aufgaben des Landwirtschaftsamtes und des Kreisernährungsamtes.
(OV / KU)

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„Regierungserklärung von Ministerpräsident Stock im Landtag, 9. November 1949“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/subjects/idrec/sn/edb/id/3409> (Stand: 9.11.2022)
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