Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Harry Heußner, Das Landsturm-Infanteriebataillon Hersfeld in Belgien, 1914-1918

Abschnitt 8: Bereitschaft zum Frontdienst, Juli 1916

[III, S. 105] An der Front an der Yser

Das dritte Kriegsjahr fand uns an der Front! Mehr als 20 Monate hatten wir an den Bahnstrecken auf Wache gelegen, in den Städten des Etappengebiets an Toren und Türen Posten gestanden, an den vielfachen Verwaltungsausgaben, welche die Etappenkommandanturen im besetzten Gebiet zu erfüllen haben, tätigen Anteil genommen, hatten uns gefreut an den wechselnden Bildern, welche die Städte und Landschaften Belgiens uns boten, und hatten ein lebhaftes Interesse für des fremden Volkes Brauch und Sitte gezeigt, immer in der Hoffnung, in nicht allzuferner Zeit in die Heimat zurückkehren zu können. Aus dieser mehr friedlichen Tätigkeit wurden wir im Juli 1916 herausgerissen und in die Reihe der Streiter gestellt, die den in heißen Kämpfen errungenen Boden Belgiens in vorderster Linie verteidigen sollten. Mit ruhiger, heiliger Entschlossenheit sahen wir unverzagt dem entgegen, was die Pflicht uns auferlegte.

Die 1. Kompanie stand zum erstenmal wieder nach dem Tage ihres Einrückens in die Stadt Aalst auf dem Kasernenhof vollzählig versammelt. Stillgestanden! Der Etappenkommandant trat vor die Front. Er wollte Abschied nehmen von der Kompanie, die so lange unter ihm gearbeitet hatte. In kurzer Ansprache spendete er ihr Worte ehrlicher Anerkennung für ihr Verhalten und Wirken in der Stadt und wünschte ihr aus ihrem Wege Wohlergehen. Wohin dieser Weg führen sollte, wußte keiner, und so hatte die allzeit lebhafte Soldaten-Phantasie weiten Spielraum und irrte von Rußland und Serbien bis nach dem Elsaß und der flandrischen Küste. An den Straßen standen dicht gedrängt die Bewohner, denen es sichtbar leid tat, daß wir scheiden mußten. Auf dem Bahnhof stieß die 2. Kompanie, von Dendermonde kommend, zur 1., um mit ihr gemeinsam im Zuge nach Gent befördert zu werden.

In Gent stand das ganze Bataillon auf dem großen Platz vor der St. Peters-Kirche versammelt. Seit den [S. 106] Oktobertagen 1914 hatten wir uns als Ganzes nicht wiedergesehen. Noch waren die alten Hauptleute da, aber der Mannschaftsbestand hatte sich erheblich verändert. Felddienstfähige waren schon nach und nach herausgezogen,

andere waren reklamiert worden, da sie ihres Berufes wegen vorteilhafter verwendet werden konnten.

Unser Einsatz in der Front erforderte tief einschneidende und umfassende Veränderungen im inneren Aufbau und in der Zusammensetzung der Truppe. Wir bildeten das I. Bataillon eines neuaufgestellten Landsturm-Regiments, in welches als II. Bataillon das Landsturmbataillon Hanau, als III. das Landsturmbataillon Spandau eingegliedert wurden. Zur Aufstellung einer Maschinengewehr-Kompanie wurden dem Bataillon Offiziere eines württembergischen Ulanenregiments, unter Führung von Oberstleutnant Kündinger, beigeordnet. Ein Nachrichtentrupp und eine Minenwerferabteilung wurden gebildet. Es folgten in Gent noch eine Reihe von Besichtigungen, die darin gipfelten, daß wir die Ehre hatten, vom Oberbefehlshaber der 4. Armee, Herzog Albrecht von Württemberg, begrüßt zu werden. Jetzt erfuhren wir auch unsere neue Bestimmung, nämlich, daß wir an der Yser Verwendung finden sollten.


Persons: Heußner, Harry · Kündinger, Oberstleutnant · Württemberg, Herzog Albrecht von
Places: Aalst · Belgien · Dendermonde · Elsass · Gent · Hanau · Hersfeld · Rußland · Serbien · Spandau
Keywords: Bahnhof · Kaserne · Landsturmbataillon Hanau · Landsturmbataillon Spandau · Pflicht · Ulanen
Recommended Citation: „Harry Heußner, Das Landsturm-Infanteriebataillon Hersfeld in Belgien, 1914-1918, Abschnitt 8: Bereitschaft zum Frontdienst, Juli 1916“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/44-8> (aufgerufen am 27.04.2024)