Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Karl Wilhelm von Meister, Zeitungsberichte des Regierungspräsidenten in Wiesbaden an den Kaiser, 1914-1918

Abschnitt 10: Bericht vom 26. Januar 1917 (6)

[1112-1113] Kriegsfürsorge

Die Opferfreudigkeit in den besitzenden Kreisen des Regierungsbezirks Wiesbaden ist stets eine bemerkenswerte gewesen. Seitens einiger großindustrieller Unternehmungen sind umfangreiche Stiftungen gemacht worden, aus denen satzungsgemäß Kriegsteilnehmer, welche durch Kriegsbeschädigung oder in anderer Weise infolge des Krieges in ihrem Erwerbe beeinträchtigt sind, sowie in Not befindliche Angehörige von Kriegsteilnehmern zu unterstützen sind. Hierfür haben die Zinsen des Stiftungskapitals und außerdem dieses selbst so weit Verwendung zu finden, daß das gesamte Kapital im allgemeinen in etwa 40 Jahren erschöpft ist.

Für den bedeutenden Umfang, den die Fürsorge für die Angehörigen der Kriegsteilnehmer angenommen hat, ist die Tatsache bezeichnend, daß bis Ende Dezember 1916 allein seitens der Stadt Frankfurt a.M. rund 16 112 Millionen vorlagsweise gezahlt sind und daß die vorläufig noch als dauernde Belastung der Stadt erscheinenden Mehraufwendungen nach Abzug der vom Reiche und Staate gewährten Beihilfen sich Ende 1916 auf rund 20 Millionen belaufen. In Wiesbaden beläuft sich diese Summe auf 5,8 Millionen. Aber nicht nur für die Angehörigen der Krieger bemüht man sich ausreichend zu sorgen, allgemein im Volke wird es auch als die vornehmste Dankespflicht empfunden, für eine glückliche Zukunft der Krieger alles Erforderliche in die Wege zu leiten. So haben sich für solche Kriegsteilnehmer, die bei der Rückkehr aus dem Felde Schwierigkeiten in der Fortführung ihres Gewerbetriebes finden sollten, z.B. für kleine Kaufleute und Handwerker, aber auch für Ärzte und Rechtsanwälte, die einen Teil ihrer Kundschaft verloren haben, Kriegskreditkassen mit erheblichen Kapitalien gebildet. Der Landesausschuß für Kriegsbeschädigtenfürsorge in Frankfurt a.M. sorgt mit Unterstützung des Reiches und erheblichen Zuwendungen reicher Leute dafür, daß Kriegsbeschädigte, die infolge ihrer Verletzungen ihren früheren Beruf nicht mehr ausführen können, umlernen und wieder Freude an der Arbeit und am Leben gewinnen.

Nicht übergehen darf ich hier die umfassende Tätigkeit des Frankfurter Ausschusses für kriegsgefangene Deutsche, der nach dieser Richtung die Zentrale für ganz Süddeutschland bildet und eine Geschäftsstelle unterhält, in der annährend 800 Personen arbeiten. Dieser Ausschuß, der in engster Fühlung mit dem Kriegsministerium arbeitet, erzielt fortgesetzt erfreuliche Erfolge in der Ermittelung und Versorgung von Kriegsgefangenen. Um unsere tapferen Truppen das Getrenntsein von den Ihrigen an dem Weihnachtsfest weniger schwer empfinden zu lassen, hat es sich die [1113] Frankfurter Kriegsfürsorge für den ganzen Regierungsbezirk zur Aufgabe gestellt, Anfang Dezember 1914, 1915 und 1916 große Transporte von Liebesgaben, deren Wert etwa 8 Millionen Mark betrug, in Front und Etappe zu schicken. So wird auch seitens der Kämpfer hinter der Front in rastloser Arbeit versucht, zu m endgültigen Sieg der deutschen Waffen nach Möglichkeit mit besten Kräften beizutragen.

v. Meister
Regierungspräsident


Persons: Meister, Karl Wilhelm von
Places: Frankfurt · Wiesbaden
Keywords: Fürsorge · Hessen · Kriegsgefangene · Landesausschuß für die Kriegsbeschädigtenfürsorge im Großherzogtum · Liebesgaben · Stiftungen · Verteidigungsministerium · Weihnachten
Recommended Citation: „Karl Wilhelm von Meister, Zeitungsberichte des Regierungspräsidenten in Wiesbaden an den Kaiser, 1914-1918, Abschnitt 10: Bericht vom 26. Januar 1917 (6)“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/32-10> (aufgerufen am 27.04.2024)