Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Ignaz Hautumm aus Fulda über einen Sturmangriff auf englische Stellungen in Flandern, 1916

Abschnitt 3: Schlüsse aus dem siegreichen Vorgehen gegen die Engländer

Liebe Frieda, willst du nun meine Eindrücke wissen, die ich hatte? Heraus des am Graben und heran mit einer Freudigkeit, die ich dir nicht beschreiben kann, kein Funken Angst oder Furcht, keine Gedanken an dich noch die meinen, kein Gedanken an den Tod oder sonst etwas, sondern ran an den Feind, mag kommen was kommen mag. Und unseren deutschen Soldaten macht uns kein Staat der Erde nach, das habe ich gesehen und das hat mich mit unendlichen Stolz erfüllt. Es war zwar Freiwillige, doch einige davon waren erst vor ein paar Tagen gekommen und hatten sich gemeldet, hatten überhaupt noch kein Artilleriefeuer gehört und als unseres einsetzte, saßen sie in den Unterständen und haben gezittert und hätten sich wo anders hingewünscht, und als wir aber erst aus dem Graben heraus waren, da waren sie wie umgewandelt. Ich lüge wirklich nicht, aber mit Jauchzen ging es vorwärts, das Herz zum zerspringen voll. Da hätten tausende von Engländern da sein dürfen, wir wären vor, und wenns unserer sicherer Tod gewesen wäre. Dann diese feigen Engländern, ich hätte mich nicht gefangen nehmen lassen, sondern gekämpft bis zum Tode. Als wir die Kerle so ausreißen, wie sie die Gewehre wegwarfen, um besser rennen zu können, da überlief mich der Ekel. Wir haben allen Respeckt vor ihnen verloren. Die wußten ja nicht wie stark wir waren und mußten sich doch erst einmal stellen, aber nichts von alledem. Ein paar Helmspitzen und die Tapferkeit, von der ich früher viel habe sagen hören, war flöten. Mag sein, daß, wenn sie wußten, daß sie in großer Übermacht gewesen wären, standgehalten hätten. Ferner habe ich gesehen Deutschland ist Deutschland. Die Gräben der Engländer und unsere ein Unterschied wie Tag und Nacht. Wir haben wenn wir in Ruhe liegen, viel Arbeitsdienst und zwar werden die Gräben stets mehr ausgebaut. Wir haben diesen Dienst oft verflucht, aber jetzt gesehen, was unsere Gräben wert sind gegen diejenigen der Engländer. Unsere sind so stark daß tagelanges Feuern der Engländer nicht das erreichen würde was wir in 2 Stunden erreicht haben. In unseren Gräben sind die Wände stark verankert, die Unterstände bombensicher, alles mit Wasserrinnen versehen, trockene Gewehrstützen, alles tadellose Ordnung und was die Hauptsache ist eine mehrere starke Deckung. Die englischen Gräben sind niedrig, ganz schwache Unterstände, kaum ausgebaut und mit Schlamm gefüllt, kein[e] Ordnung. Für die Engländer darf der Krieg keine Arbeit bedeuten, sonst streickt er. Dieselben haben nun noch die ganze Nacht unseren Graben stark beschossen, ohne auch nur mehr erreicht zu haben, als daß ein paar Sandsäcke herein gefallen sind. Nicht die geringste Verwundung in der ganzen Kompagnie und das erklärt auch daß wir solange wir im Graben sind, selten ein Fall von Verwundung oder gar ein tötlicher, vorkommt und wir fühlen uns in unserem Graben sicher. Also du siehst, daß du leicht um mich keine Angst zu haben brauchst. Wir greifen auch so rasch nicht wieder an, weil wir ja bloß einmal einen Einblick in die englischen Stellungen haben wollten, was ja geschehen ist. Und die Engländer? Ich glaube die haben vor unsere Artillerie einen Respeckt bekommen, daß die nie wagen herauszugehen, was ihnen elend bekäme.


Persons: Hautumm, Ignaz · Neuber, Frida
Keywords: Feldpost · Feldpostbriefe · Schützengräben · Kriegsfreiwillige · Artillerie · Unterstände · Engländer · Gewehre
Recommended Citation: „Ignaz Hautumm aus Fulda über einen Sturmangriff auf englische Stellungen in Flandern, 1916, Abschnitt 3: Schlüsse aus dem siegreichen Vorgehen gegen die Engländer“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/105-3> (aufgerufen am 25.04.2024)