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Mobilmachungsanweisung für die Gemeindevorsteher, S. 4-5

↑ Mobilmachungsanweisung für die Gemeindevorsteher, 1904

Abschnitt 2: Seite 4-5

[4-5] [S. 4]

Beschaffung der vorgeschriebenen oder sonst zweckmäßigen Formulare (z. B. für Stammrollen, Verteilungslisten aller Art, Quartierbilletts, Bescheinigungen über ausgeführte Leistungen usw. usw.) — hierdurch kann viele Mühe gespart werden.

Von allen Beamten darf erwartet werden, daß sie, soweit der Dienst es verlangt, ihre Kräfte bis aufs Äußerste anspannen und auch bei solchen Geschäften Hilfe leisten, die außerhalb des Rahmens ihrer Dienstpflichten liegen; ist es nötig, so müssen bezahlte Hilfskräfte angenommen werden; gute Dienste aber können in vielen Fällen zuverlässige Freiwillige tun, deren Anwerbung zu Botendiensten und anderen Hilfsleistungen dem Gemeindevorsteher, der Fühlung mit der Bevölkerung hat, nicht schwer fallen wird.

An die Zustimmung der Schöffen oder der Gemeindevertreter ist der Vorsteher bei seinen Anordnungen nur insoweit gebunden, als Gesetze, Verordnungen und Anweisungen dies vorschreiben, dagegen wird ihre freiwillige Mitwirkung oft von großem Nutzen und namentlich dann nicht zu entbehren sein, wenn es sich um Herbeischaffung von "Liebesgaben", Einrichtung von Erfrischungsstellen und Lazaretten oder Aufbringung sonstiger freiwilliger Leistungen handelt.

Allen vom Gemeindevorsteher zu treffenden Maßnahmen ist von vornherein der erforderliche Nachdruck zu ihrer schnellen Ausführung zu geben. Bösem Willen und Widerstand gegen obrigkeitliche Anordnungen ist mit den gesetzlichen Zwangsmitteln entgegenzutreten, und zwar sofort mit dem schärfsten Mittel, wenn nur dies den Erfolg genügend sicherstellt. Handelt es sich um persönliche Leistungen (Gestellungen usw.), so ist ohne weiteres unmittelbarer Zwang (Vorführung durch Polizeidiener usw.) anzuwenden. In anderen Fällen wird meist die Androhung und Ausführung des Geeigneten auf Kosten des Pflichtigen (anderweite Unterbringung der Einquartierung, freihändiger Ankauf des zu Liefernden usw.) am sichersten zum Ziele führen. Stehen unmittelbare Truppeninteressen in Frage, so kann etwa anwesendes Militär um Vermittelung und Beistand angegangen werden; eine Verpflichtung der Truppen, dem Ansuchen zu entsprechen, besteht jedoch im allgemeinen nicht.

Truppen gegenüber ist ein ruhiges, bestimmtes und höfliches Auftreten dringend geboten; Reibereien und Streitigkeiten ist in jeder Weise vorzubeugen. Sollten Ausschreitungen von Militärpersonen vorkommen, so ist der nächste militärische Vorgesetzte mit der Bitte um Abhilfe sofort davon in Kenntnis zu setzen.

Falls Personen des Beurlaubtenstandes oder ausgehobene Landsturmpflichtige wegen der ihnen vor oder nach ihrer Einberufung obliegenden militärischen Pflichten oder Rechte sich an den Gemeinde-


[S. 5] vorsteher wenden, so sind sie stets an die Militärbehörde (Bezirksfeldwebel, Bezirksoffizier, Bezirkskommando) zu verweisen.

Ist sich der Gemeindevorsteher im einzelnen Falle über die zu ergreifenden Maßnahmen nicht klar, so hat er ungesäumt von seiner vorgesetzten Behörde unter klarer Darstellung der Sachlage Verhaltungsmaßregeln zu erbitten; bis zum ergehenden Bescheide hat er alles zu tun, was in seinen Kräften steht, um das nächstliegende Bedürfnis zu befriedigen und die militärischen Interessen wahrzunehmen.

Der gesamte Schriftverkehr in Mobilmachungsangelegenheiten muß als geheim behandelt und unter »Eigenhändig« befördert werden.

Beunruhigenden Gerüchten über militärische Ereignisse hat er, soweit tunlich, auf den Grund zu gehen, jedem unbegründeten öffentlich entgegenzutreten und auch bei begründeten die Bevölkerung zu Mut und Besonnenheit zu mahnen. Anscheinend wichtige Nachrichten, von denen anzunehmen ist, daß sie den Militär- oder Zivilbehörden noch nicht bekannt sind, hat er diesen schleunigst zu melden. Dies gilt namentlich für Grenzbezirke.

Feindliche Spione, des Hoch- oder Landesverrats Verdächtige sind sofort und derart festzunehmen, daß ihr Entweichen ausgeschlossen ist. Unzuverlässige Elemente sind zu beobachten.

Bei überraschendem Einbrüche des Feindes gilt es vor allem, im Amte und am Amtssitze auszuharren. Dann nützen keine Regeln, sondern es helfen nur die zum Anfang dieser Einleitung hervorgehobenen Charaktereigenschaften: Mut und Entschlossenheit, Ruhe und Besonnenheit, Diensteifer und Pflichttreue!

Die für den Gemeindevorsteher im Falle einer Mobilmachung wichtigsten Bestimmungen finden sich in:

1. der deutschen Wehrordnung vom 22. November 1888, Neudruck vom 22. Juli 1901 (Beil. zu Nr. 32 d. Zentralblattes f. d. Deutsche Reich 1901),
2. dem Gesetz über die Kriegsleistungen vom 13. Juni 1873 (Reichs-Gesetzbl. 1873, S. 129) nebst den Ausführungsverordnungen dazu vom 1. April 1876 (Reichs-Gesetzbl. 1876, S. 137), 18. April 1882 (Reichs-Gesetzbl. 1882, S. 47), 6. Juni 1885 (Reichs-Gesetzbl. 1885, S. 197. 14. April 1888 (Reichs-Gesetzbl. 1888, S. 142 [und vom 29. Dezember 1906 (Reichs-Gesetzbl. 1907, S. 5)],
3. der Pferdeaushebungsvorschrift vom 1. Mai 1902 (Armeeverordnungsblatt 1902, S. 150),
4. dem Gesetz, betreffend die Unterstützung von Familien in den Dienst eingetretener Mannschaften vom 28. Februar 1888 (Reichs-Gesetzbl. 1888, S. 59),


Recommended Citation: „Mobilmachungsanweisung für die Gemeindevorsteher, 1904, Abschnitt 2: Seite 4-5“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/100-2> (aufgerufen am 25.04.2024)