Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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5721 Gelnhausen
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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 101. Gelnhausen

Gelnhausen Karten-Symbol

Gemeinde Gelnhausen, Main-Kinzig-Kreis — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1280

Location

63571 Gelnhausen, Brentanostraße 8 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Hanau

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

1170 fasste Kaiser Friedrich I Barbarossa drei Dörfer an der Fernstraße Frankfurt––Leipzig zusammen und verlieh ihnen als Gelnhausen den Status einer Reichsstadt. Nur wenig später entstand auf einer Kinziginsel die Kaiserpfalz, die in Teilen bis heute existiert. Ihre wirtschaftliche Blüte, zu der vor allem die Verleihung des Marktrechtes beitrug, hatte die Stadt in den beiden folgenden Jahrhunderten. Nach Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg konnte Gelnhausen nicht mehr an seine alte wirtschaftliche Bedeutung anknüpfen. 1803 verlor sie ihren Status als Reichsstadt und war bis 1974 Kreisstadt.

Neben der eigentlichen Stadt bestand bis 1895 der administrativ selbstständige Burgbezirk, in dem auffallend viele Juden lebten. 1811 nahmen hier 42 Personen feste Familiennamen an, während es in der Stadt Gelnhausen 51 waren.1 Auch wenn sie über eigene Einrichtungen verfügten - im 18. Jahrhundert wurde ein eigener Vorsteher erwähnt und bis in das 19. Jahrhundert bestand eine eigene Mikwe - nutzten sie die städtische Synagoge, die Schule und den dortigen Friedhof.

Es ist davon auszugehen, dass bereits zur Zeit des 1265 geschlossenen Landfriedens Juden in der Stadt wohnten. Der älteste gesicherte Nachweis stammt allerdings erst aus dem Jahr 1280. Sie unterstanden, wie auch die christlichen Bewohner der Reichsstadt, zunächst direkt dem Kaiser, an den sie ihre Abgaben zu entrichten hatten. Der Kaiser dagegen hatte das Recht, diese Einkünfte zu verkaufen oder zu verpfänden, was für Gelnhausen bereits seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert nachgewiesen ist.2

In der Mitte des 14. Jahrhunderts gab es eine Synagoge in einer Judengasse, in der sich auch Wohnungen befanden. Im Zuge der Pogrome am Ende der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurden ihre Bewohner zusammengetrieben und verbrannt. Ihre Leichen verscharrte man außerhalb der Stadt.3 Es sollte aber nur wenige Jahre dauern, bis sich 1362 wieder Juden in der Stadt niederließen. Ihre Zahl lag Ende der 1360er Jahre bereits bei über 30 Personen4 und stieg bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts weiter an. Zu einem zweiten Pogrom kam es 1576, als auf Befehl der Pfandherren alle Juden aus der Stadt vertrieben wurden. Bereits um 1600 ist eine abermalige Niederlassung nachweisbar. Die Juden bauten 1601 eine Synagoge und richteten spätestens 1616 einen Friedhof ein. Zur Synagogengemeinde zählten auch die in Altenhaßlau lebenden Juden.

In der Judengasse, der späteren Brentanostraße, entstand um einen kleinen zentralen Platz mit Brunnen ein jüdisches Zentrum mit Synagoge, Gemeindehaus, Mikwe sowie Wohn- und Schulhaus, das von einer Immunitätsmauer eingefasst war. Im Wohnhaus lebte zeitweise der sowohl bei Christen als auch bei Juden als Wundertäter bekannte Rabbiner Schmuel Warburg. Nach ihm wirkte der 1847 verstorbene Naftali Hirsch Kunreuther in der Gemeinde, der eine bedeutende Schule führte. Ob dies tatsächliche eine Jeschiwa war, wie Arnstein anführt5 , kann heute nicht mehr abschließend geklärt werden. Beide Gelehrte wurden in Gelnhausen bestattet.

Am Ende des 17., Anfang des 18. Jahrhunderts muss es einen starken Zuzug von jüdischen Familien gegeben haben, denn 1711 wurden die Vereine Chewra Kadischa, Gemulith-Chasodim und Kabronim gegründet. Nach Arnsberg ist es naheliegend, „daß die Vereine nach Frankfurter Vorbild gegründet wurden, zumal um diese Zeit anscheinend wieder mehrere Frankfurter Familien (nach Brand in der dortigen Judengasse) in Gelnhausen Obdach fanden.“6 In dieser Zeit nutzten auch die im Burgbezirk wohnenden Juden Friedhof, Synagoge und Schule in der Stadt. Doch hatten sie sich nicht an der Gründung der Vereine beteiligt, weshalb es zu einem Streit kam, der 1736 durch einen Prozess beendet werden sollte. Daraus haben sich zwei Gutachten erhalten, die ein wenig Aufschluss über den Situation geben. Eines empfahl den Juden in der Burg, sich von denen in der Stadt auch offiziell abzuspalten und eine eigene Schule zu errichten. Ausschließlich das Recht, den Friedhof auch weiterhin zu nutzen, sollte bestehen bleiben. Das andere Gutachten lehnte den Bau mit der Begründung ab, die Streitigkeiten gründeten nur auf einem heimlichen „Mißtrauen unter den beyden Vorstehern“.7 Leider ist nicht überliefert, ob es zu diesem Prozess kam und wie die Streitigkeiten beigelegt wurden.

Die Zahl der jüdischen Familien in Gelnhausen stieg von 33 in 1734 über 40 Ende der 1740er Jahre auf 66 im Jahre 1750. 1823 waren es etwa 70 Familien.8 1835 lag die Anzahl der Personen bei 261, was etwas mehr als 7 Prozent der Gesamtbevölkerung (3.595 Personen) entsprach. Gleichzeitig lebten in der Burg Gelnhausen insgesamt 352 Menschen, von denen 140 Juden waren.9 Ende des 19. Jahrhunderts gab es 16 jüdische Händler, fünf Mehl- und Fruchthändler, acht Schnittwarenhändler, drei Posamenten-, Mode-, Kurz- und Wollwarenhändler, drei Kolonialwarenhändler, drei Tabakwarenhändler, zwei Lederhändler, zwei Weinhändler, einen Schuhhändler, zwei Agenturen, zwei Banken, drei jüdische Wirtschaften, drei Metzger, einen Sattler und einen Kappenmacher. Bis um 1900 kamen ein jüdischer Arzt und ein Rechtsanwalt hinzu.10

Die 1833 in Kurhessen eingeführte staatsbürgerliche Gleichberechtigung zwischen Christen und Juden bildete die Voraussetzung für eine zunehmende Integration in die Gelnhäuser Stadtgesellschaft. Anlässlich des 25. Jahrestags der Schlacht von Sedan, an der auch drei jüdische Soldaten aus Gelnhausen teilgenommen hatten, veranstaltete die Gemeinde am 31. August 1895 eine Gedenkveranstaltung in der Synagoge.11

1906 erwirkte die jüdische Gemeinde die Umbenennung der Judengasse in Brentanostraße.12

Im Ersten Weltkrieg fielen sieben jüdische Soldaten aus Gelnhausen.

Um 1930/31 lebten etwa 70 jüdische Familien in der Stadt.13

Bereits vor der Machtübergabe 1933 kam es zu Pöbeleien gegenüber Juden und erstmals im Dezember 1932 wurden jüdische Geschäfte boykottiert.14 Bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 lag die NSDAP mit 57,1 Prozent der abgegebenen Stimmen in Gelnhausen deutlich über dem Schnitt auf Reichsebene mit 43,9 Prozent. Praktisch unmittelbar danach setzte die systematische Ausgrenzung jüdischer Menschen aus dem gesellschaftlichen Leben auch unter Anwendung körperlicher Gewalt ein. Bis Ende 1937 hatten fast alle jüdischen Geschäftsinhaber ihre Betriebe aufgegeben15 und viele waren aus der Stadt fortgezogen. Mitte des Jahres 1938 löste sich die Kultusgemeinde auf und verkaufte die Synagoge an einen Privatmann. Die Stadtoberen hatten zugesagt, man ließe die verbliebenen Menschen in Ruhe, wenn Gelnhausen bis zum 1. September „judenfrei“ wäre.16 Tatsächlich lebten bis zum 1. November 1938 keine Juden mehr in der Stadt.17 Gleichwohl konnten nur wenige ins Ausland flüchten. Die überwiegende Mehrzahl wurde deportiert und die meisten von ihnen ermordet.

1947 konstituierte sich eine neue jüdische Gemeinde Gelnhausen überwiegend aus Displaced Persons. Ihr Vorsitzender war der Sparkassendirektor Julius Lilienfeld, gleichzeitig vom 1. Oktober 1945 bis 30. Juni 1952 Bürgermeister in Rückingen. 1949 lebten ihre rund 50 Mitglieder in den seinerzeit noch selbstständigen Landkreisen Hanau, Schlüchtern und Gelnhausen. Ihre Zahl sank im Laufe der folgenden Jahre, weil die meisten Gemeindemitglieder nicht in Deutschland bleiben wollten. 1966 gehörten der Gemeinde 43 Männer aus Hanau, Rückingen, Gelnhausen, Bischofsheim, Dörnigheim, Bergen-Enkheim und anderen Orten an.18

Heute gibt es in Gelnhausen keine jüdische Gemeinde mehr.

Betsaal / Synagoge

Der älteste Hinweis auf eine Synagoge stammt aus dem Jahr 1352.

Nach der Vertreibung 1576 und der Wiederansiedlung um 1600 wurde bereits 1601 eine neue Synagoge errichtet und 1650 nach Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg erneuert.

Vermutlich kamen mehrere Faktoren zusammen, die eine erhebliche Vergrößerung und Erneuerung des Gebäudes in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts notwendig machten. Dies war genau die Zeit, in der die Zahl der Gemeindemitglieder deutlich anstieg. Zugleich hatte es sich bei der Erneuerung 1650 wahrscheinlich nur um Notreparaturen gehandelt und es wurden abermals Baumaßnahmen notwendig.

Am 6. Juni 1736 stellte die Gemeinde daher den Antrag, „ihre Synagoge größer zu bauen“.19 Erst zwei Jahre später, am 4. Juli 1738 erging die Genehmigung „In Causa hiesiger Judenschaft, die Erweiterung und Vergrößerung der allhiesigen Synagoge betreffend“. Gegen Zahlung von 100 Gulden an die Stadtkasse wurde der Bau gestattet. Weiter heißt es: „Es sollen gemeiner Judenschaft die hier wegen vorhabende Erneuer- und Erweiterung ihrer allhier habenden Synagoge zu Gemeiner Stadt Gelnhausen [...]“ gestattet werden, auf dem „[...] dazu erkauften Platz, nach dem ad Acta gegeben Ab- und Grund-Riß, außer keinen hohen Thurm darauf zu setzen, noch eine Klocke darinn zu henken, nach eigenem Gefallen und Belieben, ohne alle Ausnahme zu bauen, auch den übrigen Platz nach ihrer conoenierten Gelegenheit, mit einem Schul- oder sonstigem nöthigen Haus zu verbauen“.20 Neben dem Verbot, einen Turm und eine Glocke anzubringen, enthält der Bescheid eine weitere, sehr bedeutsame Einschränkung: Sollten sich die Gebäude künftig als zu klein erweisen, beschädigt werden oder gar in Verfall geraten, so waren Reparaturen und Wiederaufbauten grundsätzlich ebenfalls zu genehmigen. Allerdings durften die Gebäude nicht vergrößert werden. Wörtlich heißt es dazu: „[...] daß sie jedes mahlen auf dem jetzt angelegten Fundament verbleiben sollen [...]“.21 Damit waren die Grundrisse festgeschrieben. Vermutlich ist dies einer der Gründe, warum sich die Synagoge bis heute in der damals errichteten Form erhalten hat. Zudem lässt die Wortwahl der Genehmigung darauf schließen, dass es sich um einen Neubau handelte.

Um den Bau finanzieren zu können, hatte die Gemeinde bei dem Fuldischen Hofrat Dr. jur. Samuel Lucius ein Darlehen in Höhe von 2.500 Gulden erbeten. Die seinerzeit ausgefertigte Schuldverschreibung wurde von 18 männlichen Juden unterzeichnet, die teilweise in der Stadt, teilweise in der Burg wohnten.22

Rund 100 Jahre später, 1834, war das Synagogengebäude abermals schadhaft geworden. Die projektierten Kosten beliefen sich auf rund 2.000 Gulden. Bei der Schuldenaufnahme bezog sich die Gemeinde auf ein Gutachten des Oberbaumeisters Schulz, der festgestellt hatte, dass das Dach verfault war, wodurch sich „nicht nur die vordere Mauer, worinn die Fenster angebracht sind, hinaus gedrückt hat, sondern auch das Gewölbe hat dadurch große Brüche bekommen“.23 Vermutlich wurde die Reparatur noch im gleichen Jahr ausgeführt, denn in einem Schreiben von 1835 hieß es, die Baukosten seien durch ein Darlehen, Spenden, Eigenmittel und den Verkauf von Synagogensitzen aufgebracht worden. Diese Sanierung ist durch einen Sandstein mit der Jahreszahl 1835 an der Südwestecke dokumentiert.

Am Abend des 3. Juni 1938 wurden als Schikane die Zugänge zur Synagoge vermauert. Während ihrer Öffnung, warfen Schaulustige mit Steinen und zerstörten die Fenster.24

Nicht zuletzt durch den Rückgang der Gemeindemitglieder konnte die Synagoge Ende der 1930er Jahre nicht mehr genutzt werden. Der letzte Vorsteher bot sie dem Obsthändler Pfeil zum Kauf an und man einigte sich in einem ersten Kaufvertrag vom 8. Juli 1939 mit Ergänzungen vom 12. Juli auf einen Kaufpreis in Höhe von 14.000 Reichsmark. Dies erschien dem Kreisausschuss als zu hoch und er setzte ihn auf 10.400 Reichsmark herab.25 Im Kaufpreis nicht enthalten waren der Altar, das Vorleserpult mit sämtlichen Stehleuchtern, die Steine mit hebräischen Inschriften, die Gefallenengedenktafel einschließlich Lampe, die leider nicht näher bezeichneten Verzierungen der Ostwand sowie die Mobilien in Betsaal und Schule.26

Vor dem Verkauf befanden sich in der Synagoge vier antike Thorarollen und 24 weitere Rollen, vier antike Thorakronen aus schwerem Silber und sechs weitere, ebenfalls aus Silber, vier Paar silberne antike Thoraaufsätze mit Schellen, vier silberne antike Thoraschilder, sechs weitere silberne Thoraschilder, vier silberne antike Lesefinger, 15 weitere silberne Lesefinger, vier antike mit Gold bestickte Thoramäntel, 55 weitere, ebenfalls mit Gold bestickte Thoramäntel, 50 antike, handgestickte Wimpel, 550 weitere handbemalte oder bestickte Wimpel, 4 antike Thoraschreinvorhänge mit Übervorhängen aus Plüsch, Samt, Seide, Brokat und reicher Goldstickerei, acht goldbestickte Thoraschreinvorhänge aus Plüsch, Samt, Seide und Brokat, vier goldbestickte Decken für das Vorleserpult, eine antike Ewige Lampe aus Gold, ein siebenarmiger Leuchter aus Messing, ein Brith-Milah-Leuchter ebenfalls aus Messing, ein Jahrzeitleuchter, zwei silberne Weinbecher, eine silberne Hawdallahgarnitur, 3 Schofarhörner, ein handbeschriebenes Megillah aus Pergament mit Mantel, 25 Gebetmäntel mit Silberborten, 20 Paar Phylakterien, 50 Gebetbücher, 30 Sätze Festtagsgebetbücher, ein Priesterwaschbecken aus Messing mit Kanne, 20 Trauergebetbücher, eine Trauertafel, zwei Trauerschemel und drei Almosenbüchsen. Der Gesamtwert wurde auf 380.065 D-Mark beziffert.27

Gemeindemitglieder brachten diese Gegenstände zur Verwahrung in das Verwaltungsgebäude der Israelitischen Gemeinde nach Frankfurt, wo sie im November 1938 zerstört wurden.28

Weil sich das Gebäude in christlichem Besitz befand, verzichtete der Mob in Gelnhausen auf einen Überfall in der Pogromnacht.

Im Laufe des Zweiten Weltkriegs wurde das Synagogengebäude an Dach und Fenstern beschädigt und der Anbau mit Treppe zur Frauenempore zerstört.

Nach dem Krieg, als sich die neue jüdische Gemeinde gebildet hatte, sollte sie instandgesetzt und wieder genutzt werden. Der Bürgermeister aus Gelnhausen hatte sich mit der Bitte um Unterstützung an die britische Militärregierung in Wiesbaden gewandt, die am 28. April 1947 darauf verwies, dass eine Sanierung nicht notwendig sei, weil es bereits einen Betraum in einem Privatraum in der Stadt gebe.

Zunächst erfolgte keine Einigung über die Übernahme der Kosten. Der Besitzer Pfeil wies darauf hin, dass die jüdische Gemeinde ihm die Synagoge 1938 zum Kauf angeboten und man sich auf einen Kaufpreis in Höhe von 14.000 Reichsmark geeinigt hatte. Nachdem dieser Kaufpreis nicht durch ihn, sondern durch den Kreisausschuss auf 10.400 Reichsmark herabgesetzt worden war, sah er sich als rechtmäßigen Erwerber. Diese Summe hatte er seinerzeit an die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland überwiesen. Gleichwohl erklärte er sich bereit, das Gebäude gegen Rückerstattung des Kaufpreises wieder zurück zu geben. Die Stadt Gelnhausen führte aus, dass eine Vielzahl der Gemeindemitglieder aus dem Kreis und darüber hinaus stammten, so dass sie allein die Kosten nicht übernehmen könne. Die Kreisverwaltung wiederum bat um finanzielle Beteiligung des Landes. Der Kostenvoranschlag für die Reparaturen belief sich auf rund 15.000 D-Mark. Bereits im November 1948 zeichnete sich ab, dass mittelfristig kein Bedarf mehr an dem Synagogengebäude bestand, weil die überwiegende Mehrzahl der Gemeindemitglieder auswandern wollte. Als dann am 6. Juni 1949 der Landesverband der jüdischen Gemeinde in Hessen mitteilte, kein Interesse an einem Wiederaufbau zu haben, wurde das Vorhaben aufgegeben.29

1969 erwarb die Kreishandwerkerschaft das Gebäude und plante, darin eine Lehrwerkstatt einzurichten. Dies konnte jedoch auf Initiative des Landeskonservators verhindert werden, der die Synagoge 1978 in das hessische Denkmalbuch eintragen ließ. Er beschrieb sie als schlichten Putzbau vom Typ einer barocken Saalkirche und Ergebnis eines Umbaus 1836. Das Innere aber war im Wesentlichen erhalten. Lediglich Gestühl, Beleuchtung sowie die „Vasa sacra und Schriften sind vernichtet oder verschleppt“30 . Zu der erhaltenen Ausstattung gehörten die Stuckdecken des Vorraums, die Fenster und Türen sowie eine hochinteressante schablonierte Ausmalung des späten 19. Jahrhunderts. Von besonderer Bedeutung aber war und ist bis heute der erhaltene barocke Thoraschrein.

In der folgenden Zeit lebten sogenannte Gastarbeiter darinnen.

1979 wurden die Nebengebäude einschließlich der Mikwe abgerissen.

Später erwarb die Stadt Gelnhausen das Synagogengebäude, das von 1983 bis 1986 saniert und zu einem Kulturzentrum umgebaut wurde. Es wurde am 25. September 1986 eingeweiht.31

Da das Synagogengebäude bereits vor der Pogromnacht verkauft worden war, überstand es weitgehend vollständig den Holocaust mit seinen Zerstörungen.

In der südlichen Traufwand befindet sich der von zwei kleinen Fenstern flankierte Hauptzugang, der ehemalige Männereingang. Er wird ein einem profilierten, leicht geohrten Sandsteingewände eingefasst, über dem sich ein Segmentgiebel mit zentraler Kartusche erhebt. Rechts des Eingangs ist die Rekonstruktion eines Chuppasteines in die Wand eingelassen.

Im Eingangsbereich stehen heute Vitrinen mit Objekten zur jüdischen Geschichte. An der Decke finden sich zwei Stuckfelder.

Links dieses Eingangsbereichs führt die Treppe zu der ehemaligen Frauenempore, nach rechts wird ebenerdig der frühere Männerbereich betreten.

Auch wenn die Inneneinrichtung durch den Kaufvertrag 1938 ausdrücklich vom Verkauf ausgeschlossen war, haben sich bedeutende Einrichtungsgegenstände erhalten. Besonders beeindruckend ist der erhaltene barocke Aron Hakodesch an der Ostwand, der sich über einem dreistufigen Podest erhebt. Zwei schwarze, marmorierte Säulen flankieren den Thoravorhang. Sie werden von je einer Vase bekrönt. Den oberen Abschluss bildet ein Segmentgiebel mit den beiden, mit hebräischen Buchstaben beschriebenen Gesetzestafeln. Er ist mit seiner traditionell-handwerklichen Bemalung ein einzigartiges Zeugnis der Synagogenausstattung. Die einzigen vergleichbaren bekannten Stücke, Fragmente einer ähnlichen Arbeit, werden im mainfränkischen Museum Würzburg aufbewahrt. Unmittelbar darüber befindet sich ein gekuppeltes Fenster, das abermals die Form der beiden Gesetzestafeln aufgreift.

Der Raum ist mit Sandsteinplatten belegt und wird nach oben durch eine bemalte Flachdecke abgeschlossen. Zwischen ihr und dem senkrechten Wandabschluss verläuft ein verziertes Stuckband.

In der Trennwand zwischen Vorraum und Männersynagoge befindet sich links und rechts des Zugangs je ein balusterartiger, abgefaster Sandstein, in dessen Oberfläche eine Aussparung eingearbeitet ist. Während sich der nördliche Stein in einer rechteckigen Nische befindet, steht der südliche in einer Nische mit Rundbogenabschluss. Nach Mühlinghaus handelt es sich hierbei um die ehemaligen Standorte zweier Spendenkassetten, wohl aus dem 17. Jahrhundert.32

Die Frauenempore nimmt die gesamte Breite des Raumes ein. Auch hier findet sich auf der Innenseite der Trennwand zum Vorraum ein Stein mit Aussparung eingelassen, über dem sich nun eine dreieckige Nische befindet, deren Basis deutlich über den Stein ausgreift.

Die ehemalige Synagoge dient heute unterschiedlichen kulturellen Zwecken und kann für standesamtliche Trauung genutzt werden.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

In der Synagogengemeinde gab es Anfang des 19. Jahrhunderts drei Mikwen. Eine befand sich in dem Privathaus von Bendit Rothschild in Altenhaßlau, eine weitere in der Stadt Gelnhausen und die dritte in der Burg. Alle drei waren 1831 durch den Kreisphysikus Dr. Grau besichtigt worden. Er fand die Badeeinrichtung in Altenhaßlau in schlechtem Zustand und ließ sie schließen.

Einzig die in der Stadt gelegene Mikwe befand sich in gutem Zustand. Sie war sowohl in Hinsicht auf ihre Lokalität, die Reinlichkeit und die vorhandenen Möglichkeiten zur Erwärmung des Wassers sowie des Wasseraustausches „ganz gesundheitsgemäß“33 eingerichtet. Zudem gab es einen separaten heizbaren Raum, in dem sich die Nutzer nach dem Bad abtrocknen und aufwärmen konnten.

Das Bad in der Burg hingegen befand sich in schlechtem Zustand. Es lag im Keller des Hauses von Abraham Höthen, das Wasser war verunreinigt und konnte nicht erwärmt werden. Weil der Gutachter es als gesundheitsschädlich einstufte, erging der Befehl „dessen ferneren Gebrauch […] zu untersagen“.34 Gegen die Schließung protestierte die Judenschaft der Burg und deren Ältester, Samson Haas, bot an, auf eigene Kosten eine heizbare Badestube einzurichten. Als Argument wurde vor allem angeführt, dass die Nutzer nach dem Bad bei jeder Witterung nach Hause laufen mussten, was ebenfalls gesundheitsschädlich war. Dagegen verwies die Gemeinde der Stadt auf den Aufwärmraum und erwähnte, dass auch Nutzer aus Altenhaßlau, was deutlich weiter entfernt lag, hier badeten und nach dem Aufwärmen nach Hause gingen. Zudem liege das Bad in der Burg ungünstig und würde bei jedem Hochwasser der Kinzig überschwemmt. Trotz mehrfachen Schließungsbefehls wurde das Bad in der Burg mindestens bis 1834 genutzt.

Die Mikwe in der Stadt befand sich in einem seitlichen Anbau an die Synagoge. Sie wurde Ende der 1970er Jahre abgerissen. Ein älteres Frauenbad soll in einem gewölbten Kellerraum unter der Synagoge liegen.35

Schule

In Folge der 1823 erlassenen kurhessischen Verordnung besuchten auch die jüdischen Kinder die öffentliche Schule in der Stadt. Daneben richtete die Religionsgemeinde eine Schule für den Religionsunterricht ein.36 Noch bis 1835 waren gleichzeitig mehrere Lehrer beschäftigt. Zwei Privatlehrer unterrichteten die Kinder wohlhabender Eltern, während der Gemeindelehrer die Ärmeren ausbildete und für die in der Burg lebenden Kinder war ein eigener Lehrer tätig. Zum 18. April 1836 bereinigte die Gemeinde die Situation und stellte Hirsch Schlesinger, einen der beiden Privatlehrer, für die 60 Kinder der Stadt, der Burg sowie aus Altenhaßlau und Bieber ein. Bis 1853 war ihre Zahl auf 72 gewachsen. In vier Klassen erhielten sich montags bis donnerstags jeweils nachmittags Unterricht in Hebräisch und Religionslehre. Von 1887 bis zu Beginn seines Ruhestandes 1916 war Maier Strauß Lehrer an dieser Schule. In seine Amtszeit fiel die Gründung des Literaturvereins Mendelsohn und die Feier zum 200-jährigen Gründungstag der Gelnhäuser Beerdigungsbruderschaften37 , der 1711 gegründen „Gemiluth-Chassodim“ und „Kabronim“38 .

Cemetery

1507 erhielten die Juden Gelnhausens einen Platz außerhalb der Stadtmauer zur Anlage eines Friedhofs. Hierbei handelte es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um den westlichen Bereich des heutigen, 3.353 Quadratmeter großen Friedhofs. Er liegt südöstlich des Schiffstors auf dem „Escher“, wo im Mittelalter Hinrichtungen und Hexenverbrennungen stattfanden. Bis heute haben sich 882 Grabsteine erhalten. Der älteste stammt aus dem Jahr 1616. Hier wurden die Verstorbenen aus der Stadt, aus dem Burgbezirk und dem Gerichtsbezirk Altenhaßlau bestattet. Zudem findet sich dort eine größere Zahl an Grabsteinen von Verstorbenen aus Wächtersbach.

Nach Erweiterungen 1764, 1831 und womöglich 1864 fand am 10. März 1938 die letzte Bestattung statt. Zu diesem Zeitpunkt war bereits verboten den Leichenwagen zu benutzen, so dass die Särge durch die Stadt getragen werden mussten. Immer wieder war dies Anlass, die Trauernden zu beschimpfen und mit Steinen zu bewerfen. Wenig später wurde der Friedhof geschändet, mit Abfall beschmutzt und viele Grabsteine umgeworfen.39

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Grabstätten

Gelnhausen, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

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  • Schwarz, Hans-Peter (Hrsg.): Die Architektur der Synagoge. Frankfurt 1988.
  • Weingärtner, Ulrike: Chronologie jüdisches Leben in Gelnhausen. In: Gelnhäuser Geschichtsblätter, 2008, S. 104-123.
  • Weingärtner, Ulrike: Jüdisches Leben in Gelnhausen in Spätmittelalter und Frühneuzeit. In: Gelnhäuser Geschichtsblätter, 2008, S. 67-103.

Illustration available

(in Bearbeitung)

Fußnoten
  1. HStAM 87, 111
  2. Hanke, 2004, S. 275
  3. Schnur, 2017, S. 59
  4. Schnur, 2017, S. 61
  5. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 242
  6. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 243
  7. HStAM 86, 20569
  8. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 241
  9. Mühlinghaus, 1986, S. 68
  10. Mühlinghaus, 1986, S. 68
  11. Hanke, 2004, S. 276
  12. „Gelnhausen endlich Judenfrei“, S. 3
  13. Hanke, 2004, S. 277
  14. Hanke, 2004, S. 279
  15. Hanke, 2004, S. 297
  16. Meyer, 1988, S. 66
  17. Hanke, 2004, S. 298
  18. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 245
  19. HStAM 86, 16523
  20. HStAM 86, 10739
  21. HStAM 86, 10739
  22. HStAM 81, B 1/69/2
  23. HStAM 180 Gelnhausen, 219
  24. Meyer, 1988, S. 66
  25. HHStAW 518, 1218
  26. HHStAW 503, 7357
  27. HHStAW 518, 1218
  28. HHStAW 503, 7357
  29. HHStAW 653, 2282
  30. HHStAW 504, 9691
  31. HHStAW 653, 2282
  32. Mühlinghaus, 1981, S. 106
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Recommended Citation
„Gelnhausen (Main-Kinzig-Kreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/153> (Stand: 21.7.2022)