Synagogen in Hessen
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- Großherzogtum Hessen 1823-1850 (Übersichtskarte mit handschriftlichen Ergänzungen) – 22. Darmstadt
Geinsheim
- Gemeinde Trebur, Landkreis Groß-Gerau — Von Wolfgang Fritzsche
- Basic Data ↑
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Juden belegt seit
1515
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Location
65468 Trebur, Ortsteil Geinsheim, Borngasse 5 | → Lage anzeigen
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preserved
ja
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Gedenktafel vorhanden
nein
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Weitere Informationen zum Standort
- History ↑
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Die archivalische Überlieferung zu einer jüdischen Gemeinde in Geinsheim ist denkbar schlecht. Als ältester Nachweis gilt bislang ein in Privatbesitz befindlicher Schutzbrief aus dem Jahre 1515 für einen Vorfahren der Familie Moses Mai.1 In die gleiche Zeit verweist eine 1878 in der Zeitung Der Israelit abgedruckte Erzählung, derzufolge Rabbi Joselmann um 1520 nach Geinsheim kam und dort sowohl eine jüdische Gemeinde, als auch eine Synagoge vorfand.2
Als gesichert gelten kann, dass die wenigen in Geinsheim ansässigen Juden in der Mitte des 18. Jahrhunderts sehr arm waren. Zu dieser Zeit hatten die einzelnen Familien Steuern zur Finanzierung der Landjudenschaft, einem Organ der jüdischen Selbstverwaltung, zu zahlen. Häufig kam es vor, dass diese Abgaben nicht entrichtet werden konnten, so dass dem Landesrabbiner 1754 auferlegt wurde, sich vor der Vollziehung einer Trauung zu informieren, ob alle Steuerschulden bezahlt wären. Als auch das nichts half, versuchte man mit dem Ausrufen des kleinen Bannes (Hachrasah) einzelne Individuen zur Zahlung anzuhalten. Da wohl die überwiegende Mehrzahl der Gemeindemitglieder aus Geinsheim Zahlungen schuldig waren, verhängte man gegen die ganze Gemeinde einen achttägigen Bann: „Wegen der Leute von Geinsheim, die in Bezahlung ihrer Steuern säumig sind, ist ein Schreiben an die Gemeinde Gerau, an die [dortige] Chewra Kadischa [Beerdigungsbrüderschaft] ´gangen, diese [säumigen Zahler] von alle´ Dingen in landjudenschaftlichen Angelegenheiten zu excludieren, bis selbe dem Steuererheber ihren Antrag würten zahlt haben, bei Strafe von 12 Reichstalern an die Obrigkeit.”3 Da auch das nichts nützte, beschloss die Landjudenschaft 1764, den Geinsheimer Mitgliedern die Hälfte der fälligen Steuern zu erlassen.
Um 1800 lebten neun Schutzjuden mit ihren Familien beziehungsweise Witwen in Geinsheim. Die Gesamtzahl lag bei 42, die meisten galten als so verarmt, dass sie entweder gar kein oder ermäßigtes Schutzgeld zahlten.4 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der Gemeindemitglieder an und erreichte 1857 mit 58 ihren höchsten Stand. Anschließend sank sie wieder.
Bis 1933 war die Zahl der jüdischen Bewohner auf drei Familien mit insgesamt 15 Personen gesunken. Noch im gleichen Jahr kam es zu ersten antisemitischen Übergriffen.
1934 wurden alle Juden aus Geinsheim vertrieben und das Dorf rühmte sich als erster Ort des Kreises „judenfrei” zu sein.5
- Betsaal / Synagoge ↑
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Ob es zu Mitte des 18. Jahrhunderts bereits eine Synagoge in Geinsheim gab, ist nicht geklärt. Später wurde im oberen Stockwerk des Hauses von Moses eine Betstube eingerichtet. In diesem Haus befand sich auch eine Privatmikwe (heute Oppenheimer Straße 30).
Bis 1813 war durch den Anstieg der Zahl der Gemeindemitglieder der Raum zu klein geworden, so dass die Gemeinde den Bau einer eigenen Synagoge beantragte. Zu diesem Neubau ist es aber nicht gekommen, denn 1814 erwarb die Gemeinde ein eigenes Haus in der Borngasse und richtete es zur Synagoge ein.6 Diese musste aber zum 30. Juli 1855 versteigert werden, ohne dass dafür ein Grund bekannt ist.7 Seitdem besuchten die jüdischen Einwohner aus Geinsheim die Synagoge in Trebur.
- Weitere Einrichtungen ↑
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Mikwe
Im frühen 19. Jahrhundert bestand eine Mikwe im Haus des Moses, die in der zweiten Hälfte dieses Säkulums in Verfall geraten war, so dass der Gemeindevorstand 1872 plante, eine neue bauen zu lassen. In der Begründung des Bauantrages heißt es, seit undenklichen Zeiten befände sich im Keller eines Privathauses „ein Loch, in welchem Quellwasser sich befindet, und dieses wurde seither von den meisten hiesigen Frauen benützt.“ Dieses Loch, so der Vorstand weiter, sei gesundheitsschädlich oder sogar lebensgefährlich und er forderte das Kreisamt auf, diese Mikwe stillzulegen. 1873 legte der Kreisbaumeister Wolf den Plan für einen Neubau vor. Die Kosten beliefen sich auf rund 400 Gulden. Unklar ist, ob der Bau wegen fehlender Mittel tatsächlich ausgeführt wurde.
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Schule
Über eine jüdische Schule in Geinsheim ist nichts bekannt geworden. Da die Gemeinde aber zeitweise einen Lehrer beschäftige, ist davon auszugehen, dass jüdischer Religionsunterricht erteilt wurde.
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Cemetery
Die Gemeinde bestattete ihre Verstorbenen auf dem Friedhof in Groß-Gerau.
- References ↑
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Weblinks
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Sources
- Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (HStAD):
- HStAD Best. G 15 Groß-Gerau, Nr. L 7: Bau und Unterhaltung israelitischer Frauenbäder, 1838–1886
- Gemeindearchiv Trebur:
- Geinsheim XIII Abt. 1 Konv. 1, Fasz. 13: Verzeichnis der in Geinsheim lebenden Schutzjuden mit Angaben über ihre Entrichtung des Schutzgeldes, um 1800
- Geinsheim XIII Abt. 1 Konv. 1, Fasz. 30: Bevölkerungsangelegenheiten, Tabelle jüdischer Bürger von Geinsheim, um 1800
- Geinsheim XIII Abt. 1 Konv. 1, Fasz. 33: Familienverzeichnis der jüdischen Familien von Geinsheim, 1807
- Geinsheim XIII Abt. 1 Konv. 3, Fasz. 4: Protokoll über die Vernehmung des Schutzjuden Abraham Gombel, 1807
- Geinsheim XIII, Abt. 3 Konv. 3, Fasz. 23: Synagoge und damit verbundene Fragen, hier: Bekanntmachung der Versteigerung der Synagoge, 1855
- Geinsheim XIII, Abt. 3 Konv. 3, Fasz. 27: Verschiedene Unterlagen zur Erbauung einer neuen Judenschule und einer Synagoge, 1813/14
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Bibliography
- Alicke, Klaus-Dieter: Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum. Gütersloh 2008
- Altaras, Thea: Synagogen und jüdische Rituelle Tauchbäder in Hessen – Was geschah seit 1945? 2. Auflage. Königstein im Taunus 2007
- Cohen, Daniel J.: Die Landjudenschaften in Hessen-Darmstadt bis zur Emanzipation als Organe der jüdischen Selbstverwaltung. In: Heinemann, Christiane (Red.): Neunhundert Jahre Geschichte der Juden in Hessen. Wiesbaden 1983 (Schriften der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen 6), S. 151–214
- Der Israelit vom 28. August 1978
- Schleindl, Angelika/Salomon, Hanna: Der jüdische Friedhof Groß-Gerau. Ein Beitrag zur Geschichte der Landjuden in Südhessen. Darmstadt 1993
- Schleindl, Angelika: Verschwundene Nachbarn. Jüdische Gemeinden und Synagogen im Kreis Groß-Gerau. Groß-Gerau 1990
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Illustration available
✓ (in Bearbeitung)
- Fußnoten ↑
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- Schleindl: Verlorene Nachbarn, S. 312 ↑
- Der Israelit, 28. August 1878 (s. Weblink) ↑
- Zitiert nach Cohen: Landjudenschaften, S. 166 ↑
- GemA Trebur, Geinsheim XIII, Abt. 1, Konv. 1, Fasz. 30 ↑
- Schleindl: Verlorene Nachbarn, S. 312 ↑
- GemA Trebur, Geinsheim XIII, Abt. 3, Konv. 3, Fasz. 27 ↑
- GemA Trebur, Geinsheim XIII, Abt. 3, Konv. 3, Fasc. 23 ↑
- Recommended Citation ↑
- „Geinsheim (Landkreis Groß-Gerau)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/36> (Stand: 26.4.2022)