Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Fulda Karten-Symbol

Gemeinde Fulda, Landkreis Fulda — Von Michael Imhof
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

vor 1235

Location

36037 Fulda, Am Stockhaus 2 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Fulda

preserved

nein

Jahr des Verlusts

1938

Art des Verlusts

Zerstörung

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Berichte über Pogrome an den Juden im Mittelalter sind oftmals die erste Erwähnung jüdischen Lebens in einzelnen Städten. So auch in Fulda.

Mit dem Pogrom an den Juden zu Weihnachten 1235 werden jüdische Bewohner für die Stadt Fulda erstmals urkundlich erwähnt. Der Vorwurf, die Kinder eines Müllers umgebracht zu haben, um ihr Blut zu rituellen Zwecken zu missbrauchen und durch Brandstiftung die Tat zu verschleiern, führte zu einem Lynchmord durch die aufgehetzte Bevölkerung. Ihm fielen die fünf in Fulda ansässigen jüdische Familien mit über 30 Personen zum Opfer. Nutznießer war die damalige christliche Mittel- und Oberschicht, die die Anteile der jüdischen Kaufleute am wirtschaftlichen Geschehen in und um Fulda übernahmen.1

Die Namen der Ermordeten sind im Memorbuch der jüdischen Gemeinde von Schlüchtern aufgezeichnet. Drei der ermordeten Familienvorstände trugen den Beinamen „aus Frankreich“. Möglicherweise waren sie vor Pogromen der Kreuzzugsheere auf deren Weg ins Heilige Land nach Osten geflohen und hatten in Fulda eine neue Heimat gefunden. Die Stadtentwicklung von Fulda mit der Verleihung des Markt- und Zollrechts im Jahr 1019 und die verkehrsgünstige Lage an großen Handelsstraßen machten die Stadt für jüdische Kaufleute zu einem interessanten Wohnort.

Das Fuldaer Massaker war kein Einzelfall. Auch in zahlreichen anderen Orten und Regionen kam es zu blutigen Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung unter dem Vorwand, Ritualmorde oder Hostienschändungen zu sühnen. Die Fuldaer Ereignisse aber erhielten reichsweite Bedeutung. Auf die Aufforderung des Fuldaer Abtes, den Stauferkaiser Friedrich II. (1212-1250) zu einer reichsweiten Bestrafung und Ausweisung der Juden zu bewegen, reagierte dieser mit einer europaweiten Untersuchung der Vorwürfe. Die Rückmeldungen lieferten keinerlei Beweise für die Anschuldigungen. Der Kaiser und später auch der Papst sprachen die Beschuldigten vielmehr von den ungeheuerlichen Bezichtigungen frei. Die Täter von Fulda allerdings wurden nicht bestraft.2

Um die Juden in Zukunft vor weiteren Übergriffen zu bewahren, stellte Friedrich sie unter seinen kaiserlichen Schutz. Sie wurden Teil seines kaiserlichen Regals, über das er persönlich verfügen konnte. Überwog bei den Stauferkaisern noch der Schutzgedanke, so verkam das Judenregal in der Folgezeit zu einer Handelsware, über die die Kaiser nach Gutdünken bestimmten.

65 Jahre später sind wieder Juden für Fulda belegt. Um seine Schulden bei dem Fuldaer Abt zu tilgen, verpfändete Kaiser Albrecht I. (1298-1308) im Jahre 1301 die Rechte an den „in seinen Städten und festen Orten befindlichen Juden“ an die Reichsabtei. Der Nachfolger auf dem Kaiserthron, Heinrich VII. (1308 bis 1313), verwandelte dieses Pfand 1310 in eine Schenkung.3 Für die Juden bedeutete dies eine Verschlechterung ihres juristischen und sozialen Status, da sie fortan den Entscheidungen regionaler und lokaler Herrscher ausgeliefert waren.

Als während der verheerenden Pest in den Jahren 1348 bis 1352 etwa ein Drittel der Bevölkerung starb, wurden die Juden bezichtigt, die Brunnen vergiftet zu haben. In Fulda wurde am 22. März 1349 die gesamte jüdische Gemeinde, ca. 180 Personen, in einem tumultartigen Pogrom ermordet.4

Oft waren solche Ausschreitungen mit Beschlüssen verbunden, keine Juden mehr in den Mauern der Stadt zu dulden. Trotzdem wurden in Fulda bereits 1367 wieder zwei jüdische Bewohner der „juden gassen“ erwähnt. Die Auswahl der zugelassenen Juden war vom Nützlichkeitsdenken der Landesherren geprägt. Bevorzugt machten sich die Fürstäbte die Gelehrsamkeit jüdischer Ärzte zu Nutzen. Die Quellen berichten von vier Medizinern, die von 1399 bis 1514 den Judenschutz der Fürstabtei erhielten.5

Seit Mitte des 16. Jahrhunderts wiesen die Einwohner- und Steuerlisten der Stadt Fulda eine kontinuierliche Zunahme der jüdischen Bevölkerung auf. Als Residenzstadt versprach Fulda mit den Bedürfnissen einer fürstlichen Hofhaltung erweiterte Handels- und damit Einkommensmöglichkeiten. Von 1566 bis 1604 stieg die Zahl der jüdischen Familien von 13 auf 70 Haushalte, 1615 lebten 85 steuerzahlende jüdische Familien in Fulda,6 während sich die Zahl der christlichen Einwohnerschaft zwischen 1571 und 1600 von 5.355 auf 6.210 erhöhte.7 Auf das Wohnviertel der Juden verweisen die damaligen Straßenbezeichnungen „Judengasse“, „Auf der Treppen“ (nach den Treppenstufen auf der Gasse zur Synagoge) oder „Am Judenbrunnen (Jüdenborn)“. Es war kein abgeschlossenes Ghetto. Christen wohnten neben Juden, selbst in der Judengasse.

Das Leben der Juden war durch Judenordnungen geregelt. Die überwiegend aus Verboten und Einschränkungen bestehenden Verordnungen trugen den Beschwerden der städtischen christlichen Bürger Rechnung, die die jüdischen Händler und Kaufleute als wirtschaftliche Konkurrenten empfanden. Entsprechend wurden der Warenhandel der Juden und ihre Teilnahme an den Wochenmärkten im Vergleich zu den Vorrechten christlicher Handwerkerzünfte und Kaufmannsgilden eingeschränkt. Diese Belastungen und Reglementierungen der jüdischen Minderheit von zunächst nur einer Handvoll jüdischer Familien setzten bereits 1535 ein und wurden in regelmäßigen Abständen, vor allem vor und nach der Wahl eines neuen Fürstabtes, immer wieder neu festgeschrieben.8

Die in den Judenordnungen niedergelegten Regulierungen des jüdischen Wirtschafts- und Alltagslebens waren in Gesetzesform gefasste und damit legalisierte Formen der Ausgrenzung. Rempeleien und Handgreiflichkeiten, verbale Attacken und Beschimpfungen, Belästigungen und Behinderungen erhielten einen staatlich geduldeten Rahmen.9 Die antijüdische Haltung beruhte keineswegs nur auf religiösen Vorbehalten, sondern waren Common Sense in der christlichen Mehrheitsgesellschaft.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass der Rat der Stadt samt Bürgerschaft sich weigerte, die jüdische Gemeinde zu schützen, als diese von einem durchziehenden Söldnerhaufen im Juli 1591 geplündert wurde, in der Geschichtsschreibung als „Fuldaer Tumult“ bekannt. Die Juden flüchteten zu ihren Glaubensgenossen in benachbarte Orte. Der kaiserlichen Anklage, den Überfall wohlwollend geduldet zu haben, folgte die Bestrafung der Stadt. Die Aggressionen gegen die jüdische Bevölkerung steigerten sich noch und kulminierten in wiederholten Forderungen der städtischen Räte von Fulda, Hammelburg, Brückenau und Geisa, die Juden aus fuldischem Territorium zu vertreiben.10

Fürstabt Bernhard Gustav von Baden-Durlach gab dem Druck nach. Am Tag seiner Amtsübernahme, dem 24. März 1671, verfügte er die Ausweisung der Juden aus dem gesamten Territorium der Fürstabtei. Innerhalb von drei Monaten mussten die jüdischen Einwohner ihren Hausbesitz verkaufen, ihre Außenstände einholen und das Stiftsgebiet verlassen. Nur fünf jüdischen Familien in Fulda und einer in dem Ort Flieden wurde der weitere Verbleib gestattet. Für die Fuldaer Juden wurde in der Gasse „Auf der Treppe“ ein Ghetto errichtet.11

Unter den nachfolgenden Fürstäbten der Barockzeit war der Zuzug von Juden wieder zulässig und die jüdische Gemeinde in Fulda erholte sich langsam. Im städtischen Beethregister (Steuerverzeichnis) von 1728/1729 werden 17 steuerpflichtige jüdische Haushalte genannt.12 Im Verzeichnis des jährlich stattfinden „Judenlandtages“ von 1762 sind für die Residenzstadt Fulda 28 jüdische Haushalte mit 146 Mitgliedern verzeichnet.13 Unter dem Einfluss napoleonischer Veränderungen nahmen diese Juden – sie waren inzwischen Einwohner des Großherzogtums Frankfurt – im Jahre 1811 deutsche Familiennamen an und erhielten 1813 unter Zahlung einer erheblichen Ablösesumme die Bürgerrechte.14

Für das Jahr 1827, zur kurhessischen Zeit, wurden 324 jüdische Einwohner gezählt (3,5 Prozent von 9.266 Einwohnern).15 Jüdische Unternehmer und Kaufleute nahmen bald rege an der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt und an ihrem kulturellen Leben teil.16 Mit der rechtlichen Gleichstellung der Juden durch die Verfassung des Deutschen Reiches von 1871, mit der Gewerbefreiheit und der Freizügigkeit stieg Ende des 19. Jahrhunderts im Jahr 1897 die Zahl auf 97 Haushalte, der jüdischen Bewohner in Fulda auf 440 an. Bis 1910 wuchs mit der Gesamtbevölkerung auch ihr jüdischer Anteil; 1925 zählte die jüdische Gemeinde 1.058 Personen (3,89 Prozent von insgesamt 27.753 Einwohnern).17

Unter dem Terror gegen die jüdischen Mitbürger und wegen ihrer Ausgrenzungen aus dem gesellschaftlichen Leben, der Berufs- und Schulverbote, des wirtschaftlichen Boykotts und der Gleichgültigkeit eines Großteils der Bevölkerung verließen viele der Fuldaer Juden ihre Heimat. Vor dem Terror in den Dörfern und Landstädten suchten etwa 600 Juden von dort eine Zuflucht in der Anonymität einer größeren Stadt wie Fulda. Von den 1.545 im Jahre 1933 gemeldeten Juden konnten 940 noch ihr Leben durch Flucht ins Ausland retten.18 Ende 1933 vermerkten die städtischen Behörden noch 1.029 Juden, 1934 961, 1935 925, 1936 873, 1937 780, 1938 613, 1939 310, 1940 265 jüdische Einwohner.19 Drei Todestransporte brachten die noch in Fulda lebenden Juden in die Vernichtungslager. Am 8. Dezember 1941 wurden 134 Frauen, Männer und Kinder in das Konzentrationslager Riga verschleppt. Ihm folgte die Deportation von 36 Fuldaer Juden am 30. Mai 1942 in Vernichtungslager im Raum Lublin und ihre Ermordung. Am 5. September 1942 wurden die letzten 76 noch in Fulda verbliebenen älteren jüdischen Mitbürger in das Konzentrationslager Theresienstadt verbracht und viele von dort in das Vernichtungslager Auschwitz. Nur wenige überlebten.20 Etwa 600 der 1933 in Fulda lebenden jüdischen Kinder, Frauen und Männer wurden in die Vernichtungslager deportiert und ermordet.

Nach 1945 wurde Fulda für zahlreiche jüdische Überlebende des Holocaust, sogenannte DPs (Displaced Persons), für kurze Zeit zur Zwischenstation, bis sie mehrheitlich nach Israel oder in die USA auswandern konnten. In Fulda existierte, zurückgezogen und in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, nur eine zahlenmäßig kleine jüdische Gemeinde.21 Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 übersiedelten zahlreiche Juden aus Osteuropa auch nach Fulda. Die Weitsicht des damaligen Oberbürgermeisters Dr. Hamberger hatte mit der Schaffung eines Jüdischen Kultuszentrums in der vormaligen jüdischen Schule schon in den 1980er Jahren die Infrastruktur geschaffen, dass sich in Fulda wieder eine jüdische Gemeinde mit zunächst über 600 heute 356 Mitgliedern bilden konnte, die ein reges Gemeindeleben entwickelte.

Betsaal / Synagoge

Der Anlass für eine der ersten urkundlichen Erwähnungen der Synagoge von Fulda war ihre Verwüstung im Jahre 1517. In einer Klageschrift vor dem Reichskammergericht vom 16. Februar 1517 erwähnte der kaiserliche Fiskal (Rechtsvertreter), dass die Synagoge und das Haus der Juden in Fulda geplündert worden seien. Dabei seien auch die Thorarollen zerrissen worden, die, „so fiel jar weither, dan sich menschen gedechtnis erstrecken mag, in derselben sinagog gewessen“.22 Der Hinweis, seit „menschen gedechtnis“, zeugt davon, dass es bereits Jahrzehnte vorher ein in der Stadt bekanntes jüdisches Bethaus an dieser Stelle gegeben hat, wie die Erwähnung „neben der Juden Schule“ in einem Kaufvertrag eines Hauses „auf der Treppe“ (Judenberg) des Jahres 1423 belegt.23 Als Synagoge ist ein Raum definiert, in dem sich eine Gemeinschaft von mindestens zehn religiös mündigen Juden – der Minjan (hebr. zählen) - regelmäßig zum Gebet wie dem Verlesen der Thora versammeln. Das öffentliche rituelle Gemeindegebet kann in einem privaten Betraum oder Bethaus stattfinden.24 Wenn auch nicht urkundlich belegt, kann daher davon ausgegangen werden, dass die in den Jahre 1235 und 1301, 1310 und 1349 urkundlich nachgewiesene jüdische Gemeinde in Fulda über Betstuben oder Bethäuser für ihre Sabbat-Gottesdienste, die religiösen Festtage, den Thora-Unterricht und die Gemeindeversammlungen verfügte. Die in den Quellen über die Pogrome genannten Zahlen der Opfer oder die pauschalen Nennungen in den Verpfändungs- und Schenkungsurkunden lassen diese Schlussfolgerungen zu.

Schon wenige Jahre später erhalten wir mit dem „Lehnsbrief über die Judenschule = Synagoge“ vom 12.3.1575 eine detailgenaue Beschreibung ihrer Lage „oben an der Ecken gegen Anton Holzscheren Behausung über und auf der anderen Seite an Hans Kochen stoßend" in den Gassen „Am Judenberg“ und „Hinter der Treppe“ (die Judengasse hatte Stufen). Die direkte Nachbarschaft neben dem Stockhaus, dem städtischen Gefängnis, weist den Platz als wenig angesehen aus. Er lag aber im Mittelpunk des jüdischen Viertels. Es war der Fuldaer Dechant Hermann von Windhausen, der das Lehen der „gemeinen Judenschaft“ des Ortes und ihren Erben erteilte. In dem Schriftstück wird auch darauf verwiesen, dass die Judenschule hier schon immer ihren Platz gehabt habe. Als Gegenleistung für die Überlassung wurde der Gemeinde auferlegt, „eine Tonne25 Hering, Kaufmannsgut auf den ersten Sonntag in der Fasten“ zu liefern.26

Die jüdische Gemeinde von Fulda hatte mit ihrer Jeshiwa, der Thoraschule, einen weit über Fulda hinausreichenden Ruf als Ort der jüdischen Gelehrsamkeit, und zog Thoraschüler von weit her an. Zu den gelehrten Rabbinern, die für das Renommee Fuldas sorgten, gehörte auch Meir ben Jakob HaKohen Schiff (MaHaRaM Schiff) (1605–1641), Im Jahre 1622, zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges, übernahm er im Alter von 17 Jahren das Amt des Provinzialrabbiners von Fulda. Er war einer der angesehensten Talmudgelehrten seiner Zeit. Seine „Novellen zu Talmudentscheidungen“ wurden vor allem in den jüdischen Gemeinden Osteuropas rezipiert. 1641 wurde er zum Rabbiner von Prag ernannt. Auf dem Weg dorthin starb er bei einem Familienbesuch in Frankfurt am Main mit 36 Jahren an der Cholera.27

Angesichts der Bedeutung Fuldas für die jüdische Gelehrsamkeit sollte die Stadt auch der Ort für eines von fünf geplanten Rabbinatsgerichten werden. Sie sollten die geistigen Gemeinsamkeiten des Judentums in Deutschland garantieren Diese Pläne stießen jedoch auf den Widerstand der Landesfürsten und ließen sich nicht durchsetzen.28

Die Synagoge überstand den Überfall auf die Juden von 1591, den Dreißigjährigen Krieg und die Vertreibung der Juden im Jahre 1671. Ab 1679 wurde es Juden wieder erlaubt, sich in Fulda anzusiedeln. Gleichzeitig wurden die Zahlungen für den Synagogenstandort, die sie zu leisten hatten, um die jährliche Abgabe eines silbernen Bechers im Wert von 24 Pfund jeweils zu Neujahr erhöht, wie der Vermerk vom Juli 1735 belegt.29

Ein Grundriss der Fuldaer Synagoge aus dem Jahre 1796 zeigt die aus der Liturgie abgeleitete Architektur und auch die Gebäude, die sie umgaben: ein geschlossenes Ensemble mit der „Männerschul“, als zentralem Raum, der „Weiberschul“, einer „Nebenschul“ (möglicherweise auch als Thoraschule genutzt), dem „Rabiner-Haus“, einem „Judenbad“, einem „Schulhof“ und einer „Loca“ (Toilette), zusätzlich „Nutzgebäude“ und weitere „Zimmer und Kammern“.30 Eine Geschlechtertrennung mit einer eigenen „Weiberschul“ hatte sich erst im frühen Mittelalter herausgebildet.31

Die wachsende Zahl ihrer Mitglieder – am 20. Februar 1797 bestand die Gemeinde aus 40 Haushalten32 - und wohl auch die Aufforderungen aus der Zeit des Landesherrn Heinrich von Bibra (siehe Kap. Schule) - bewogen die jüdische Gemeinde 1796/1797 zur Planung eines neuen Synagogenbaus. Im Juli 1797 nahmen die Planungen konkrete Formen an. Auch machte der bauliche Zustand des „Judenhauses“ nebenan eine Grundsanierung notwendig.33 Daher zeigen die Baupläne eine großzügige Neugestaltung des religiösen Zentrums. Es sollte einen großen Synagogenraum („die Schul“) für die männlichen Synagogenbesucher, einen abgeteilten Raum für die Frauen („Weiberschul“), Räume für Versammlungen und Unterricht („gemeine Stub“) sowie eine Mikwe („Judenbad“) umfassen. Die Gebäude waren als Fachwerkkonstruktionen vorgesehen. Um die Grundstücksfläche zu vergrößern, war der Ankauf eines benachbarten Grundstücks notwendig, das „Herzische Haus“ - so benannt nach dem Vorbesitzer.34 Unter dem Vorgängern Moyses Simon und Isack Beyfuß und später des Mendel Lazarus, Löw und Maier Hirsch wurden die Planungen vorangetrieben.

Die Planungen wurden mit dem Vizedomamt Fulda als Gundstückseigner eng abgestimmt.35 Die ersten Planungsrisse des Mauermeisters Hillenbrand, „ein großes Judenhaus statt des jetzt vorhandenen elenden Winkels“ zu errichten, wurden zunächst abgelehnt.36 In mehreren Ortsbesichtigungen mit den Gemeindevorstehern und Deputierten Moses Simon, Neil Beifus, Maier Hirsch, Löwi Hirsch und Mentel Lazarus sowie den Sachverständigen, Maurermeister Hillenbrand und Zimmermeister Mahr, entwickelte sich aber das Bauvorhaben. Hinzugezogen wurde auch Schultheis Anton Goll. Dabei wurde auch das einsturzgefährdete „Herzische Hauses“, das auf dem erweiterten Synagogengrundstück stand, durch Abstützen der Außenmauern gesichert. Während des anstehenden jüdischen Neujahrsfestes Rosch ha Shana und des Versöhnungstages Jom Kippur war nämlich aufgrund der vorgeschriebenen Feiertagsruhe im Judentum die Bautätigkeit unterbrochen.37 Hier zeigt sich, wie die jüdische Gemeinde in den Entscheidungsprozessen des Vizedomamtes über ihre Anliegen eine als Antragsstellerin akzeptierte Rolle einnahm. Auch in den weiteren Beratungen über die Neubaupläne für das Synagogenensemble und das anliegende „Judenhaus“ wird dies deutlich.

Die baulichen Vorschläge der kirchlichen Behörden gingen bis zu den Fenstergrößen, um das Tageslicht zur Erhellung der Innenräume zu nutzen, die Lage des Synagogeneingangs, den Bau eines Rabbinerhauses, des Judenbades Mikwe oder einer Wohnung für den Vorsänger im Dachbereich.38

Die bürgerliche Gleichstellung der Juden im Kurfürstentum Hessen-Kassel im „Gesetz vom 29. Oktober 1833 zur gleichförmigen Ordnung der besonderen Verhältnisse der Israeliten“ durch die Ständeversammlung, den Landtag in Kassel, die jetzt auch vom Fuldaer Magistrat unterstützt wurde,39 veränderte sich das soziale Klima gegenüber den Juden und begünstigte die Pläne zum Neubau einer Synagoge. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Vorhaben konkret. Um Platz für den Neubau an gleicher Stelle zu schaffen, wurde der vorherige Bau abgetragen. In der Zwischenzeit bis zur Einweihung des Neubaus fanden die Gottesdienste in einem „provisorisch eingerichteten Betlokal“ statt. Der Umzug in die Zwischenlösung fand 1857 „auf sehr feierliche Weise statt, wobei jedes Gemeindemitglied eine brennende Wachskerze trug“.40 Die Bauphase dauerte von 1856 bis 1859. Die neue Synagoge wurde – wie in der damaligen Zeit oft – im Stil des orientalischen Historismus entworfen.

Einen detaillierten Eindruck von der innenarchitektonischen Gestaltung der Synagoge vermitteln spätere Architekturentwürfe aus dem Jahr 1899. Sie zeigen, dass der den Männern vorbehaltene zentrale Synagogenraum großzügig angelegt war: dreischiffig, mit Säulen, Rundbögen und hohen Bogenfenstern nach Süden und Osten. Eine Treppe führte ins obere Stockwerk in die Galerie für die Frauen, die „Frauenschul“.41 Die Nutzfläche betrug 190 Quadratmeter und bot Raum für 335 Sitzplätze. Für den Bau und die Ausgestaltung des Innenraumes wurden überwiegend lokale Gewerke engagiert, neben christlichen waren auch jüdische Handwerksbetriebe beteiligt.42

Alle 54 Familienvorstände der jüdischen Gemeinde bürgten am 6. Februar 1857 mit ihrer Unterschrift in einem „Special-Währschafts Buch der Stadt Fulda“ für die Neubau-Planungen.43 Spendenaufkommen aus der jüdischen Gemeinde, Spendeneinwerbung über das lokale „Provinzblatt“ trugen zur Mitfinanzierung bei. Auch die Versteigerung von Gegenständen aus dem vorherigen Synagogengebäude sollte zur Senkung der Baukosten beitragen. Dazu gehörten Dachziegel, eine Tür, die Lamperie (Holzvertäfelung) und anderes mehr.44 Nach „Belege zur Synagogenbaurechnung von Fulda von 1861“ betrug das Spendenaufkommen von 45 jüdischen Haushalten 4.769 Gulden.45 Die Baukosten insgesamt betrugen nach dem Aktenbestand „Rechnung über den Neubau der Synagoge zu Fulda, abgelegt im Juli 1861 9.570 Gulden. Sie setzten sich überwiegend zusammen aus „Erkauftes Grundeigentum“, „Baukosten“ oder „Die Ausstattung der Synagoge“ zusammen.46

Die Vergabe der Synagogenplätze wurde durch ein „Statut zur Verpachtung der Synagogen-Stände“ geregelt.47 Die Überlegungen zu neuen Formen der Gottesdienstgestaltung führten zur Gründung eines Synagogenchors, für den eine eigene Chorempore an der Rückwand vorgesehen wurde.48 Die feierliche Einweihung fand im März 1859 statt.49

Bereits 1889/1899 plante die Gemeinde eine Vergrößerung der Synagoge. Das war auch dem Renovierungsbedarf der „Frauen-Schul“ geschuldet: Die Galerie bot 100 Frauen Platz, wurde aber an Feiertagen von 150 Jüdinnen besucht. Die Schäden durch häufige Überlastungen machten eine Sanierung notwendig. Eine grundsätzliche Lösung wurde in einem Erweiterungsbau gesehen. Dadurch sollte die Synagoge um 130 Quadratmeter auf 320 Quadratmeter vergrößert und die Zahl der Sitzplätze auf 730 erhöht werden. Die Planungen für die Synagoge und für das nebenan gelegene israelitische Gemeindehaus lagen in den Händen des Baumeisters Karl Wegener, die Zeichnungen stammen von Friedrich Schlott. Zu Detailplanungen wurden weitere Architekten hinzugezogen. Für die jüdische Gemeinde zeichnete ihr Ältester Levi Nußbaum.

Weil die jüdische Gemeinde gleichzeitig den Bau der jüdischen Elementarschule in der Von-Schildeck-Straße 13 sowie den Umbau des ehemaligen Gefängnisgebäudes Am Stockhaus 2 zu einem Gemeindezentrum plante, geriet sie an die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten. Die Erweiterung der Synagoge wurde zunächst zurückgestellt. Durch den Ersten Weltkrieg kam es zu weiteren Verzögerungen.

Parallel dazu trug die jüdische Gemeinde Überlegungen zum Bau einer neuen Synagoge an repräsentativer Stelle. Dazu hatte sie im Jahre 1914 für 40.000 Mark ein Grundstück in der Dalbergstraße erworben. Auch diese Pläne wurden aufgrund des Ersten Weltkrieges und dessen wirtschaftlicher Folgen in der Weimarer Republik nicht weiterverfolgt.50

Stattdessen erfolgte 1926/27 der Umbau, dem die Erweiterungspläne von 1899 zugrunde lagen. Nun umfasste die Synagoge neben einem Versammlungsraum im Souterrain den Gottesdienstraum für die Männer im Erdgeschoss, eine Zwischenempore für den Chor und eine Emporegalerie für die Frauen. Über der Frauengalerie wurde im Dachgeschoss ein weiterer Versammlungsraum mit 84 Sitzplätzen geschaffen. Garderoben und Toiletten waren auf zwei Stockwerken vorhanden. Ein Sitzplan (von 1899) verdeutlicht die Raumgröße auf den vier Besucherflächen. Fotos zeigen die Innengestaltung: Der Hauptraum für die Männer war dreischiffig gegliedert.

Nach Osten an der Misrachwand war der mit kostbaren Intarsienmustern ummantelte Thoraschrein an beiden Seiten von hohen Säulen eingerahmt, die ähnlich den Thorakronen nach oben mit Kuppelaufsätzen abschlossen. Sie ragten bis zur Frauenempore hinauf und stellten eine architektonische Verbindung zwischen den beiden Synagogenebenen her. In der Mitte des Hauptraumes stand erhöht das Lesepult, die Bima, auf der die Wochenabschnitte aus der Thora gelesen wurden. Die Thorarollen wurden in einem kostbar gestalteten Thoraschrein in der nach Jerusalem ausgerichteten Misrachwand aufbewahrt. Darüber das markante Rundfenster. An der linken, nördlichen Wandseite war eine Erinnerungstafel mit den Namen der im Ersten Weltkrieg gefallenen jüdischen Soldaten angebracht. Nach Westen stellte die Chorempore die architektonische Verbindung zur Frauenempore her. Die auf drei Seiten begehbare Frauenempore schloss den Synagogenraum nach oben ab. Der Eingang erfolgte von der Judengasse über ein vorgesetztes Foyer mit Treppenaufgängen in die oberen Etagen.51

Mit den Bauarbeiten und Lieferungen waren überwiegend einheimische Betriebe beauftragt. Die Architekten Mahr und Stiefel waren für die Gesamtkonzeption verantwortlich. Bauleitung und künstlerische Ausgestaltung lagen in den Händen von christlichen Unternehmern. Das Innere hatte der Fuldaer Kunstmaler Hugo Pfister gestaltet, auch er ein Christ. An der Einweihung nahmen die Honoratioren der Region Fulda teil und würdigten mit anerkennenden Worten die Leistung und Bedeutung der jüdischen Gemeinde in Fulda.52

Schon in der Kaiserzeit, vor allem aber während und nach dem Ersten Weltkrieg flohen Juden vor den Pogromen in Osteuropa. Zahlreiche von ihnen kamen auch nach Fulda. Sie richteten sich einen eigenen Gebetsraum nahe der Synagoge ein.53

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde die Synagoge von Fuldaer Nationalsozialisten verwüstet und niedergebrannt. Die Juden der Stadt waren über Zerstörungen von Synagogen an anderen Orten gewarnt. Daher konnten sie mit Hilfe christlicher Nachbarn Thorarollen und weitere religiöse Gegenstände und Bücher retten. Nach dem Krieg wurden die Gegenstände jüdischen amerikanischen Soldaten übergeben.54

Die Zerstörung der Fuldaer Synagoge ist mehrfach dokumentiert, im Einsatzprotokoll der Feuerwehr und der Polizei sowie in den Gerichtsprozessakten von 1948.55 Unter Leitung des NS-Bürgermeisters Karl Ehser, des Stadtbaurats Emil Kunkel und des SS-Standortkommandanten Otto Grüner wurde von einem Polizei- und SS-Aufgebot das Innere der Synagoge demoliert und in Brand gesetzt. Erst am frühen Morgen wurde die Feuerwehr alarmiert und angewiesen, nur die umliegenden Häuser vor einem Übergreifen des Feuers zu schützen. Der Silberschmuck der Synagoge, darunter eine Thorakrone aus dem Jahre 1789, war bereits vor der Brandstiftung von SS-Männern geraubt worden und soll einem Juwelier zum Einschmelzen gegeben worden sein. Zur gleichen Zeit wurden die männlichen Mitglieder der jüdischen Gemeinde im Kolpinghaus in der Rangstraße zusammengetrieben und am Folgetag in das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar verbracht, wo sie gefoltert, gedemütigt und terrorisiert wurden.56

Mit der Zerstörung der Synagoge begann die endgültige Vernichtung der jüdischen Gemeinde in Fulda. Den Juden, die in der Stadt geblieben waren, war nun ein Zufluchtsort genommen und damit ein wichtiger religiöser und menschlicher Halt. Besonders demütigend und belastend für die Gemeinde war zudem, dass sie für den Abriss der zerstörten Synagoge aufkommen und diesen aus Finanzmitteln der Gemeinde bezahlen musste.57

Einzig die Gebetstafel am Eingang der Synagoge in deutscher und hebräischer Sprache und die Erinnerungstafel an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs sind erhalten geblieben. Diese Tafeln steht heute an der Leichenhalle auf dem jüdischen Friedhof in der Heidelsteinstraße.

Nach der Befreiung vom nationalsozialistischen Regime durch die Alliierten wurde in der ehemaligen jüdischen Schule in der Von Schildeck-Straße ein Büro für Displaced Persons der US-Amerikaner eingerichtet.58 Für die meisten jüdischen Überlebenden des NS-Terrors waren die DP-Lager nur eine Zwischenstation auf dem Weg in ein neues Leben in den USA oder Palästina bzw. Israel. In der kurzen Phase bis Anfang der 1950er Jahre entstand aber dennoch jüdisches Leben in Fulda. Bereits am 8. Dezember 1945 hatte sich wieder eine Jüdische Kultusgemeinde Fulda gebildet und eintragen lassen. Die Gottesdienste fanden zunächst in einem privaten Gebetsraum im ehemaligen jüdischen Altersheim statt. 1948 wurden sie in das einstige jüdische Schulhaus in der Von-Schildeck-Str. 13 verlegt. Dort wurde das große Klassenzimmer im Parterre, das heute Bibliothek und Museum ist, von Samuel Bronner aus Breslau als Gebetsraum mit blauem Sternenhimmel gestaltet.59

Mit der umfassenden Sanierung und Neubestimmung des Gebäudes im Jahre 1987 erhielt die damals kleine jüdische Gemeinde wieder ein Kultuszentrum nach innen und Präsenz nach außen. Die vormaligen Klassenzimmer wurden umgewidmet. Im ersten Stock wurde ein Synagogenraum für Männer und Frauen geschaffen. Die farbig gefassten Fenster stellen zentrale Themen der jüdischen Religion dar. Hier befinden sich auch ein großer multifunktionaler Raum und eine Küche. Im Parterre stehen eine umfangreiche Bibliothek mit musealen Objekten, ein großer Vortragsraum, ein Klassenzimmer und ein Büro zur Verfügung. Im Dachgeschoss befinden sich Übernachtungsmöglichkeiten und Unterrichtsräume. Auch hier stand bei der Raumkonzeption der Gedanke des jüdischen Lehrhauses Pate.

Am Ort der ehemaligen Synagoge und des jüdischen Gemeindezentrums in der Straße „Am Stockhaus“ im Stadtzentrum erinnert ein „Band des Gedenkens“ mit den Namen der in die Vernichtungslager deportierten Juden und eine Gedenktafel an die Zeit der Verfolgung und Vernichtung im Nationalsozialismus. Im Jahre 2018 wurde in einem Schaufenster im ehemaligen jüdischen Gemeindehaus in der Straße „Am Stockhaus“ ein „Fenster der Erinnerung“ installiert mit Ansichten von Synagoge, Straßenzügen mit Geschäften, Häusern und Bewohnern des jüdischen Viertels. Zurzeit sind die Zugänge zur ehemaligen Mikwe freigelegt. Da die auf dem Grundstück der ehemaligen Synagoge und des Gemeindezentrums stehenden Gebäude inzwischen in die Verfügung der Stadt Fulda übergegangen sind, steht eine grundlegende Neugestaltung im Sinne des Gedenkens und der lebendigen Auseinandersetzung mit der jüdischen Vergangenheit und Gegenwart in Aussicht.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Neben Synagoge, Schule und Friedhof sind das rituelle Tauchbad, Mikwe wie auch weitere Hygienevorschriften ein wichtiger Bestandteil des jüdischen Gemeindelebens. Ihre Existenz kann für Fulda vorausgesetzt werden, seitdem sich Juden hier niederließen.

Im Grundriss der Synagoge aus der Frühen Neuzeit (ab 1575) ist zwischen „Männer-Schul“ und „Delinquenten Gasse“ „Das Judenbad“ eingezeichnet.60

Seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind Mikwaot in Fulda und im Kreis Fulda urkundlich erwähnt. Neuere medizinische Erkenntnisse über den Zusammenhang von Hygiene und Erkrankungen nahmen auch die jüdischen Tauchbäder in den Blick der medizinischen Behörden, wie in der „Acta den Zustand der israelitischen Gemeinde- und privat. Judenbäder im Kreis Fulda betreffend 1835-1873“ nachzulesen ist.61 Inspektionsberichte von Amtsärzten über den Zustand der Tauchbäder führte zu Qualitätskriterien als Voraussetzung für deren Nutzung. In der Stadt Fulda wurden private wie auch das von der jüdischen Gemeinde betriebene „Bad“ genannt.

Die in dem von der jüdischen Gemeinde erworbenen ehemaligen Amtsgefängnis vorhandenen Kellerbäder sollten zunächst als „Frauenbad“ hergerichtet werden. Da die Umsetzung der „Errichtung eines warmen Reinigungsbades“ nicht den behördlichen Auflagen entsprach, drohte die Kurfürstliche Regierung der Provinz Fulda am 17. Mai 1840, dass sie „aus gesundheitspolizeilichen Rücksichten bei polizeilicher Strafe gänzlich untersagt werden soll“.62

Der Kaufmann Simon Lion, führendes Mitglied der Gemeinde, plädierte sogar dafür, gänzlich auf die Einrichtung eines gemeindlichen Bades zu verzichten und dafür die Einrichtung privater Bäder zu fördern, um für die Kosten nur die Nutzer(innen) aufkommen zu lassen.63 Ein solches privates Ritualbad plante Geron Susmann nach einem „Kostenanschlag über die Einrichtung eines Bades“ von Maurermeister Schmidt in Höhe von 115 fl. 50 Kr. nebst Bauzeichnung vom 13. Februar 1838.HStAM 180 Fulda, 1259 (Urk. v. 13.2.1838)

In den Bauplänen für die Synagoge von 1856-1859 war die Einrichtung einer Mikwe in dem von der jüdischen Gemeinde erworbenen ehemaligen Stockhaus nebenan vorgesehen. Die vom Ende des Jahrhunderts vorliegenden Neubaupläne für das Gemeindehaus zusammen mit den Erweiterungsplänen für die Synagoge von 1899 hatten bereits eine großzügige Ausgestaltung des Ritualbades mit zwei Tauchbädern eingeplant, die über zwei gegenläufige Treppenzugänge erreichbar waren, inkl. vier Badewannen zur Reinigung, einem Kesselraum zum Erwärmen des Badewassers, einem Abort und einem Bassin zum Auffangen des Regenwassers als „lebendiges Wasser“ für die Mikwe. Diese Planungen wurden in dem Neubau des jüdischen Gemeindehauses bis 1903 umgesetzt. In einem detaillierten „Vertrag“ mit dem Bauunternehmer Hermann Hodes aus Fulda sind die einzelnen Bauabschnitte und die Kosten abgestimmt.65

Das Gebäude Am Stockhaus wurde auch in der NS-Zeit von der israelitischen Gemeinde weiterhin genutzt. Vor der Deportation in die Vernichtungslager wurde es als „Judenhaus“, so der NS-Jargon, missbraucht. Jüdische Familien wurden in solchen Häusern zusammengedrängt, nachdem der in der NS-Propaganda als „Arisierung“ beschönigte Raub ihres Hauses oder die Vertreibung aus ihren Wohnungen stattgefunden hatte. Ziel war die organisatorische Vorbereitung ihrer Deportation und Ermordung.

Von dem Nachbesitzer des Hauses wurden die Tauchbäder nach behördlicher Genehmigung mit Bauschutt verfüllt und eine Betondecke über die Mikwe gelegt, die Wand zur Straße hin geöffnet und als Schaufenster und Verkaufsraum für Motorräder genutzt. Später wechselten die Nutzungen, zeitweise waren Restaurants eingerichtet. Für längere Zeit stand der Laden leer. 2019 wurde mit diesem Raum vom Bildungsverein Zukunft Bildung Fulda e.V. und dem kommunalen Vonderau Museum ein „Fenster der Erinnerung“ geschaffen, um mit großformatigen Fotos von der Synagoge, Straßenzügen, Häusern und Menschen einen Eindruck von dem den Ort umgebenden jüdischen Viertel zu vermitteln.

2020 konnte die Stadt Fulda das Grundstück erwerben. Als ein erster Schritt der archäologischen Sicherung wurden die Zugänge zur Mikwe freigelegt und von außen einsehbar gemacht.66 Die weitere Nutzung des Gebäudes bedarf einer sensiblen, der Geschichte und Zukunft dieses Ortes angemessenen Planung.

Schule

Bezeichnend ist, dass die jiddische Bezeichnung für „Synagoge“ „Schul“ ist. Beide Begriffe werden in den Quellen synonym gebraucht. Dies weist ein Grundverständnis des Judentums aus, das seine Religion zum Lernen verpflichtet. Jede jüdische Gemeinde war und ist angehalten zu lehren und zu lernen und dafür die personellen und sachlichen Voraussetzungen bereitzustellen. Hohe Achtung genossen daher auch die Lehrer in den Jeschiwot, den Thora-Schulen. So sind in den Namenslisten des Judenlandtags von 1762 für Fulda drei „Schulmeister“ zu finden.67 Und die Grundrisse der Fuldaer Synagogen mit ihren Nebengebäuden für die Zeit vor 1797 und Neubaupläne aus demselben Jahr weisen einen Raum „Neben-Schul“ oder „gemeine Stub“ aus, dessen Nutzung auch für den Religionsunterricht denkbar ist.68

Die Vermittlung von Wissen über die Thora und die Schlussfolgerungen daraus für das tägliche Leben, der Talmud und die Mizwot (jüdische Gebote) standen im Mittelpunkt des Unterrichts. Der Unterrichtsstoff wurde in hebräischer Sprache vermittelt, Unterrichts- und Alltagssprache waren Jiddisch. Inhalte und Unterrichtsform wurden von der jüdischen Gemeinde mitbestimmt.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelten Staaten des aufgeklärten Absolutismus Überlegungen, die Juden stärker in ihr gesellschaftliches System einzubinden. So erließ Fürstbischof Heinrich von Bibra (1759-1788) am 20.12.1784 eine „Verordnung für die jüdische Lehrschule in der Hochstiftlichen Residenzstadt Fulda“.69 Darin stellte er ein umfassendes Bildungs- und Erziehungskonzept für die jüdischen Kinder vor. Es galt für Jungen und Mädchen gleichermaßen und umfasste neben der religiösen Unterweisung auch Inhalte der allgemeinbildenden Fächer. Alle Details der Schul- und Unterrichtsorganisation bis zu den Qualifikationen der Lehrer wurden darin geregelt, ihre Besoldung, die Zahlung des Schulgeldes und die Schulaufsicht durch jüdische und hochstiftliche Instanzen.70 „Damit der entworfene Schulplan wohl ausgeführt und beständig beybehalten werde, ist ein besonderes Schulhaus, worin 2 Lehrer wohnen, und in 2 Zimmern lehren können, nothwendig: Daher hat die Stadtjudenschaft dafür zu sorgen, daß dieses gelegenheitlich anerkauft oder an einem schicklichen Ort erbaut werde.“71 Seinem Domkapitel war von Bibras Judenordnung jedoch zu liberal. Nach seinem Tod wurde sie am 31. Oktober 1788 wieder außer Kraft gesetzt.72

Aber auch von jüdischer Seite gab es Kritik an Bibras Verordnung. Viele Gemeindemitglieder empfanden sie als Eingriff in ihre kulturelle Autonomie. Daher wurde der Lehrer Josef Joel weiterhin verpflichtet, in seiner Wohnung zwei Räume als Klassenzimmer bereitzuhalten.73 Baupläne für eine neues Synagogen-Ensemble aus dem Jahr 1797 sahen eine „gemeine Stub“ vor, die möglicherweise auch als Schulraum zu nutzen war.

Auch nach der Säkularisierung des Fürstbistums Fulda gelang es unter Friedrich von Oranien-Nassau (1802-1806) nicht, ein an Heinrich von Bibras Integrationsideen anknüpfendes Bildungskonzept umzusetzen. Schon am 26. September 1803 erschien eine Verordnung, die die Errichtung einer öffentlichen jüdischen Schule unter staatlicher Oberaufsicht vorsah.74 Jüdische Lehrer sollten unter Aufsicht eines Rabbiners hebräischen Sprach- und Religionsunterricht erteilen. Die weltlichen Fächer aber wollte man der direkten Aufsicht des fürstlichen Konsistoriums unterstellen und auch von christlichen Lehrern unterrichten lassen. Die staatliche Oberaufsicht über die religiösen Fächer lehnte der jüdische Gemeindevorstand jedoch vehement ab. Stattdessen schlug er vor, dass die jüdischen Kinder die weltlichen Fächer in einer öffentlichen christlichen Schule lernen sollten, weil ihnen das den Erwerb der deutschen Sprache erleichtern würde. Dem wiederum stimmte Wilhelm Friedrich nicht zu, denn er fürchtete heftigen Widerstand der christlichen Fuldaer Bevölkerung.75 Dass dieser Vorbehalt nicht unbegründet war, zeigten die späteren ablehnenden Reaktionen der städtischen Schulbehörden auf die Integrationsbemühungen durch einen gemeinsamen Unterricht von christlichen und jüdischen Kindern. Auch der im Emanzipationsedikt des Frankfurter Großherzogs von Dalberg 1813 formulierte rechtliche Anspruch jüdischer Schüler auf Aufnahme in die öffentlichen städtischen Schulen blieb erfolglos.

Ähnlich erging es nach dem Wiener Kongress der Verordnung des Kurfürstentums Hessen vom 14. Mai 1816, „sämmtliche jüdische Glaubensgenossen, ohne Unterschied, (...) ihre Kinder in die öffentlichen Schulen der Christen, mit Ausnahme der für den Religions-Unterricht bestimmten Stunden, zu schicken“.76

Erst ab 1833 wurde in einem Übereinkommen der jüdischen Gemeinde und der städtischen Schulbehörde eine Einigung gefunden, die den jüdischen Kindern den Besuch sowohl der katholischen wie auch der evangelischen Volksschule ermöglichte: in den katholischen Schulen nach Jungen und Mädchen getrennt und an der evangelischen Volksschule gemeinsam. Die Einrichtung einer überkonfessionellen Realschule, aus der später die Fuldaer Oberrealschule als Gymnasium hervorging, bot für jüdische Schüler ein erweitertes Bildungsangebot, das von ihnen bald intensiv genutzt wurde. Ihr Anteil lag um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert bei 30 bis 40 Prozent, der Anteil an der Fuldaer Stadtbevölkerung bei 3,6 bis 4,3 Prozent.77

In den ländlichen Gemeinden der Region Fulda setzten sich bis Ende des 19. Jahrhunderts eigenständige jüdische Elementarschulen (Volksschulen) durch. Auch in Fulda selbst wurde infolge des engagierten Einsatzes von Provinzialrabbiner Dr. Michael Cahn (1877-1919) 1889 der Beschluss gefasst, eine jüdische Elementarschule einzurichten. Am 1. April 1900 begann dort der Unterricht. Das Umdenken kann auch als Offensive zur Förderung jüdischer Identität im Bildungswesen angesichts des zunehmenden Antisemitismus gegen Ende des Jahrhunderts gewertet werden. Schon 1890 hatten die Lehrer Samuel Löwenstein aus Wehrda und Jakob Spiro aus Schenklengsfeld mit der Unterrichtsplanung für eine eigenständige jüdische Elementarschule (Volksschule) begonnen.

Am 24. April 1900 fand die feierliche Einweihung unter Anwesenheit aller Honoratioren des Landkreises und der Stadt Fulda statt. Der Neubau im damals modischen Schweizer Stil bot im Erdgeschoss Platz für zwei Klassen und einen Versammlungsraum für die jüdische Gemeinde, der bei Bedarf auch für den Unterricht genutzt werden konnte. Im ersten Stock befanden sich eine Lehrerwohnung, ein Klassenzimmer für den Religionsunterricht und Büroräume für die Gemeinde.

Im jüdischen Gemeindehaus neben der Synagoge befand sich auf Initiative des damaligen Provinzialrabbiners Dr. Michael Cahn ein Beth-Hamidrasch, eine traditionelle Talmudschule der Fuldaer Gemeinde, getragen vom Fuldaer Talmudverein Chevra Schass. Sie verstand sich in der Tradition der Lehrtätigkeit des Rabbiners Maraham Schiff in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.78 Ihre Unterrichtsräume sind in den Bauplänen von 1899 mit „Schulzimmer“ ausgewiesen.79 Sie wurde von 1909–1939 von dem Thoragelehrten Baruch Kunstadt geleitet.

1933 besuchten 96 Kinder die jüdische Schule in der von Schildeck Straße. Da die antisemitische Schulgesetzgebung der Nationalsozialisten die Zulassung von Juden zum Gymnasium beschränkte und später gänzlich verbot, nahm die Schülerzahl der jüdischen Volksschule zu. Die Schließungen der jüdischen Schulen auf dem Lande und der Zuzug Schutz suchender jüdischer Familien steigerte nochmals die Schülerzahl. Die Beraubung der jüdischen Einwohner durch „Arisierungen“ und der zunehmende Vertreibungsdruck ließ die Schülerzahl dann wieder sinken.

Als in der Pogromnacht die Synagoge zerstört und in Brand gesetzt wurde, fiel auch die Schule in der Von-Schildeck-Straße dem NS-Terror zum Opfer. Die Inneneinrichtung wurde demoliert, Bücher und Hefte wurden auf die Straße geworfen. Am 1. Oktober 1939 wurde die jüdische Volksschule durch den Oberbürgermeister von Fulda auf Weisung des Regierungspräsidenten offiziell geschlossen.80 Sie durfte nur noch als private Einrichtung weitergeführt werden. Dass es zu dieser Zeit noch schulpflichtige Kinder in der jüdischen Gemeinde gab, belegt die Liste der am 8. Dezember 1941 deportierten 132 Gemeindemitglieder. Sie enthält die Namen von 25 schulpflichtigen Kindern – 16 Jungen und neun Mädchen im Alter zwischen sechs und 15 Jahren.81

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus 1945 diente das ehemalige jüdische Schulgebäude als DP-Lager. Später war hier die städtische „Pestalozzischule“ untergebracht. Nach deren Auszug wurde das Gebäude als Warenlager vermietet.

1987 gab die Stadt Fulda die ehemalige Schule renoviert und neu gestaltet als Kultuszentrum an die jüdische Gemeinde zurück. Mit Synagogenraum, Räumen für Unterricht, Vorträge und Begegnungen, Bibliothek und Museum sowie Küche und Büro ist das Haus heute wieder kultureller, religiöser und sozialer Mittelpunkt für die etwa 350 Mitglieder umfassende jüdische Gemeinde und ihr reges Gemeindeleben.

Gemeindehaus

Während die Erweiterungsplänen für die Synagoge selbst 1900 zurückgestellt wurden, konnte das Vorhaben des Baus eines Jüdischen Gemeindehauses umgesetzt werden. Dafür hatte die jüdische Gemeinde das Grundstück mit dem ehemaligen „Stockhaus“,82 erworben, das bis 1843 ein Gefängnis mit Haftzellen sowie „Marter- und Strafräumen“ war.83 Ebenfalls nach Plänen von Karl Wegener und Friedrich Schott entstand im Stil des orientalischen Historismus, direkt an das Synagogengebäude angelehnt, ein mehrfunktionales religiöses und kulturelles Ensemble ganz im Sinne eines jüdischen Lehrhauses. Es beherbergte im Erdgeschoss eine über zwei gegenläufige Treppen begehbare Mikwe. In den oberen Stockwerken befanden sich Versammlungsräume, eine koschere Küche. In den Bauplänen waren großzügige Räume für ein Beth-Hamidrasch, die traditionelle Thora- und Talmudschule der Gemeinde, vorgesehen, Sie war auf Initiative der Chevra Schass, des Talmudvereins, und des Provinzialrabbiners Dr. Michael Cahn gegründet worden und verstand sich in der Tradition der Lehrtätigkeit des berühmten Rabbiners Maraham Schiff.84 Im Einwohnerverzeichnis der Stadt Fulda von 1934 ist auch für „Judengasse Nr. 4-6“ der Beth-Hamidrasch mit „Vereinsräumen“ eingetragen.85 Weitere Einzelzimmer ergänzen die unterschiedlichen Nutzungen. Der Neubau des Gemeindehauses wurde im Jahre 1903 abgeschlossen,86 die Talmudschule dort 1909 eröffnet.87

Cemetery

Da jüdische Grabstätten nicht aufgelassen werden, sondern auf ewig angelegt sind, haben sie eine hohe religiöse und historische Bedeutung für das jüdische Selbstverständnis und den Nachweis jüdischer Existenz.

Bis Mitte des 16. Jahrhunderts durften die Juden der gesamten Fürstabtei Fulda ihre Angehörigen nur auf dem jüdischen Friedhof in Fulda bestatten.88 Die Ansicht des Hofmalers Hans Brosamer auf Fulda von Osten, erschienen in Sebastian Münsters „Cosmographia universalis“ aus dem Jahre 1550, zeigt die jüdische Gräberanlage außerhalb der Stadtmauer. Im Jahre 1586 genehmigte die Landesherrschaft auch in Brückenau und Pfaffenhausen bei Hammelburg jüdische Begräbnisstätten.89

Nach der Vertreibung der Juden aus der Fürstabtei im Jahre 1671 wurde ihr Friedhof in Fulda geschändet und bis auf eine kleine Begräbnisfläche für die verbliebenen Familien als Gartenland genutzt. Die Grabsteine wurden u.a. als Bodenbelag für den Neubau des Domes missbraucht. Bei Renovierungsarbeiten um 1980 wurden einige von ihnen entdeckt und sind heute im Domdechanei-Garten neben dem Dom aufgestellt.

Nach der Wiederansiedlung von Juden in Fulda wurde ihr Friedhof erneut vor der östlichen Stadtmauer angelegt. Auf dem rekonstruierten Stadtplan für 1727 ist er deutlich zu erkennen.90 Ein Foto vom Turm der Stadtpfarrkirche um 1866 zeigt aus der Vogelperspektive, dass der Friedhof im 19. Jahrhundert im Rahmen der Stadterweiterung von Häusern und Straßen umbaut wurde.91 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war er keineswegs überfüllt.92 Dennoch wurde er - u.a. mit hygienemedizinischen Begründungen -1906 aufgelassen und ein neuer Friedhof in der Edelzeller Straße, heute Heidelsteinstraße, direkt an der Eisenbahntrasse nach Frankfurt und München angelegt.

In der Pogromnacht wurden beide Friedhöfe geschändet, die Grabsteine umgeworfen und beschädigt, die Friedhofshalle am neuen Friedhof demoliert.93 Die historische Begräbnisstätte in der Innenstadt wurde völlig zerstört, die Grabsteine zersägte man zu Baumaterial und der Friedhof wurde in einen Park zur öffentlichen Nutzung umgewandelt. Seit 1955 erinnert ein Gedenkstein an die einstige jüdische Grabstätte. Bei Abrissarbeiten für Neubauten fanden sich einige der Grabsteine wieder. Sie werden auf dem neuen jüdischen Friedhof aufbewahrt.

Ab dem 12. November 1940 waren Bestattungen von jüdischen Verstorbenen nur noch auf dem jüdischen Friedhof bei Weyhers in der Rhön gestattet. Nach Kriegsende wurde der städtische jüdische Friedhof in Fulda wieder Teil des jüdischen Gemeindelebens. Die neueren Grabsteine tragen zumeist die Namen der zugewanderten Juden aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion.

Das jüdische Gesetz, dass Friedhöfe nicht aufgelassen oder abgeräumt werden dürfen, wurde bei den Nachkriegsplanungen für die Innenstadt von den kommunalen Behörden nicht beachtet. Etwa ein Drittel des alten jüdischen Friedhofs wurde zur Bebauungsfläche umgewidmet, um den Bau eines Zollamtes und später von zwei Wohnhäusern mit asphaltierter Hoffläche und Garagen zu ermöglichen. Die Verhandlungen zwischen der Stadt Fulda und den jüdischen Interessenvertretungen, u.a. der JRSO, zur Bebauung auf der jüdischen Begräbnisstätte benötigten zwei Jahre von 1952 bis 1954, um im gegenseitigen Einvernehmen abgeschlossen zu werden. Die bei den Bauarbeiten gefundenen Gebeine wurden auf dem neuen jüdischen Friedhof in einem Sammelgrab beigesetzt. Die Zustimmung der jüdischen Gemeinde, die damals aus wenigen Holocaust-Überlebenden bestand, lässt sich nur durch deren Vereinzelung und Traumatisierung durch das Erlebte in der Shoah verstehen. Die Überbauung des Friedhofsgeländes wurde nicht verhindert.94 In einem kleinen, niedrigen Kellerraum des Zollamtes, in den spärlich durch zwei Kellerfenster Tageslicht einfällt und der nur nach Anmeldung zugänglich ist, erinnert eine Gedenktafel an den jüdischen Bestattungsort. Am Rande des Friedhofs wurde 1955 - erst nach Aufforderung von jüdischer Seite - ein Gedenkstein enthüllt, der an die Zerstörung des Friedhofs erinnert. Der alte Friedhof erhielt im Jahre 1996 den Namen „Jerusalemplatz“.95

Aktuell plant die Stadt Fulda, dem früheren Friedhofsgelände eine dem Anspruch für jüdische Grabstätten angemessene Form zurückzugeben.

Fulda, Alter Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Fulda, Neuer Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Fußnoten
  1. Imhof, Juden in Deutschland, S. 86-92
  2. Imhof, Juden in Deutschland, S. 86-91
  3. Imhof, Juden in Deutschland, S. 92-93
  4. Imhof, Juden in Deutschland, S. 96-99; Imhof, Pestpogrom von 1349
  5. Imhof, Juden in Deutschland, S. 96-102; HStAM K 437, 233, (Urk. v. 22.2.1514)
  6. Imhof, Jüdische Kaufleute, S. 202-210; HStAM 90, a 738, Bl. 10; StadtA Fulda XI Da 4; StadtA Fulda XI Da 5-9
  7. Mauersberg, Hans: Die Wirtschaft und Gesellschaft Fuldas in neuerer Zeit. Eine städtegeschichtliche Studie. Göttingen 1969, S. 30-31
  8. Imhof, Jüdische Kaufleute
  9. Imhof, Juden in Deutschland, S. 114-122; Imhof, Jüdische Kaufleute, S. 210-218
  10. Imhof, Juden in Deutschland, S. 122-127
  11. Imhof, Juden in Deutschland, S. 128-140; Heiler, Stadtgeschichte, S. 125
  12. StadtA Fulda X Da 11
  13. HStAM 91, 404
  14. Imhof, Juden in Deutschland, S. 160-162
  15. Ortsartikel Fulda auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  16. Imhof, Juden in Deutschland, S. 173-183
  17. Ortsartikel Fulda auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  18. Ortsartikel Fulda auf Alemannia Judaica (s. Weblink); Heiler, Stadtgeschichte, S. 290
  19. Heiler, Stadtgeschichte, S. 290
  20. Heiler, Deportationen, S. 240-241 und Heiler, Stadtgeschichte, S. 290-292
  21. Weiland, Kultusgemeinde, S. 419-434
  22. HStAM 255, F 110; Löwenstein, Quellen, Nr. 814, S. 219-220
  23. HStAM K, 432, fol. 284 v.; Heiler, Stadtgeschichte, S. 79
  24. Keßler, Ritus und Raum, S. 23, 38-39
  25. Hohlmaß (Regentonne, Fass) - ca. 122 Liter oder 1.040 Stück Hering
  26. HStAM 96, 609
  27. Horn/Sonn, Geschichte, S. 37-39
  28. Meyer/Brenner, Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit, Band 1
  29. HStAM Best. 91 Nr. 1782 (Urk. v. 14.7.1735)
  30. CAHJP, D-Fu 5-13
  31. Keßler, Ritus und Raum, S. 56-57
  32. HStAM 91, 1782 (Urk. v. 20.2.1797)
  33. HStAM 91, 1782 (Urk. v. 10.7.1797)
  34. HStAM 91, 1782 (Urk. v. 10.7.1797 und 19.10.1797)
  35. HStAM 91, 1782 (Urk. v. 31.7.1797)
  36. HStAM 91, 1782 (Urk. v. 10.7.1797)
  37. HStAM 91, 1782 (Urk. v. 17.10.1797)
  38. HStAM 91, 1782 (Urk. v. 19.10.1797 und 18.11.1797)
  39. Imhof, Juden in Deutschland, S. 170-173
  40. Allgemeine Zeitung des Judentums v. 18.1.1857 (s. Weblink) und Ortsartikel Fulda auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  41. Baupläne: Archiv Bauamt Fulda
  42. HStAM 180 Fulda, 1055
  43. HStAM 180 Fulda, 2350
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  47. HStAM 180 Fulda, 2350 (u.a. Urk. v. 14.4.1891)
  48. HStAM 180 Fulda, 1059
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  50. Ortsartikel Fulda auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
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  52. Imhof, Juden in Deutschland, S. 262, 264
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  55. Imhof, Juden in Deutschland, S. 214-216; Heiler, Stadtgeschichte, S. 288-290
  56. Imhof, Juden in Deutschland, S. 216
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  58. Weiland, Kultusgemeinde, S. 425-426
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  60. CAHJP D-Fu 5-13
  61. HStAM 180 Fulda, 1259
  62. HStAM 180 Fulda, 1259 (Urk. v. 17.5.1840)
  63. HStAM 180 Fulda, 1259 (Urk. v. 20.7.1849)
  64. CAHJP, D-Fu 5-13
  65. Ehemalige Mikwen wiederentdeckt. In Reihe: Fulda informiert, Fuldaer Zeitung v. 5.6.2021
  66. HStAM 91, 404; Imhof, Juden in der Rhön, S. 98
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  75. StadtAFulda Cd 65, S. 57-60
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  77. Der Israelit v. 11.11.1909: 10 Jahre Talmudschule – Einweihung eines neuen Heimes (s. Weblink) und Ortsartikel Fulda auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
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  79. Berge, Die letzten Jahre der jüdischen Schule; Imhof, Juden in Deutschland, S. 276-277
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  82. Ebd.
  83. Der Israelit v. 11.11.1909: 10 Jahre Talmudschule – Einweihung eines neuen Heimes (1909) (s. Weblink)
  84. StadtA Fulda, Präsenzbibliothek, Aa 3 1934
  85. Archiv Bauamt Fulda, Baupläne 1899
  86. Ortsartikel Fulda auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  87. HStAM K, 437: Judenordnungen von 1514 und 1560; HStAM 91, 418
  88. StadtA Fulda XXI: Judenordnung von 1586
  89. StadtA Fulda Jestaedt, Plan, 1727, Fa 16 (Ausschnitt)
  90. StadtA Fulda Bildarchiv, 12744
  91. StadtA Fulda Bildarchiv, 10759
  92. StadtA Fulda Bildarchiv, 8577
  93. Weiland, Kultusgemeinde, 425-426
  94. Komorek, Alina: 12 Quadratmeter Erinnerung. Die Geschichte des unbekannten jüdischen Gebetsraums im Hauptzollamt, Fuldaer Zeitung v. 18.5.2021
Recommended Citation
„Fulda (Landkreis Fulda)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/327> (Stand: 23.2.2023)