Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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4922 Homberg (Efze)
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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 42. Homberg

Falkenberg Karten-Symbol

Gemeinde Wabern, Schwalm-Eder-Kreis — Von Thomas Schattner
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1619

Location

34590 Wabern, Ortsteil Falkenberg, Melsunger Straße 28 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Niederhessen (Kassel)

preserved

nein

Jahr des Verlusts

1938

Art des Verlusts

Zerstörung

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Die Synagogengemeinde Falkenberg-Hebel besaß eine lange historische Tradition, die spätestens 1619 mit „Simon, dem Juden“, einsetzte. Wahrscheinlich war sie noch älter, vermutlich waren im 14. und 15. Jahrhundert schon jüdische Bürger im Dienst vom Burgherren von Falkenberg. Bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts machte die jüdische Minderheit etwa ein Sechstel der Bevölkerung von Falkenberg aus, von den 419 Bürgern, die um 1830 in Falkenberg lebten, waren 71 Anhänger des jüdischen Glaubens. Diese Zahl war bis in das 1905 auf 46 Personen zurückgegangen. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland ging die Zahl kontinuierlich zurück, bis im Jahr 1942 überhaupt keine Einwohner jüdischen Glaubens mehr in Falkenberg lebten.

Aus Falkenberg und Hebel wurden in nationalsozialistischer Zeit insgesamt 35 Menschen in den Konzentrationslagern des Ostens ermordet, Meier Goldschmidt starb zuvor am 9. Juni 1940 an den Spätfolgen seiner Behandlung im Konzentrationslager Buchenwald in Hebel. Etliche Schicksale sind noch unbekannt. Mit der Deportation von Harry Goldschmidt aus Falkenberg am 31. Mai 1942, der vermutlich ins Konzentrationslager Theresienstadt gebracht wurde, endete eine lange Tradition. Falkenberg und Hebel waren nun „frei von Juden“.

Weit über die Gemeinde hinaus wurde Joseph Dannenberg bedeutend, der seelsorgerische Tätigkeiten als Rabbiner ausübte, so war er wahrscheinlich seit 1940 Rabbinatsverweser der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland für Krefeld.

Lange erinnerte außer dem Friedhof nichts mehr in Falkenberg an die jüdische Tradition des Ortes. Erst die Enthüllung eines Gedenksteins am 27. August 2000 änderte daran etwas. In einer Feierstunde wurde auf dem Gelände der ehemaligen Synagoge in Falkenberg, heute befindet sich dort der Schulhof der Grundschule, ein Gedenkstein enthüllt.1

Betsaal / Synagoge

Geistiges Zentrum der jüdischen Landgemeinden war die kleine Falkenberger Synagoge, in der Melsunger Straße Nummer 28, die lediglich 26 Männern und 16 Frauen Platz bot.

Über die Synagoge als Gebäude gibt es kaum Informationen, ebenso über ihre Ausstattung. Vermutlich diente zunächst ein Raum in einem der jüdischen Häuser Gemeinde als Betraum. Nach den Recherchen von Paul Arnsberg2 könnte die Synagoge um 1730 errichtet worden sein.

Die Synagoge musste rund einhundert Jahre nach ihrer Erbauung grundlegend saniert werden. Aus einer Bauakte, die sich im Marburger Staatsarchiv befindet und auf den 30. September des Jahres 1841 datiert ist, geht hervor, dass „das Gebäude äußerst baufällig [ist und] die beiden Giebelwände […] stark aus dem Loth gewichen [sind und] die eine ist außerdem sehr schwach[,] die Schwelle faul [ist] und daher abgebrochen [werden muss]. Nach Herstellung die Umfassungswände muß das Innere ganz neu ausgebaut werden“.3 Weiterhin geht aus der Akte hervor, dass der Fußboden der Synagoge mit Sandsteinplatten bedeckt war, eine zehnstufige Treppe zur Empore, die von zwei Postamentssäulen getragen wurde, führte und dass diese mit Tannenholz getafelt war bzw. deren Boden aus Tannenholzdielen bestand. Auf der Empore gab es nur Sitzbänke, während die Männersitze unten im Synagogenraum mit Pulten ausgestattet gewesen sind. Der Zustand des Gotteshauses war insgesamt im Jahr 1841 derart schlecht, dass ein detaillierter Kostenvorschlag wegen vorher nicht zu berechnender Fälle „wegen der großen Gebrechlichkeit des ganzen Gebäudes“ nicht aufstellbar war.

Rund 200 Jahre nach ihrer Errichtung wurde die Synagoge erneut renoviert. In diesem Zusammenhang erschien am 25. November 1929 ein Artikel in der „Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck“. Aus diesem ergeben sich einige wenige Details über die Ausstattung des Gotteshauses: „Durch die Bemühungen des Gemeindeältesten Meier Goldschmidt von Hebel ist die Synagoge von Falkenberg wieder auf das schönste hergerichtet. Eine baufällige Außenwand ist neu aufgeführt, die innere Synagoge ist in dunkelblau gehalten, mit schwarzen Leisten abgesetzt. Aron Hakaudesch [sic!] und Almemor sind mit bronzenen Kugeln verziert“. Ebenfalls gehörte „silbernes Gehänge“, von der Falkenberger Familie Buxbaum gespendet, zur Innenausstattung des Gotteshauses. Des Weiteren ist nur bekannt, dass das Gebäude seit dem Frühjahr 1938 nicht mehr für rituelle Zwecke genutzt wurde. Diese Entwicklung hatte sich zuvor schon angedeutet, denn im März 1937 wurden bereits sieben Thorawimpel nach Kassel gebracht. Im Mai 1938 folgten sechs Thorarollen mit sechs Wimpeln, sechs Thoramäntel, eine Almemor-Decke und eine Decke für das Vorbeterpult.4 Als besonders tragisch sollte sich erweisen, dass die Gegenstände dort auch nicht sicher waren, denn während der Novemberpogrome am 7. November 1938 wurden diese allesamt Opfer der Zerstörungswut des Kasseler Mobs.

Das gleiche Schicksal ereilte das Falkenberger Gotteshaus einen Tag später. Am 8. November 1938 wurde die Synagoge fast vollständig zerstört. Die Zerstörungswut kannte an diesem Tag in Falkenberg keine Grenzen. Einrichtungsgegenstände wie die Bänke und der Leuchter wurden zerstört, Fensterscheiben gingen zu Bruch, selbst die Ziegel auf dem Dach der Synagoge wurden herabgerissen. Einige der insgesamt etwa 50 Täter gingen so weit, dass sie ein Feuer im Inneren des Gebäudes entfachten, welches aber rasch gelöscht wurde. Es herrschte ein furchtbarer Tumult. Deshalb bezeichnete eine Zeugin das Geschehen dort später als das Wüten „einer unmenschlichen Horde“. Anschließend verbrannten die Täter im Freien vor der Synagoge Einrichtungsgegenstände und die Thorarolle. So dauerte es nicht mehr lange bis das Gebäude abgerissen wurde.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Im Bereich der heutigen Schlossstraße Nummer 5 stand ein Badehaus, das von den jüdischen Bürgern rituell genutzt wurde.

Schule

Seit 1829 existierte eine Religionsschule in Falkenberg, die ab 1872 als öffentliche Volksschule fungierte. In der heutigen Melsunger Straße Nummer 11 war sie ehemals beheimatet. „Sie bestand bis zum Jahr [1908] [...] und wurde von den Kindern der etwa 80 Mitglieder zählenden jüdischen Gemeinde besucht“.5

Cemetery

Wie bedeutend die Synagogengemeinde Falkenberg-Hebel war, lässt sich daran erkennen, dass bis 1907 bzw. 1908 die jüdischen Bürger Hombergs, der Kreisstadt, Mitglieder dieser Gemeinde waren. Erst seit 1909 besaß Homberg eine eigene jüdische Gemeinde. Trotzdem behielt sich die israelitische Gemeinde Homberg das Recht vor, ihre Toten auf dem jüdischen Friedhof in Falkenberg beizusetzen, der ca. 500 Meter außerhalb des Ortes liegt. Dieser Friedhof wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts angelegt. Seine Gesamtfläche umfasst 5.499 Quadratmeter. Der älteste Grabstein stammt aus dem Jahr 1754. Die letzte Beerdigung fand dort 1938 statt.

Falkenberg, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Falkenberg, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Quellen digital

Sources

Bibliography

  • Arnsberg, Paul: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang. Untergang. Neubeginn, 2 Bde. Frankfurt a.M. 1971/1972, hier: Band 1, S. 172-173
  • Das Judentum in Falkenberg, in: Falkenberg 750 Jahre, 1250 bis 2000, Hrsg.: Gemeinde Wabern, Gudensberg-Gleichen 2000, S. 75 ff.,
  • Liebig, Silke: Gedenktafel enthüllt: Das Gedächtnis der Opfer bewahren. In: Heimat-Nachrichten Nr. 35 (2000), S. 1
  • Schattner, Thomas: Reichspogromnacht [in Falkenberg und Hebel] - Als der braune Pöbel auf Menschenjagd ging. In: Hessisch-Niedersächsische Allgemeine, Kreisteil Fritzlar-Homberg vom 9. November 2000
  • Schattner, Thomas: Heimatkolumne „Wussten Sie schon“ [über den 1880 im Alter von 103 Jahren verstorbenen Falkenberger Juden Mendel Dannenberg, der ein Gnadengehalt von Kaiser Wilhelm II. persönlich bekam] In: Fritzlar-Homberger Allgemeine (Hessisch-Niedersächsische Allgemeine) vom 2. September 2010
  • Schattner, Thomas: Der letzte Zug aus dem KZ. Vor 70 Jahren: Falkenberger Benjamin Sauer überlebte das Ghetto Theresienstadt. In: Fritzlar-Homberger Allgemeine (Hessisch-Nieder-sächsische Allgemeine) vom 15 Januar 2015
  • Schattner, Thomas: 75 Jahre Reichspogromnacht. Vom Boykott über die Deportationen zum Holocaust. Breslau 2. Auf. 2017
  • Thiery, Christine: Jüdische Gemeinde: Falkenberger setzen Zeichen. In: Hessisch-Niedersächsische Allgemeine (HNA), Kreisteil Fritzlar-Homberg vom 28. August 2000

Illustration available

(in Bearbeitung)

Indices

Persons

Simon · Falkenberg, Herren von · Goldschmidt, Meier · Goldschmidt, Harry · Dannenberg, Joseph · Buxbaum, Familie

Places

Hebel · Krefeld · Homberg

Sachbegriffe Geschichte

Nationalsozialisten · Konzentrationslager · Buchenwald, Konzentrationslager · Theresienstadt, Ghetto · Reichsvereinigung der Juden in Deutschland

Sachbegriffe Ausstattung

Aron Hakodesch · Almemore · Thorawimpel · Thorarollen · Wimpel · Thoramäntel · Decken · Vorbeterpulte · Leuchter

Sachbegriffe Architektur

Emporen · Sandsteinplatten · Postamentssäulen · Tannenholzdielen

Fußnoten
  1. Liebig, Gedenktafel, S. 1; Thiery, Jüdische Gemeinde, S. 7; Schattner, Reichspogromnächte, S. 62 ff. sowie HStAM 274, Acc. 1981/57, 328
  2. Arnsberg, Jüdischen Gemeinden 1, S. 172 f.
  3. HStAM 190 a Homberg, 86
  4. Ortsartikel Falkenberg auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  5. Judentum in Falkenberg, S. 75 ff.
Recommended Citation
„Falkenberg (Schwalm-Eder-Kreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/334> (Stand: 11.7.2023)