Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Eberstadt Karten-Symbol

Gemeinde Darmstadt, Stadt Darmstadt — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1571

Location

64297 Darmstadt, Stadtteil Eberstadt, Heidelberger Landstraße 230 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Darmstadt II

religiöse Ausrichtung

orthodox

preserved

nein

Jahr des Verlusts

1938

Art des Verlusts

Zerstörung

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Seit Mitte des 13. Jahrhunderts gehörte Eberstadt in den Herrschaftsbereich des Hauses Frankenstein, deren Erben es 1661/62 an Hessen verkauften. Seit 1937 ist es Stadtteil von Darmstadt.

Der bislang älteste bekannt gewordene Hinweis auf einen in Eberstadt lebenden Juden stammt aus dem Jahr 1571, als der namentlich nicht Genannte neun Gulden vier Albus Schutzgeld zu entrichten hatte.1 Nur zehn Jahre später zahlte der Schutzjude Meyer aus Eberstadt exakt den gleichen Betrag.2 Bis 1589 lebte auch Seligman im Ort. Über viele Jahre blieb diese Zahl konstant, 1620 wurden dann Isaak, Jakob, Hirtz, David und Itzig genannt.3 Vermutlich im Laufe des 18. Jahrhunderts gründete sich eine eigenständige jüdische Gemeinde. Um 1770 lebten sechs Familien im Ort, 1830 waren es 66 Personen; diese Zahl erreichte 1861 mit 120 ihren höchsten Stand.4 Danach ging sie langsam zurück, lag 1905 bei 95 und 1933 bei rund 60.

Simon und Feist Reinheimer nahmen am Krieg 1870/71 teil. Ihre Namen sind auf dem Kriegerdenkmal festgehalten.

1930 gab in Eberstadt vier jüdische Metzgereien, es lebten dort 17 jüdische Kaufleute und Händler, ein Privatier, zwei Ärzte und ein Referendar.5

Bis Kriegsanfang konnte mehr als die Hälfte der jüdischen Einwohner aus dem Ort fliehen. In der Pogromnacht drangen Nationalsozialisten auch in private Wohnungen ein und misshandelten deren Bewohner teilweise schwer. Mindestens 20 Menschen aus Eberstadt wurden im Holocaust deportiert und ermordet.6

Seit 2005 werden in Darmstadt und seinen Stadtteilen Stolpersteine verlegt.

Betsaal / Synagoge

Mit der Gründung einer eigenen Gemeinde wird in einem heute nicht mehr bekannten Privathaus Gottesdienst gefeiert worden sein. 1843 erwarb die Gemeinde ein Haus und ließ es zur Synagoge umbauen.7

Nach dem Bau des neuen Rathauses 1847 in der Obergasse diente das alte Rathaus in der heutigen Heidelberger Landstraße als Synagoge. 1914 wurde das Gebäude abgebrochen und an gleicher Stelle ein repräsentativer Neubau errichtet.8 Die Einweihung fand am 5. September 1915 statt.

Es handelte sich um einen zweigeschossigen Backsteinbau mit Sandsteingewänden unmittelbar am Modauufer. Über dem der Straße zugewandten Eingang erhob sich ein Satteldach mit eingezogenem Geschossfries. Nach Westen schloss sich ein ebenfalls zweigeschossiger Querbau mit steilem Walmdach an. Der Zugang zur Frauenempore erfolgte durch das Schulzimmer.

Im Inneren befanden sich 60 Plätze mit Pulten für Männer, 30 für Frauen, eine Garderobenvorrichtung mit 90 Einheiten, ein Thoraschrein mit Altaraufbau, ein Vorleserpult mit Wickelbank, eine Gedenktafel aus Marmor, zwei bronzene Hängelampen, sechs bronzene Seitenlampen, ein Teppich vor dem Thoraschrein, ein Schrank für die Kultgegenstände, eine große Uhr und ein Ofen. Im Schulzimmer standen Bänke, Schrank, Tisch, Lehrerpult mit Stuhl, eine Wandtafel, Anschauungs- und Lehrmaterial und abermals ein Ofen. Darüber hinaus gab es noch ein vollständig eingerichtetes Sitzungszimmer.

Als Kultgegenstände waren vorhanden fünf Thorarollen, drei silberne Thorakronen, drei silberne Thoraschilder, zwei silberne Lesefinger, sieben Thoramäntel, 50 handbemalte oder goldbestickte Wimpel, zwei Thoraschreinvorhänge aus goldbesticktem Samt, zwei Decken für das Vorbeterpult, die Ewige Lampe aus Messing, ein siebenarmiger Leuchter aus Silber, ein Channukaleuchter aus Messing, 30 Seelenlichter, ein silberner Weinbecher, eine silberne Hawdallahgarnitur, ein Trauhimmel aus goldbesticktem Brokat, ein Megillah, ein Schofarhorn, zwölf Gebetmäntel, zwei Paar Phylakterien (Gebetriemen), 20 Gebetbücher, 20 Pentateuche, ein Satz Aufrufplatten und eine silberne Ethrogbüchse. Alles zusammen hatte einen Wert von fast 40.000 Mark.9

Am 10. November 1938 drang ein Trupp SA Leute in die Synagoge ein, warf die gesamte Einrichtung zusammen und zündete das Gebäude an. Der Platz wurde wenig später eingeebnet und ging in den Besitz der Stadt über, die dafür nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge eines Vergleichs 375 DM zu entrichten hatte.

Am früheren Standort der Synagoge steht heute ein Gedenkstein mit der Inschrift: „Hier stand die Synagoge der jüdischen Gemeinde Eberstadt, errichtet in den Jahren 1914/15, zerstört am 9. November 1938 in der Zeit des Naziregimes.“

Weitere Einrichtungen

Weitere Einrichtungen

Etwa 600 Meter östlich des Schwimmbades liegt an der Mühltalstraße das Judenbrünnchen, auch Judebörnchen genannt. Vermutlich im Rahmen des Straßenbaus um 1837 eingerichtet, markiert es die Stelle, bis zu der die in Eberstadt wohnenden Juden am Sabbat laufen durften, ohne die erlaubten 2.000 Ellen, etwa einen Kilometer, zu überschreiten.

Mikwe

Über eine Mikwe ist nichts bekannt geworden.

Schule

In der 1914/15 errichteten Synagoge gab es auch einen Schulraum.

Cemetery

Ein Rechnungsbuch aus dem Jahr 1680 deutet darauf hin, dass die in Eberstadt lebenden Juden Abgaben für den Friedhof in Bessungen zu entrichten hatten.10 Im gleichen Jahr wurden namentlich die in Eberstadt und Pfungstadt lebenden Juden aufgefordert, ihre Verstorbenen auf dem Friedhof im benachbarten Bessungen zu bestatten. Diesem Befehl kam man aber nicht nach und bestattete nun auf dem Friedhof in Alsbach. Hier bestehen 126 Grabsteine der Zeit von 1733 bis 1938.11

Alsbach, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Alsbach, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Fußnoten
  1. HStAD C 2, in 22/1
  2. HStAD O 61 Müller, in 3
  3. HStAD O 61 Müller, in 5
  4. Alicke, 2008, Sp. 1037
  5. HHStAW 503, 7380
  6. Heinemann, 2001, S. 52
  7. Intelligenzblatt der Stadt Bern vom 29. Mai 1843 nach http://www.alemannia-judaica.de/eberstadt_da_synagoge.htm
  8. Hess, Jüdische Mitbürger (Festschrift), 1982, S. 43
  9. HHStAW 518, 1405
  10. Hess, Jüdische Mitbürger, 1982, S. 20
  11. Heinemann, 2001, S. 52
Recommended Citation
„Eberstadt (Stadt Darmstadt)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/120> (Stand: 22.7.2022)