Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Dornheim Karten-Symbol

Gemeinde Groß-Gerau, Landkreis Groß-Gerau — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1653

Location

64521 Groß-Gerau, Ortsteil Dornheim, Rheinstraße 27 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Darmstadt II

preserved

nein

Jahr des Verlusts

1938

Art des Verlusts

Zerstörung

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Nach dem Dreißigjährigen Krieg vermietete die politische Gemeinde Dornheim ihre gemeindliche 700 Morgen große Viehweide unter anderem an Juden. Viele jüdische Händler ließen dort ihr Vieh weiden, darunter ein Flörsheimer Jude, der über ein Jahr lang dort eine Stute hielt. In dieser Zeit, 1653, wurde erstmals ein Dornheimer Händler namens Manasse genannt. 1665 wurde Simon und 1675 Wolf namentlich erwähnt. Um 1700 gab es zwei jüdische Familien im Ort, die sich überwiegend von Viehhandel ernährten.1 Im Zusammenhang mit den Judenlandtagen der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und seiner Wahl zum Vorsteher wurde Itzig Tornheim genannt. Er stammte aus Dornheim und war 1727 Untervorsteher, 1735, 1738 und 1741 Vorsteher der Landtage. 1746 wurde sein steuerpflichtiges Vermögen auf 3.000 Gulden veranschlagt.2 Dieser Itzig, auch Isaac genannt, hatte 1723 den Auftrag erhalten, für ein Jahr das fürstliche Magazin in Darmstadt mit Heu, Stroh, Hafer und anderen Gütern zu beliefern. Er galt als recht wohlhabend, konnte er doch zeitweise bis zu 20 Paar Ochsen auf der Weide halten. Neben ihm lebte noch Aaron mit seiner Familie in Dornheim, ab 1724 auch Löw, der ab 1730 den Beinamen Liebmann führte. Bis Ende des 18. Jahrhunderts stieg die Anzahl jüdischer Familien auf neun an. Zuletzt zog um 1770 Abraham zu, der 1809 den Familiennamen Pappenheimer annahm.

Bis 1828 stieg die Zahl der Gemeindemitglieder auf 56 an. 1837 wurde erstmals eine Synagoge erwähnt, die sich im Haus von Israel Flörsheimer befand.3

1860 zählte die Gemeinde 85 Mitglieder. Sie gab sich im Dezember 1863 zur Einweihung der neuen Synagoge eine Synagogenordnung und gehörte dem orthodoxen Rabbinat II Darmstadt an.

Lag die Zahl der Gemeindemitglieder während des Baus der Synagoge bei rund 100, sank sie im weiteren Verlauf des 19. Jahrhundert. Zwischen 1895 und 1928 verließen insgesamt 52 jüdische Einwohner das Dorf. Die überwiegende Mehrzahl verzog nach Groß-Gerau, Frankfurt, Darmstadt und eine Familie verzog nach Pfungstadt.4 1933 lebten noch zehn Familien in Dornheim.

Dies waren in der Rheinstraße 23 (zuletzt Gernsheimer Straße 9) die Familie Bendorf, die Handel mit Saatgut, Getreide und Düngemitteln betrieb. In der Mainzer Straße 18 handelte die Familie Dahlerbruch mit Vieh, in der Gernsheimer Straße 30 Familie Dahlerbruch mit Kaffee und Senf. In der Bahnhofstraße 75 unterhielt die Familie Kiefer eine Metzgerei und einen Viehhandel, ebenso wie die Familie Nassauer in der Gernsheimer Straße 21. Auch die Familien Pappenheimer in der Mainzer Straße 19 und 47 lebten vom Vieh- und Kleinhandel. Während die Familie Silbermann in der Heißfeldstraße 3 ihren Viehhandel mit einer Metzgerei verband, arbeitete ein Mitglied der Familie Kiefer nebenbei als Versicherungsvertreter. In der Bahnhofstraße 22 unterhielt die Familie Strauss ein Textilgeschäft, ging aber auch dem Hausierhandel nach. In der Gernsheimer Straße 15 führte schließlich Lina Wieseneck einen bescheidenen Handel mit Kurzwaren und Seifen.5

Nach der Brandstiftung und der Zerstörung der Synagoge am 10. November 1938 wurden die männlichen jüdischen Bewohner Dornheims zwischen 16 und 60 Jahren in sogenannte „Schutzhaft” genommen und in der Schule inhaftiert. Abends wurden jüdische Wohnungen aufgebrochen und unter großer Beteiligung auch ortsansässiger Bevölkerung geplündert.6

Die meisten der 1938 noch in Dornheim lebenden Juden wurden deportiert und ermordet.

Heute befindet sich am ehemaligen Standort der Synagoge ein Gedenkstein. Eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Opfer des Holocaust wurde im November 2013 vor dem Rathaus angebracht.

Betsaal / Synagoge

Bereits 1837 hatte die Gemeinde im Haus von Israel Flörsheimer einen Raum angemietet und als Betraum genutzt. Nachdem dieser für eine regelmäßige Nutzung zu klein geworden war, kam die Gemeinde Anfang der 1860er Jahre mit der Bitte um Genehmigung eines eigenständigen Synagogengebäudes ein. Diese Baugenehmigung wurde am 12. Juli 1860 erteilt. Die Baukosten wurden überwiegend über Darlehen finanziert, so hatte der örtliche Kirchenkasten 1.000 Gulden geliehen, einige Familien hatten ihre Privathäuser mit insgesamt 460 Gulden belastet. Nur etwa die Hälfte der damals in Dornheim lebenden 14 Familien, so eine zeitgenössische Schätzung, lebte wirtschaftlich auskömmlich.7 Als die Gemeinde 1861 schließlich noch um einen staatlichen Zuschuss zur Fertigstellung bat, wurde dieser abgelehnt, weil die Möglichkeiten der Rückzahlung als zu unsicher galten.

Wie unvermögend die Gemeinde war, wird durch einen Vorgang aus dem Jahr 1893 deutlich. Zu dieser Zeit war Emanuel Pappenheimer I. Vorsteher der Gemeinde und beantragte den Einbau eines Ofens. Dazu erhielt er auch die Genehmigung. Allerdings machten seine Mitvorstände den Antrag wieder rückgängig, weil die Gemeinde überschuldet und ein Ofen nicht nötig sei. Die Synagoge, so das Schreiben weiter, werde nur alle acht Tage für einen einstündigen Gottesdienst genutzt.

Dementsprechend befand sich die Synagoge Ende der 1920er Jahre in einem schlechten Zustand. Auf dem Grundstück standen zu dieser Zeit die Synagoge und ein Seitenbau, der die Mikwe enthielt. Um ausreichend finanzielle Mittel zu erwirtschaften, wurde ein Teil des Grundstücks verkauft und das Mikwengebäude abgebrochen. Aus dem Erlös und mehreren Sammelaktionen konnte die Synagoge neu verputzt werden.8

Am Morgen des 10. November 1938 fuhren drei Lastwagen mit auswärtigen SA-Leuten vor die Synagoge. Sie stiegen aufs Dach, rissen Ziegel und Sparren ab und drangen in das Gebäude ein. Wenig später entfernten sie sich wieder, das Gebäude brannte unmittelbar danach aus. Am späten Vormittag stieg ein Einwohner von Dornheim auf das Dach, warf Baumaterial und Ziegel herab und brachte die Materialien zu sich nach Hause. Ein anderer bemerkte dieses Tun und stellte dabei fest, dass der Giebel schwankte und einzustürzen drohte. Angeblich zum Schutz spielender Kinder riss er den Giebel ein. Die Synagoge wurde abends vollends abgebrochen, Bücher und Papiere verbrannt.9

Zu den Einrichtungsgegenständen gehörten 56 Sitzplätze mit Pulten für Männer und 33 Sitzplätze für Frauen. Die Garderobenvorrichtung bot Platz für 90 Einheiten. Ein Thoraschrein mit Altaraufbau war vorhanden, ebenso wie ein Almemor mit Vorlesepult und Wickelbank, ein Vorbeterpult, ein Kronleuchter, acht Seitenleuchter, zwei Leuchter am Thoraschrein, 20 Meter Läufer, ein Schrank für Kultgegenstände sowie ein Ofen und vieles andere mehr.

Das Grundstück ging 1941 in den Besitz der Jüdischen Reichsvereinigung über, die es 1942 an einen örtlichen Landwirt verkaufte, der im Zuge der Wiedergutmachung einen Betrag in Höhe von von 301 Mark an die JRSO nachzahlen musste.10

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Außer dem eigentlichen Synagogenraum bestand in einem Seitenbau des 1861 errichteten Gebäudes ein Badezimmer, dass vor allem den Frauen und Kindern als Mikwe diente. Die Aufsicht führte der jüngst gegründete Frauenverein, deren Mitglieder die Einrichtung unentgeltlich nutzen durften, während Nichtmitglieder eine Gebühr zu entrichten hatten.11 Es wurde in den 1920er Jahren abgebrochen, um einen Teil des Grundstücks verkaufen zu können.

Schule

Nach dem Neubau der Synagoge 1861 nutzte die Gemeinde zumindest zeitweise das alte Synagogengebäude auch als Schulgebäude für die Kinder. Das Sinken der Zahl jüdischer Einwohner kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert führte dazu, dass die Gemeinde ab 1905 gemeinsam mit Leeheim und Wolfskehlen einen Schulverband bildete. Dieser wurde 1908 um Geinsheim und Goddelau erweitert. Gleichwohl betrug 1911 die Schülerzahl nur noch neun.12

Cemetery

Die Verstorbenen der Gemeinde wurden in Groß-Gerau bestattet.

Groß-Gerau, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustrations

Fußnoten
  1. Reichsdorf Dornheim, S. 101
  2. Heinemann: Neunhundert Jahre Geschichte der Juden in Hessen, S. 188, 212 (Fußnote 400)
  3. Reichsdorf Dornheim, S. 103
  4. Schleindl: Verschwundene Nachbarn, S. 173
  5. Schleindl: Verschwundene Nachbarn, S. 174 ff.
  6. Schleindl: Verschwundene Nachbarn, S. 183
  7. HStAD G 15 Groß-Gerau, L 21
  8. HHStAW 503, 7385, Bd. 8
  9. Vorndran/Ziegler: Juden in Großgerau, S. 77
  10. HHStAW 518, 1408
  11. HStAD G 15 Groß-Gerau, L 7
  12. Reichsdorf Dornheim, S. 104
Recommended Citation
„Dornheim (Landkreis Groß-Gerau)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/34> (Stand: 22.7.2022)