Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Dieburg Karten-Symbol

Gemeinde Dieburg, Landkreis Darmstadt-Dieburg — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

um 1330

Location

64807 Dieburg, Markt 17 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Darmstadt II

religiöse Ausrichtung

orthodox

preserved

nein

Jahr des Verlusts

1986

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Nach der Erteilung der Stadtrechte 1277 gelang es dem Erzstift Mainz bis 1310 alle Anteile an Dieburg zu erwerben. Von kurzfristigen Verpfändungen abgesehen, gehörte die Stadt seitdem bis 1803 zum Kurstaat Mainz und war Sitz des gleichnamigen Amtes.

Um 1330 wurde mit Vivis, Sohn des Heydorn, erstmals ein Jude in Dieburg genannt. Nur wenige Jahre später, 1346/1348 lebten fünf jüdische Familien in der Stadt, die vermutlich bereits eine eigene Gemeinde bildeten. Eine „Judenschule“ wird erstmals 1389 erwähnt. Diese Entwicklung ging in Folge der großen Pestwelle Mitte des 14. Jahrhunderts zurück und fand mit der Durchführung des 1470 von Erzbischof Adolf von Mainz verfügten Ausweisungsgebotes zumindest für die Städte ein vorläufiges Ende.1 Der um 1550 erfolgte Verkauf eines Dieburg Grundstücks als jüdischer Begräbnisplatz deutet darauf hin, dass sich die aus den Städten vertriebenen Juden in den ländlichen Regionen niederließen. Der Dreißigjährige Krieg drehte diese Entwicklung um und führte zu einer Flucht in die städtischen Zentren, zu denen abermals auch Dieburg gehörte.

Ende des 17. Jahrhunderts lebten regelmäßig fünf bis sechs jüdische Familien der Stadt, 1802/1803 waren es acht Familien mit 35 Personen. Sie wohnten überwiegend in der westlichen Zuckerstraße und am Markt.2 Im Laufe des 19. Jahrhunderts stieg die Anzahl jüdischer Einwohner über 107 Personen in 1828 auf 144 in 1856, um 1880 mit 169 Personen ihren höchsten Stand zu erreichen, der nur um 1925 kurzfristig mit 175 Personen überschritten wurde. Diese Entwicklung zog 1928/1929 letztlich auch den Bau einer neuen Synagoge am Markt nach sich.

Mit der Machtübernahme begannen auch in Dieburg Repressalien und Misshandlungen. So schlugen SA-Leute am 15. April 1933 Albert Krämer zusammen, am 24. Oktober 1933 schossen sie mit scharfer Munition in das Schlafzimmer der Familie Kurzmann.3 Im Zuge der antisemitischen Ausschreitungen wurden nach der Beschädigung der Synagoge auch private Wohnungen überfallen, Juden in „Schutzhaft“ genommen und nach Buchenwald deportiert. Mindestens ein Mitglied der Familie Lorch wurde dabei ermordet. Die wirtschaftlichen Boykotte und fortgesetzten Diskriminierungen führten dazu, dass ein Großteil der jüdischen Einwohner aus Dieburg floh. Fast alle der verbliebenen Personen wurden 1942 deportiert und ermordet.

Im Oktober 1946 wurde in Dieburg ein DP-Lager eingerichtet und die Displaced Persons in Privathäusern am südöstlichen Stadtrand untergebracht. Obwohl Dieburg mit seiner überwiegend katholischen Bevölkerung weit weniger für die nationalsozialistischen Parolen anfällig gewesen war, als das evangelische Umland, kam es besonders zur Jahreswende 1946/47 zu handgreiflichen Übergriffen und zum Einwerfen von Fensterscheiben an den überwiegend von Juden bewohnten Häusern.

Betsaal / Synagoge

Eine „Judenschule“, deren Standort heute nicht mehr bekannt ist, wurde 1389 erstmals genannt. Es wird vermutet, dass sie in der damaligen Judengasse, im Bereich der heutigen Klosterstraße, gelegen hat.4 1849 erwarb die Gemeinde das Grundstück Steinstraße 13 und richtete dort im Hinterhaus einen Betsaal ein. Einige Jahre später verlegte sie diesen in das Anwesen Zuckerstraße 17.5 Hier befanden sich hinter dem Wohnhaus ein Schlachthaus und ein Stall. Darüber befand sich ein großer Saal, in dem „Schul“ gehalten wurde. Nachdem dieser die steigende Zahl der Gottesdienstbesucher nicht mehr aufnehmen konnte, erwarb die Gemeinde 1868 das Grundstück Markt 17 und ließ das darauf stehende barocke Adelspalais nach Plänen des jüdischen Baumeisters Heinrich Callmann in eine Synagoge mit Lehrerwohnung umbauen. Die Einweihung fand am 5. Februar 1869 statt. Mit der zentralen Lage ihrer Synagoge unweit der Einmündung der Zuckerstraße auf den Markt demonstrierte die Gemeinde sowohl ihr Selbstbewusstsein, als auch ihre Emanzipation und Integration.

Nach fast 60jähriger Nutzung war die Synagoge baufällig geworden, weswegen sie 1928 geschlossen wurde. Die Gemeinde beauftragte den Wiesbadener Architekten Rudolf Joseph mit den Planungen für den Bau eines neuen Gotteshauses auf dem gleichen Grundstück. Zunächst sah Joseph eine Kuppelsynagoge mit zwei Seitenflügeln vor. Die Kosten dafür überstiegen jedoch die finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde und der Entwurf wurde nicht realisiert. Während Joseph seine Pläne umarbeitete, bemühte sich die Gemeinden um Spendengelder. Trotz unzureichender Finanzierung begann noch 1928 der Neubau, der im Juni 1929 eingeweiht wurde. Die neue Synagoge fand schnell ein Echo auch in der weiteren Region. So veröffentlichte die Nassauische Heimat einen Beitrag, dessen namentlich nicht genannter Verfasser das Gebäude architektonisch auf eine Stufe mit den katholischen Kirchen Sankt Bonifatius und Frauenfriedenskirche in Frankfurt und der neuen evangelischen Kirche in Bischofsheim stellte. Er hob hervor, dass sich der Architekt eng an die Bedeutung des Wortes Synagoge als Andachtsraum gehalten habe und fuhr fort „Hinter dem schlichten Äußeren mit seiner Putzfassade und sparsamen Muschelkalkgliederung, das aber schon von außen klar die Gliederung zeigt – überhöhter Betsaal, vorgesetzter Raum zur Aufbewahrung der Thorarollen, seitlich breite Treppenhausflügel, oben Austritte von der Frauengalerie, unten die beiden Haupteingänge – bildet der Mittelbau im Inneren einen schlichten, feierlich wirkenden Saal. Die Stimmung eines feierlichen Betsaals wird erreicht durch eine – bis zur Balkendecke mit zwischenliegenden Putzfeldern - hochsteigende Sperrholztäfelung, die, ungebeizt, nur durch ihre schöne Maserung wirkt - übrigens eine Arbeit des Wiesbadener Schreinermeisters Feß. Die Fenster sind in antiken, vielfarbigen Gläsern, leicht von außen getupft, verglast, und ein warmes, festliches Licht breitet sich über den Holzflächen aus. Alle Beleuchtungskörper sind als Röhrenlampen aus Altsilber hergestellt. Als Ehrung für die Gefallenen sind entsprechende kleinere Lampen an der Stirnwand angebracht. Das – aus Ersparnisgründen beibehaltene – alte Gestühl ist grau gestrichen und steht gut zu dem braunroten Steinholzfußboden. Als Stoff wirkt nur der blaue Altarvorhang und die Decke mit Silberstickereien. Die Frauenplätze befinden sich, einem alten Brauch folgend, oben auf seitlichen Galerien. Der Raum unter den Galerien ist ausgenutzt durch Garderobenräume, Bad mit Vorraum, das rituellen Vorschriften entspricht, sowie einen Nebenbetsaal für Wochentage. Die vorgesehene Gasheizung ist noch nicht angeschlossen, da die Stadt eben erst mit Gas versehen wird. Auch die Frage der Wasserbeschaffung war in Ermangelung einer Wasserleitung eine recht schwierige. Als Hauptmerkmal des Baues möge betont sein, daß Sachlichkeit und feierliche Schlichtheit – unter Vermeidung jeglichen zeitgebundenen Schmucks – angestrebt ist, ferner daß merkwürdigerweise von Eisen und Beton in den Konstruktionen kein Gebrauch gemacht werden konnte, da die Stadtgemeinde Dieburg in loyalster Weise das gesamte Bauholz aus ihren Waldungen kostenlos beigesteuert und so der Synagogengemeinde einen großen Dienst erwiesen hat.“6

Trotz dieser positiven Darstellung geriet Joseph wegen der Ausführung so in die Kritik, dass er sich veranlasst sah, in der Starkenburger Povinzial-Zeitung eine Rechtfertigung abzudrucken. Dabei betonte er, dass er sich aufgrund der misslichen finanziellen Lage gezwungen gesehen hatte, „ ein völlig neues, viel einfacheres Projekt aufzustellen, das auch konstruktiv von ganz anderen Voraussetzungen ausging. Besonders das große Entgegenkommen der Stadtgemeinde Dieburg, 50 Festmeter Holz aus städtischen Waldungen kostenlos zum Bau zuzusteuern, wurde Veranlassung, das ursprünglich als Eisenbetonkuppelbau geplante Synagogengebäude ganz auf heimische Bauweise, Backsteinwände und Holzbalkendecken und Balkendach um zu konstruieren. […] Da es galt, den seitherigen Bau wegen der darin enthaltenen Wohnungen sowie das Bad möglichst lange zu erhalten, wurde der Neubau so dimensioniert, daß er genau zwischen beiden Bauten errichtet werden konnte, ohne diese zunächst abzubrechen. Um das Gebäude in seinen Breiten imposant erscheinen zu lassen, wurde der eigentliche Saalbau mit seiner Schmalseite von 8 Meter Breite in die Mittelachse gelegt und höher als die je 5 Meter breiten seitlich gelagerten Treppenhäuser geführt. Jedoch wurde aus Ersparnisgründen der Fußboden etwa in die Höhe des alten Hofniveaus gelegt, somit 60 Zentimeter tiefer als das vorüberlaufende Straßenniveau, eine Tatsache, die, wie mir wohlbekannt ist, vielfach angefeindet wurde. Aber keiner dieser Gegner stellte die 4000 Mk. zur Verfügung, die die Unterkonstruktion des Fußbodens, die Vergrößerung des Mauerwerks gekostet hätte, und so fühle ich mich entlastet, umso mehr als durch die damals nicht allerseits bekannte, aber bereits festgelegte, gärtnerische Anlage des Vorhofes dieser „Mißstand“ nicht aufgehoben wurde, sondern meinen Wunsch unterstützte, eine breitgelagerte Gebäudegruppe schaffen zu dürfen. Das Gebäude selbst ist gegliedert in den mittleren, überhöhten, eigentlichen Betsaal und in zwei seitliche, niedrigere und nur 3,25 Meter breite Schiffe, die oben beiderseits die Frauengalerien enthalten, unten auf der einen Seite das rituelle Frauenbad mit Ankleideraum, auf der entgegengesetzten eine kleine Wochentagssynagoge, ferner beiderseits Garderobenräume, die zugleich als Windfänge dienen. […]

Formal habe ich versucht, zeitlos und dennoch modern zu bauen. Jedes Ornament ist dem Wechsel der Zeiten unterworfen, darum ließ ich's weg. Ein Bau hängt in seiner Wirkung niemals vom Zierrath, sondern nur von anständigen Proportionen ab. Ob dies gelungen ist, darüber müssen andere beurteilen, das ist nicht meine Sache.“7

Bereits 1914 hatte die jüdische Gemeinde die alte Synagoge mit einer Hypothek belasten müssen. Diese Belastung war bis zum Neubau 1928 nicht abgelöst. Um den Bau dennoch realisieren zu können, mussten weitere Darlehen aufgenommen werden, darunter eines bei der Hessischen Landesbank, für das die bürgerliche Gemeinde Dieburg eine selbstschuldnerische Bürgschaft übernahm. Ab 1932 geriet die Gemeinde mit ihren Rückzahlungen in Rückstand, was sich nicht zuletzt durch die nationalsozialistischen Repressalien und wirtschaftlichen Boykotte gegen ihre Mitglieder verstärkte. Daher beantragte die Bezirkssparkasse Umstadt im Juli 1937 eine Zwangsversteigerung aus einem Teilbetrag. Am 12. November 1938 ersteigerte daraufhin die bürgerliche Gemeinde die Synagoge für 2.000 Reichsmark. Damit ging das Gebäude in deren Eigentum über. Vermutlich war dies einer der Gründe, warum die Synagoge in der Pogromnacht nicht angesteckt wurde. Gleichwohl wurde die Inneneinrichtung demoliert.8

Vor ihrer Zerstörung enthielt die Synagoge 124 Sitzplätze mit Pulten für Männer, 80 Sitzplätze für Frauen, eine Garderobenvorrichtung mit 200 Einheiten, einen Thoraschrein mit einem mit Edelholz verkleideten Altaraufbau, einen Almemor mit Vorlese- und Wickelpult, ein Vorbeterpult, einen modernen Kronleuchter, vier Hängeleuchter, zwölf Seitenleuchter, zwei Leuchter am Thoraschrein, einen sehr guten Teppich, 30 Meter sehr guten Läufer und einen Schrank für Kultgegenstände. Darüber hinaus befanden sich in der Wochentagssynagoge 20 weitere Plätze, ein Thoraschrank und ein Vorbeterpult. Im Gebäude befanden sich weiterhin das Frauenbad, eine Abort- und Waschanlage sowie weitere Einrichtungen.9

Über den Verbleib der Kultgegenstände liegen unterschiedliche Angaben vor. Einmal heißt es, sie seien nicht zerstört, sondern im Turm der katholischen Kirche aufbewahrt worden10, ein anderes Mal, sie seien in die Synagoge nach Darmstadt ausgelagert worden.11 Darunter befanden sich acht Thorarollen, sechs antike silberne Thorakronen, vier Paar antike silberne Thoraaufsätze mit Schellen, vier antike silberne Thoraschilder, ein antiker silberner Lesefinger, ein Lesefinger aus Holz, acht goldbestickte Thoramäntel, 20 handbemalte Wimpel, drei Thoraschreinvorhänge aus Samt, zwei Deckengarnituren für Rabbiner- und Vorleserpulte, zwei Decken für Vorleserpult, eine Ewige Lampe aus Messing, ein siebenarmiger, antiker silberner Leuchter, ein antiker silberner Channukaleuchter, ein antiker silberner Weinbecher, eine Megilla, ein Schofarhorn, ein antikes silbernes Priesterwaschbecken mit Kanne, eine antike silberne Ethrogbüchse und anderes. Der Wert aller Gegenstände wurde auf 85.550 DM taxiert.12 Unter den hier aufgelisteten Gegenständen befanden sich auch die Kultgeräte aus den Synagogen in Habitzheim, Langstadt, Lengfeld, Ober-Klingen, Sickenhofen und Urberach.13

Nach Auskunft des örtlichen Pfarrers gelangten noch 1938 Kultgegenstände im Zuge von Sachzuteilungen an einen Hausschuhmacher in Dieburg. Dabei handelte es sich vorwiegend um Thoramäntel und Thorarollen. Ihre Herkunft konnte nicht eindeutig bestimmt werden. Der Pfarrer stellte sie im Turm seiner Kirche sicher und übergab sie zum Ende des Krieges einem US-amerikanischen Soldaten. Nach 1945, als die Synagoge vorübergehend von Insassen des DP- Lagers genutzt wurde, fanden sich einige Kultgegenstände wieder. Es handelte sich wohl um 250 Thorarollen, angeblich sollen sich einige aus der Bibliothek Antwerpen darunter befunden haben.14

Nach dem Eigentümerwechsel diente die Synagoge kurzzeitig als städtisches Magazin und Werkstätte. Die über den Marktplatz ragende Nische für den Thoraschrein wurde 1939 abgebrochen und an ihrer Stelle ein Fenster eingesetzt. Zeitweise waren hier Räume des Reichsarbeitsdienstes untergebracht. Nach dem Krieg wurde das Gebäude renoviert und am 29. Juli 1947 wieder als Synagoge eingeweiht und bis 1948 genutzt.15 Nachdem die letzten Juden bis 1952 das DP-Lager verlassen hatten, verkaufte die IRSO das Gebäude an eine örtliche Möbelfirma. Zeitweise als Kino und Supermarkt genutzt, ging es 1986 in den Besitz der Sparkasse über, die es abreißen und an seiner Stelle einen Neubau errichten ließ.16

Heute erinnert eine Bronzetafel an den Standort.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Ein erster Hinweis auf eine Mikwe in Dieburg stammt aus der Zeit um 1848, als im Keller des Hauses von Jakob Goldschmidt in der Zuckerstraße ein Badebecken ausgehoben wurde. Aufgrund der bestehenden hygienischen Verordnungen forderte der Kreisrat noch im gleichen Jahr den Bürgermeister auf, dieses Bad binnen acht Tagen wieder schließen zu lassen, was auch geschah.17

Vermutlich gab es auch in den folgenden Jahren private und/oder gemeindliche Mikwaot, über die allerdings nichts bekannt ist. Als sich die Gemeinde 1868/1869 die Synagoge am Markt bauen ließ, wurde in einer Scheune im hinteren Bereich des Grundstücks das Badehaus eingerichtet.

Auch in der 1928 erbauten Synagoge befand sich ein rituelles Tauchbad.

Schule

Seit Mitte des 18. Jahrhunderts besuchten auch die jüdischen Kinder die katholische Konfessionsschule, erhielten jedoch eigenen Religionsunterricht. Als sich die jüdische Gemeinde auf dem Grundstück in der Steinstraße einen Betsaal einrichtete, wohnte im Vorderhaus der Lehrer Mordechai Kunreuther, der diesen Unterricht erteilte. Mit Umzug der Synagoge in die Zuckerstraße wurde auch die Schule dorthin verlegt. Später fand bis etwa 1929 Schule in dem Gebäude einer Konditorei in der Rheingaustraße 27 statt.

Ab 1934 dürften die jüdischen Schüler die Höheren Schulen nicht mehr besuchen, sondern mussten jetzt in die jüdische Bezirksschule in Darmstadt gehen.18

Cemetery

Um 1550 erhielten die beiden Juden Aron und Amschel einen Platz nördlich der Stadt beim „Elenden Creutz“ unweit der Straße nach Münster als Begräbnisplatz angewiesen. Eine erste Ummauerung dürfte aus dem frühen 17. Jahrhundert stammen, eine Inschrift in einem heute zugemauerten Torgewände weist auf 1721. Ältere Hinweise auf Bestattungen finden sich in den städtischen Rechnungsbüchern,19 die auch auf den Einzugsbereich des Friedhofs weisen: Die Verstorbenen kamen aus Georgenhausen und Spachbrücken, Groß-Zimmern, Reinheim, Habitzheim, Lengfeld am Otzberg, Groß-Umstadt und Semd sowie Eppertshausen, Messel und Münster. Aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts finden sich zudem Belege für Bestattungen aus Babenhausen.

Dass sich keine Grabsteine der Zeit vor 1715 finden lassen, wird, darauf deuten Höhenunterschiede auf dem Friedhofsgelände hin, daran liegen, dass Teile dieses Geländes für eine Zweitbelegung aufgeschüttet wurden.20

Nach Anwachsen der jüdischen Bevölkerung des Umlandes wurde der Friedhof zunächst 1812, 1830, 1880 und zuletzt 1927 erweitert. 1843 kam es erstmals zu einer Schändung, als mehrere Grabsteine beschädigt wurden.

Mit dem Ausbau der Straße von Dieburg nach Münster verlegte man den Eingang des Friedhofs von der Südseite an diese Straße im nordöstlichen Bereich und errichtete dort 1853 eine neue Leichenhalle.

Im 19. Jahrhundert gehörten zum Dieburger Friedhofsverband außer Dieburg selbst noch Eppertshausen, Georgenhausen, Groß-Bieberau, Groß-Zimmern, Gundernhausen, Habitzheim, Lengfeld, Messel, Münster, Ober-Klingen, Ober-Ramstadt, Reinheim, Roßdorf und Urberach. Hinzu kamen die Verstorbenen aus Klein-Umstadt, Raibach, Semd, Spachbrücken, Ueberau und Zeilhard, in denen keine selbstständigen Gemeinden bestanden.21

Nach der Flucht, Vertreibung und Ermordung vieler Juden brachen die Bestattungen 1938 ab. In Zusammenhang mit der Pogromnacht wurden zahlreiche Grabsteine umgestürzt. Wohl zu Beginn der 1940er Jahre verwendete man rund 200 entwendete Grabsteine für einen Treppenbau am Schloss Fechenbach.22

Zwischen 1945 und Ende 1948 fanden noch vier Bestattungen von Verstorbenen aus den umliegenden DP-Lagern statt. Im gleichen Jahr wurden die Grabsteine aus dem Schlossbau in die ehemalige Synagoge gebracht, dort durch den Rabbiner Bluth neu geweiht und – weil man ihren originalen Standort nicht mehr feststellen konnte – an der östlichen Friedhofsmauer aufgestellt. Einige Steine mit nicht mehr lesbaren Inschriften stellte man zu einer Pyramide zusammen.

1955,1976 und 1982 kam es abermals zu Schändungen des Friedhofs. Wenig später ließ die Stadt Dieburg, der die Pflege des Friedhofs oblag, mit Genehmigung des Landesrabbiners alle nicht mehr standfesten Steine mit der Inschrift nach oben auf die Gräber legen. Ab 1990 kam es zu umfassenden Sanierungen, bei denen auch Grabsteine gereinigt und neu aufgestellt wurden.23

Dieburg, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Dieburg, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Indices

Persons

Vivis · Heydorn · Adolf, Erzbischof von Mainz · Krämer, Albert · Kurzmann, Familie · Lorch, Familie · Callmann, Heinrich · Joseph, Rudolf · Feß · Kunreuther, Mordechai · Goldschmidt, Jakob · Aron · Amschel · Bluth, Rabbiner

Places

Frankfurt am Main · Bischofsheim · Darmstadt · Habitzheim · Langstadt · Lengfeld · Ober-Klingen · Sickenhofen · Urberach · Antwerpen · Münster · Georgenhausen · Spachbrücken · Groß-Zimmern · Reinheim · Groß-Umstadt · Semd · Eppertshausen · Messel · Babenhausen · Groß-Bieberau · Gundernhausen · Ober-Ramstadt · Roßdorf · Klein-Umstadt · Raibach · Ueberau · Zeilhard · Fechenbach, Schloss

Sachbegriffe Geschichte

Mainz, Erzstift · Mainz, Kurfürstentum · Dreißigjähriger Krieg · Buchenwald, Konzentrationslager · DP-Lager · Displaced Persons · Wochentagssynagogen · Reichsarbeitsdienst

Sachbegriffe Ausstattung

Thorarollen · Altarvorhänge · Thoraschreine · Altaraufbauten · Almemore · Vorlesepulte · Wickelpulte · Vorbeterpulte · Kronleuchter · Hängeleuchter · Seitenleuchter · Leuchter · Teppiche · Läufer · Schränke · Thorakronen · Thoraaufsätze · Schellen · Thoraschilde · Lesefinger · Thoramäntel · Wimpel · Thoravorhänge · Decken · Ewige Lampen · Chanukkaleuchter · Weinbecher · Megillot · Schofarot · Priesterwaschbecken · Etrogbüchsen

Sachbegriffe Architektur

Kuppelsynagogen · Putzfassaden · Austritte · Frauenemporen · Balkendecken · Sperrholztäfelungen · Steinholzfußböden · Gasheizungen · Gedenktafeln

Fußnoten
  1. Franz/Wiesner, Friedhof Dieburg, S. 3
  2. Keim, Juden in Dieburg, S. 17
  3. Keim, Juden in Dieburg, S. 228
  4. Keim, Juden in Dieburg, S. 145
  5. Schmidt, Israelitische Gemeinde, S. 316
  6. Nassauische Heimat Nr. 10, 1929, S. 72
  7. zitiert nach Keim, Juden in Dieburg, S. 159-160
  8. Keim, Juden in Dieburg, S. 175
  9. HHStAW 518, 1409
  10. HHStAW 503, 7382
  11. HHStAW 518, 1409
  12. HHStAW 518, 1403
  13. HHStAW 518, 1409
  14. HHStAW 503, 7382
  15. … wohnen auf der verfluchten deutschen Erde, S. 43
  16. … wohnen auf der verfluchten deutschen Erde, S. 44
  17. Keim, Juden in Dieburg, S. 145
  18. Keim, Juden in Dieburg, S. 203
  19. Franz/Wiesner, Friedhof Dieburg, S. 11
  20. Franz/Wiesner, Friedhof Dieburg, S. 12
  21. Franz/Wiesner, Friedhof Dieburg, S. 13
  22. Franz/Wiesner, Friedhof Dieburg, S. 14
  23. Franz/Wiesner, Friedhof Dieburg, S. 14
Recommended Citation
„Dieburg (Landkreis Darmstadt-Dieburg)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/115> (Stand: 22.7.2022)