Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Züntersbach Karten-Symbol

Gemeinde Sinntal, Main-Kinzig-Kreis — Von Susanne Gerschlauer
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1763

Location

36391 Sinntal, Ortsteil Züntersbach, Kasseler Straße 12 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Hanau

preserved

nein

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Das heute zur Gemeinde Sinntal gehörende Dorf wurde als „locus“ erstmals Anfang des 10. Jahrhunderts erwähnt.1 1015 überlässt das Kloster Fulda den Ort dem Kloster Schlüchtern als Lehen, bis 1167 war es unter dessen Verwaltung.

Schon im 13. Jahrhundert erfuhr der geografisch zur Rhön gehörende Ort eine Teilung unter zwei Herrschaftsbereiche. Durch Ulrich von Steckelbergs Verkauf seines Anteils am Dorf an seinen Bruder, einen Probst des Klosters Fulda im Jahr 1293, kam der talwärts zum Schluppbach gelegene Teil des Orts durch Realteilung in den Besitz des Klosters Fulda. Der restliche Teil, überwiegend mit Häusern am Berg nach Oberzell und Schwarzenfels gelegen, war seit dem ersten Drittel des 14. Jahrhunderts in Gräflich Hanauischem Besitz. Er gehörte zum Gericht Altengronau, seit dem 15. Jahrhundert im Amt Schwarzenfels, Grafschaft Hanau-Münzenberg. Der andere Teil des Ortes gehörte um 1499 zum Amt Brückenau und Schildeck. Allerdings bestand keine eindeutige Trennungslinie zwischen den Herrschaftsbereichen. Die Wohnhäuser gehörten somit stellenweise, obwohl in einer Straße gelegen, jeweils zu einer anderen Herrschaft. Im Zuge der Reformation erfuhr der Ort eine weitere Teilung durch die Zugehörigkeit zum katholischen (fuldischen Besitz) und reformiert-lutherischen (hanauischen Besitz) Glauben. 1643 (oder erst 17362)wurde der hanauische Teil des Ortes als Pfand an die Landgrafschaft Hessen-Kassel übergeben und blieb seitdem in deren Besitz. Bis 1867 gehörte dieser hessische Teil des Ortes zum Verwaltungsamt und Gericht Schwarzenfels. Im beginnenden 19. Jahrhundert hatte der ehemals fuldische Teil des Ortes eine bewegte Herrschaftsgeschichte, darunter waren das Fürstentum Oranien-Nassau (1802-1806), französische Verwaltung (1806-1810), Großherzogtum Frankfurt, gemeinsam mit dem landgräflichen Teil (1810-1813), österreichische Verwaltung (1813-1816). 1816 kam dieser, ehemals Fuldaer, Teil des Orts an das Königreich Bayern. 1819 erfolgte die Gründung des Landgerichts Brückenau.3 1863 erfolgte die Vereinigung des Ortes durch den Staatsvertrag mit Gebietstausch zwischen Kurhessen und Bayern, Züntersbach kam zu Kurhessen. 1866 wurde das Dorf preußisch.4 Seitdem gehörte es zum Kreis Schlüchtern, bevor es am 1.1.1974 in die Gemeinde Sinntal eingegliedert wurde.5

Der Ort liegt in unmittelbarer Grenznähe zu Bayern (heute Landkreis Bad Kissingen) und besaß in dem etwa sieben Kilometer östlich gelegenen bayrischen Brückenau eine Stadt, in der vermutlich bereits vor dem 17. Jahrhundert jüdische Menschen lebten. 1671 wurden sie durch staatliche Dekrete aus Brückenau vertrieben. Vermutlich zogen einige von ihnen bereits in dieser Zeit nach Züntersbach, in den hanauischen Teil, um.

Wohl in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestand zwischen Züntersbach und den Juden, die in Brückenau lebten, eine gemeinsame Synagogengemeinde.6 Ob bereits zuvor eine jüdische Gemeinde am Ort bestand, ist bisher unklar. Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde war um 1881 Herr Levisohn.7

1725 wurden Juden in Züntersbach verpflichtet, gelbe Ringe an ihrer Kleidung zu tragen.8 Die im 19. Jahrhundert vom Handel mit Vieh, Krämerwaren und Lumpen lebenden Juden waren überwiegend arm. 1827 waren drei in Züntersbach lebende Juden steuerpflichtig. 1835 lebten auf hessischer Seite 59 Juden (von 387 Einwohnern).9 1842 lebten ca. 60 Juden im hessischen Teil Züntersbachs und ca. 30 im bayrischen Teil. 1863 lebten 33 Juden im hessischen Teil des Ortes, 1872 waren es 52. 1880 lebten im nun vereinigten Dorf 90 Juden und stellten damit mehr als neun Prozent der Gesamtbevölkerung. 1861 wurden im Königreich Bayern die Judenmatrikel aufgehoben, die der Mehrheit der Juden u.a. verboten hatten, in der Stadt Brückenau zu leben. Um 1898, vielleicht nach dem Brand des Gottesdienstgebäudes, zogen einige der in Züntersbach lebenden 15 bis 20 jüdischen Familien nach Brückenau um.10 In dieser Zeit wurde die Synagogengemeinde Züntersbach aufgegeben, die Züntersbacher Juden wurden der Synagogengemeinde Brückenau zugeordnet.11

Von den in Züntersbach geborenen bzw. längere Zeit am Ort lebenden jüdischen Menschen sind die folgenden 18 durch die Umsetzung der nationalsozialistischen Gesetze ermordet worden: Bertha Ehrenreich geb. Zeller, Isaak Goldschmidt, Max Goldschmidt, Sara Lehmann geb. Sonn, Mathilde Leopold geb. Zeller, Leo Lion, Fanny Mändle geb. Marx, Salomon Marx, Recha Meyer geb. Stern, Johanna (Hanna) Rollmann geb. Sonn, Rita Seligmann geb. Stern, Salomon Sonn, Simon (Samson) Sonn, Markus Stern, Moses Stern, Sigmund Stern, Max Zeller, Moritz Zeller.

Betsaal / Synagoge

Ob es eine Vorgängereinrichtung zur heute bekannten Synagoge bzw. Betsaal gab ist nicht überliefert.

Ein Betsaal oder ein Synagogengebäude12 bestand jedenfalls im 19. Jahrhundert an der Hauptdurchgangsstraße, der heutigen Kasseler Straße 12, die von Westen nach Norden führt und über Züntersbach Schwarzenfels mit Oberzell verbindet. Offenbar brannte das Gebäude Ende des 19. Jahrhunderts teilweise ab und wurde dann verkauft.13 Nach Renovierung diente das Gebäude bis 1960 als Schreinerei, im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts wurde es abgerissen. An seiner Stelle steht heute ein neu errichtetes Wohnhaus.

Die Synagoge hatte möglicherweise einen steinernen Almemor, teilweise eine farbige Wandfassung und eine gewölbte Decke.14 Heute bestehen weder erkennbare Hinweise auf den ehemaligen Standort des Gebäudes, noch zur jüdischen Gemeinde Züntersbach.

Der Vorsänger in Züntersbach war auch Religionslehrer und führte die rituellen Schlachtungen aus.15

Benachbart zur Kasseler Str. 17 existierte ein Schlachthaus, in dem nach jüdischem Ritus geschlachtet wurde.16

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Es gab offenbar eine Mikwe (heute ein kleiner Fischteich in privatem Besitz).17

Schule

1866 lebte in Züntersbach der Religionslehrer Wolf Lyon.18 Vermutlich seit um 1881 war gemeinsam mit der selbstständigen jüdischen Gemeinde im etwa 3,5 Kilometer nordwestlich benachbarten Oberzell19 ein Religionslehrer angestellt, der in Züntersbach neben dem Synagogengebäude wohnte. Er ging zweimal pro Woche nach Oberzell zum Unterrichten.20 Um 1886, auch noch 1896, war M. Silbermann der Religionslehrer, 1897 war Samuel Silbermann Religionslehrer.21

Cemetery

Die Toten der Gemeinde wurden zwischen 1778 bis 1936 auf dem jüdischen Friedhof in Altengronau beigesetzt.22 Wo der Bestattungsort vorher lag, ist bisher unbekannt. Vielleicht befand er sich auf dem jüdischen Friedhof der jüdischen Gemeinde Brückenau, in Pfaffenhausen. Die Züntersbacher Juden waren bereits bis 1671 mit den Juden aus Brückenau zu einer Synagogengemeinde zusammengeschlossen gewesen. Der Friedhof war offenbar um 1560 angelegt und um 1671 aufgelassen worden.23 Seine genaue Lage ist bis heute nicht bekannt.

Altengronau, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Altengronau, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Indices

Persons

Steckelberg, Ulrich von · Levisohn · Ehrenreich, Bertha, geb. Zeller · Zeller, Bertha · Goldschmidt, Isaak · Goldschmidt, Max · Lehmann, Sara, geb. Sonn · Sonn, Sara · Leopold, Mathilde, geb. Zeller · Zeller, Mathilde · Lion, Leon · Mändle, Fanny, geb. Marx · Marx, Fanny · Marx, Salomon · Meyer, Recha, geb. Stern · Stern, Recha · Rollmann, Johanna, geb. Sonn · Sonn, Johanna · Rollmann, Hanna, geb. Sonn · Sonn, Hanna · Seligmann, Rita, geb. Stern · Stern, Rita · Sonn, Salomon · Sonn, Simon · Sonn, Samson · Stern, Markus · Stern, Moses · Stern, Sigmund · Zeller, Max · Zeller, Moritz · Lyon, Wolf · Silbermann, M. · Silbermann, Samuel

Places

Sinntal · Oberzell · Schwarzenfels · Bad Kissingen · Brückenau · Altengronau

Sachbegriffe Geschichte

Reformation

Sachbegriffe Ausstattung

Almemore

Fußnoten
  1. Ortsartikel Züntersbach in LAGIS, Historisches Ortslexikon (siehe Link oben)
  2. Diese Abgabe ist zu finden bei Gerngras, Chronik, S. 14, unklar ist, welche der beiden Daten die korrekte darstellt.
  3. Gerngras, Chronik, S. 17 f.
  4. Gerngras, Chronik, S. 19 f.
  5. Gerngras, Chronik, S. 10-22; Website der Gemeinde Sinntal (s. Weblink); Art. Züntersbach auf Wikipedia
  6. Jüdische Gemeinde Brückenau (s. Weblink)
  7. Vom Vorsteher der jüdischen Gemeinde gezeichnete Stellenanzeige in Der Israelit vom 22.6.1881 (s. Weblink)
  8. Gerngras, Chronik, S. 167
  9. Arnd, Provinz Hanau, S. 520
  10. Ortsartikel Züntersbach auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  11. Ortsartikel Züntersbach auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  12. In Gerngras, Chronik, S. 167 wird von „Synagoge“ im Ortsartikel Züntersbach auf Alemannia Judaica (s. Weblink) von „Betsaal im Haus einer jüdischen Familie“ gesprochen. Bislang ist unklar, welche der beiden Ansprachen zutrifft.
  13. Jüdische Gemeinde Brückenau (s. Weblink)
  14. Zeitzeugenbericht von 2016 im Ortsartikel Züntersbach auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  15. Stellenanzeige in Der Israelit vom 30.11.1885 (s. Weblink); Gerngras, Chronik, S. 168
  16. Ortsartikel Züntersbach auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  17. Ortsartikel Züntersbach auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  18. Bericht über Spenden für hungernde Kinder in Der Israelit vom 28.3.1866 (s. Weblink)
  19. In Oberzell lebten um 1835 54 jüdische Menschen (vgl. Arnd, Provinz Hanau, S. 520)
  20. Stellenanzeige in Der Israelit vom 3.9.1885 (s. Weblink); Ortsartikel Züntersbach auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  21. Übersicht zu Spendeneingängen in Der Israelit vom 5.2.1891, 3.1.1895, 29.11.1897 (s. Weblinks)
  22. Ortsartikel Züntersbach auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  23. Jüdische Gemeinde Brückenau (s. Weblink)
Recommended Citation
„Züntersbach (Main-Kinzig-Kreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/728> (Stand: 23.1.2024)