Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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5915 Wiesbaden
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Herzogtum Nassau 1819 – 46. Wiesbaden

Wiesbaden (Synagoge Friedrichstraße) Karten-Symbol

Gemeinde Wiesbaden, Stadt Wiesbaden — Von Dorothee A. E. Sattler
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

Mitte 14. Jahrhundert

Location

65183 Wiesbaden, Friedrichstraße 33 | → Lage anzeigen

religiöse Ausrichtung

orthodox

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Ausführungen zur Geschichte der Wiesbadener jüdischen Gemeinde siehe Wiesbaden, Synagoge Michelsberg

Betsaal / Synagoge

Aufgrund religiöser Differenzen innerhalb der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden spaltete sich der orthodoxe Teil der Gemeindemitglieder 1877 ab und gründete die sogenannte „Altisraelitische Kultusgemeinde“. Vorausgegangen waren langwierige Auseinandersetzungen zwischen der orthodoxen und der liberalen Strömung innerhalb der jüdischen Gemeinde.1 Eine solche Entwicklung entsprach der Situation der Jüdischen Gemeinden in allen größeren Städten Deutschlands und Hessens in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ergebnis dieser Spaltung war der Bau einer eigenen Synagoge und die Anlage eines eigenen Friedhofs.

Die Altisraelitische Kultusgemeinde zählte anfangs nur 41 Gemeindemitglieder.2 Ihr Betlokal befand sich zunächst in einem Haus in der Kleinen Schwalbacher Straße 2 a.3 Die Gemeinde erhielt jedoch, später auch durch den Zuzug von osteuropäischen Juden, starken Zulauf, so dass schon bald eine eigene Synagoge gewünscht wurde. Nach der großzügigen Spende in Höhe von 3.000 Reichsmark von Jakob Israel konnte im Jahr 1883 ein Gebäude in der Friedrichstraße 25 [jetzt 33] erworben werden. Hierbei handelte es sich um ein Hinterhaus mit Veranstaltungssaal, das sich aufgrund der unkonventionellen Erschließung des Grundstücks als Synagoge eignete. Über die Toreinfahrt des Vorderhauses gelangte man in einen gepflasterten Innenhof, in dem sich, etwa gegenüber der Einfahrt, der Zugang zum Hinterhaus befand. Das Hinterhaus selbst war in Ost-West-Richtung, also parallel zur Friedrichstraße bzw. dem Vorderhaus errichtet, aber so von Seiten- und Nachbargebäuden eingebaut, dass von der Längsseite des rechteckigen Grundrisses nur ein Teil zu sehen war, der gerade genügend Platz für den Eingang bot.

Über die ursprüngliche Außengestaltung des aus Ziegeln errichteten einstöckigen Hinterhauses bzw. der Synagoge haben sich keine Berichte erhalten. Rund fünfzehn Jahre nach ihrer Einweihung wurde sie grundlegend renoviert, wobei sich die Veränderungen an der Fassade offenbar nur auf Verzierungen beschränkten.4 In der sichtbaren Front der Synagoge befanden sich im Erdgeschoss zwei nebeneinanderliegende, über eine gemeinsame, vierstufige Treppe erreichbare doppelflügelige Eingangstüren, die von einem gläsernen Regendach beschirmt wurden. Links von den Eingangstüren, in der Ecke zur Brandmauer des Nachbargrundstücks, stand ein turmartiger Vorbau, der vermutlich die Toiletten enthielt. Mit seinen schmalen Rundbogenfenstern und der Dachhaube setzte er einen markanten Akzent in der schlichten Fassade, wiewohl sich der „Turm“ kaum über die Traufhöhe des Gebäudes erhob. Rechts der Eingangstüren führte ein mit einem schmiedeeisernen Gitter gesicherter Kellerabgang zur „Weinkellerei Walter S. Siegel“. Oberhalb des Kellerabgangs bzw. neben der rechten Eingangstür befand sich ein sehr großes rundes Fenster. Im Obergeschoss gab es, abgesehen von den schmalen Fenstern des „Turmes“, nur drei Rundbogenfenster, die von andersfarbigen Ziegeln eingerahmt waren. Sie waren gleichmäßig in der Fassade verteilt und lagen genau über den Eingangstüren bzw. dem runden Fenster des Erdgeschosses. Das Gebäude besaß ein flaches Dach, in dessen Mitte sich ein Oberlicht bzw. Glasdach befand, um dem ansonsten fensterlosen Innenraum Licht zu geben. Bei den Renovierungen des Jahres 1897 setzte man eine Zierbalustrade auf die Dachkante, in deren Mitte sich die von zwei steinernen „Urnen“ begleiteten Gesetzestafeln sowie ein Sinnspruch befanden, beides in vermutlich goldener Schrift auf schwarzem Grund. Ein Davidstern bekrönte die Gesetzestafeln, eine plastisch ausgeführte Sonne die Dachhaube des „Turmes“. Auffällig ist die hochwertige Ausführung der Fenster, für die man – auch für das runde Fenster im Erdgeschoss – Bleiglasscheiben anfertigen ließ. Sie waren wahrscheinlich aus farbigem Glas ausgeführt und zeigten jeweils einen Davidstern im Rundbogen bzw. im Zentrum.

Der Innenraum der Synagoge entsprach den typischen Veranstaltungssälen der Zeit, wie sie in ähnlicher Form auch im später errichteten Kurhaus (Christian-Zais-Saal) oder im Haus der Casino-Gesellschaft noch erhalten sind. Die Wände des rechteckigen Raumes wurden von Marmorsäulen im korinthischen Stil gegliedert, die auf der Nordseite (nach dem Umbau) eine Galerie bzw. die Frauenempore trugen. Unter der Frauenempore befanden sich Nebenräume, die mittels Glastüren vom Hauptraum abgetrennt waren.

Die Einrichtung selbst entsprach, anders als in der Synagoge am Michelsberg, dem orthodoxen Ritus. In der Mitte des Hauptraumes stand die von einer hölzernen Balustrade umgebene Bima, die durch das große Glasdach in der Mitte des Saales direkt beleuchtet wurde.5 Auch dieses Oberlicht war für die Nutzung als Synagoge angefertigt oder umgestaltet worden und zeigte im Zentrum einen von einer Rosette umgebenen Davidstern. Möglicherweise waren Rosette und Davidstern nur aufgemalt. Die genaue Anzahl der Sitzplätze ist unbekannt. Wie üblich waren die Sitzbänke zu beiden Seiten der Bima aufgestellt; weitere Bänke standen vor und hinter der Bima, so dass zwei Gänge zum Thoraschrein führten. Der Thoraschrein selbst stand auf einer kleinen Plattform, die über mindestens vier Stufen zu erreichen war. Wie ein Foto des geschändeten Innenraumes und Spuren der bauzeitlichen Wandbemalung zeigen, war diese Plattform erst für die Nutzung als Synagoge eingebaut worden. Sie war vom Innenraum durch eine hölzerne Balustrade abgetrennt, in deren Mitte sich ein kleiner „Erker“ befand. Oberhalb des Thoraschreins, der zu beiden Seiten von einem Säulenpaar eingerahmt wurde, befand sich ein rundes Fenster, das wahrscheinlich erst nachträglich in die Wand gebrochen worden war. Der Thoraschrein selbst war ein prachtvoll gestalteter Schrank mit einer Schrankbekrönung in Form eines maurischen Zierelements. Der obere Teil dieser einem gotischen Dreipassbogen ähnelnden Verzierung rahmte das runde Fenster ein und trug als Bekrönung die Gesetzestafeln. Für die Beleuchtung sorgten ein großer Kronleuchter in der Mitte des Raumes, zwei kleinere am östlichen Ende, Stehleuchter auf der Bima und einige Wandlampen; das Ewige Licht hing über der Plattform vor dem Thoraschrein. Nach und nach wurde die Ausstattung ergänzt, etwa durch die über eine Spende ermöglichte Tafel mit integrierter Uhr, welche die Gebetszeiten anzeigte.6 Bei den Umbaumaßnahmen des Jahres 1897 wurde die Frauenempore verlegt, vergrößert und durch eine neue Treppe erschlossen. Zudem wurde der Innenraum neu gestrichen, die Gänge mit „Linoleum-Teppichen“ ausgelegt, eine Belüftung eingebaut und, finanziert durch einen Spender, ein neues Ewiges Licht aus Silber erworben. Die beiden erhaltenen Innenaufnahmen zeigen einen festlich-eleganten Raum, der trotz der orthodoxen Ausrichtung seiner Nutzer keineswegs altbacken wirkt.

Auf große Begeisterung stieß die Errichtung einer Sukkah für das Laubhüttenfest im Jahr 1887, die im Winkel zwischen „Turm“ und Nachbarhaus errichtet wurde.7 Künstlerische Konzerte wie in der Synagoge am Michelsberg sind für die Synagoge in der Friedrichstraße nicht überliefert, auch wenn die Anordnung der Sitzbänke vor der Bima einen Synagogenchor vermuten lässt.8 Die Gemeinde war aber ebenso patriotisch gesinnt, wie die Beeidigung jüdischer Soldaten im Jahr 1892 zeigt.9

Aus der Gebäudebeschreibung des Jahres 1907 geht hervor, dass sich außer dem Hauptraum noch mindestens ein weiterer Betsaal im Gebäude befunden haben muss. Der Keller wurde auch 1907 noch als Weinkeller genutzt; zudem standen drei Toiletten und ein Pissoir zur Verfügung.

Zumindest im Jahr 1907 wurde das ebenfalls der Altisraelitischen Kultusgemeinde gehörende Nebengebäude nur teilweise für Gemeindezwecke genutzt. Im Erdgeschoss, das ehemals eine Werkstatt beherbergt hatte, befand sich jetzt ein Packraum der Weinkellerei Herz, im Dachgeschoss eine Wohnung. Im ersten Obergeschoss hatte die Gemeinde einen weiteren Betsaal eingerichtet, der, da er abgesehen von einer Toilette als einziger Raum für dieses Geschoss aufgeführt ist, die gesamte Grundfläche des Gebäudes eingenommen haben muss. Vermutlich wurde er auch für Gemeindezwecke, etwa für Hochzeiten, genutzt.10

In der Pogromnacht am 9. November 1938 wurde das Innere der Synagoge geschändet und zerstört, das Gebäude aber aufgrund der engen Bebauung nicht niedergebrannt. Notdürftig wieder hergerichtet, diente es ab 1939 erneut als Synagoge. Ende August 1942 wurden dort alle noch in Wiesbaden verbliebenen Juden, etwa 400 Personen, zusammengetrieben, bevor sie im September in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert wurden. Die Synagoge und das Grundstück gingen zunächst an die Reichsvereinigung der Juden über, wurden dann aber vom „Großdeutschen Reich“ beschlagnahmt. Im April 1944 teilte der Oberfinanzpräsident in Kassel dem Finanzamt Wiesbaden mit, dass das Grundstück (schon) am 20. April 1943 der Firma J.B. Schmidt (Großbuchbinderei) zugesagt worden sei. Der Kauf war jedoch im Juni 1944 noch nicht abgeschlossen. Wann die ehemalige Synagoge an die Großbuchbinderei überging, ist nicht eindeutig; allerdings wurde sie noch nach Kriegsende von der Buchbinderei als Werkraum genutzt.

Die Synagoge Friedrichstraße als Hauptsynagoge nach 1945

Im August 1945 wurde die Buchbinderei Schmidt als Eigentümer der Synagoge Friedrichstraße von der Stadt Wiesbaden aufgefordert, „die Synagoge zu räumen und diese der israelitischen Kultusgemeinde wieder zur Verfügung zu stellen.“ Da die Firma jedoch Druckaufträge für die amerikanische Besatzungsmacht ausführen musste, verzögerte sich die Übergabe. Auf Anraten von Frau Guthmann, der zeitweiligen Leiterin der Jüdischen Gemeinde, sollte sich die Firma „in aller Ruhe“ nach geeigneten Räumen umsehen, zumal für die derzeit in Wiesbaden wohnhaften Juden – es waren etwa 40 – ein für Gottesdienstzwecke geeigneter Raum im Paulinenschlössschen zur Verfügung stünde. Einen Monat später hatte die Firma J.B. Schmidt die ehemalige Synagoge wieder geräumt; die Gebäude gingen zunächst in das Eigentum der JRSO (Jewish Restitution Successor Organization) über.11

Nach Kriegsende zogen sich die Verhandlungen zwischen dem Regierungspräsidenten in Wiesbaden als Entschädigungsbehörde und der JRSO lange hin.12 Aufgrund von Aussagen früherer Gemeindemitglieder konnten die Schäden gut und im Detail bewertet werden. Zum Jahr 1960 wurden die Schäden am Gebäude, der Inneneinrichtung sowie der Kultgeräte samt Zubehör mit 524.038 DM zusammengefasst. Sie sollten mit einer Schadenssumme von 125.000 DM abgegolten werden. Da die Synagoge in der Friedrichstraße einschließlich der Nebengebäude von der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden nach 1945 als Hauptsynagoge weiter genutzt wurde, waren in die Verhandlungen auch der Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Hessen eingebunden. In einem Vergleich vom 29. November 1961 mit dem Land Hessen waren auf jüdischer Seite die JRSO als Nachfolgeorganisation der jüdischen Kultusgemeinden in Hessen, dann der Zentralrat der Juden in Deutschland, die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, der Landesverband der jüdischen Gemeinden in Hessen als Vertreter der wiedererrichteten jüdischen Kultusgemeinden in Hessen sowie die jüdische Kultusgemeinde in Frankfurt vertreten. Das Bundesland Hessen zahlte eine Entschädigung von 62.153.378,01 DM. Die Jüdische Gemeinde Wiesbaden erhielt für Wiederaufbau- und Instandsetzungsarbeiten den bescheidenen Betrag von rund 41.400 DM. Schon früher geleistete Vorschüsse waren eingerechnet. Damit war das jahrelange Ringen um die Entschädigung in Hessen beendet.13

Die Anfänge der Jüdischen Gemeinde nach 1945 waren schwer. Mit Unterstützung (jüdischer) US-Soldaten wurde die Synagoge von der im Jahr 1946 neugegründeten Jüdischen Gemeinde wieder zu Gottesdienstzwecken hergerichtet. Offenbar zu dieser Zeit wurde die Ziegelfassade weiß gestrichen, vielleicht um dem Gebäude ein moderneres Äußeres zu geben und/oder Bauschäden zu überdecken. Ob die Zierbalustrade mit den Gesetzestafeln bereits bei der Reichspogromnacht oder erst nach 1942 zerstört wurde, ist unbekannt; nach 1945 war sie jedenfalls nicht mehr vorhanden und wurde auch nicht wiederhergestellt. Statt der Sonne bekrönte nun ein Davidstern die Dachhaube des „Turmes“ – der einzige Hinweis auf den Nutzungszweck des Hauses, denn auch die (zerstörten) Bleiglasfenster mit den Davidsternen waren durch schlichte Glasscheiben ersetzt worden. Bei der Wiederherstellung des Innenraumes verzichtete man auf eine Rekonstruktion des früheren Zustandes. Die Plattform vor dem Thoraschrein wurde erheblich vergrößert und war nun nicht mehr durch eine Balustrade von der Gemeinde getrennt, sondern ringsum über Treppenstufen erreichbar. Lediglich in der Mitte befand sich ein Pult für den Prediger. Zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wurde eine englischsprachige Gedenktafel aufgehängt. Die Synagoge wurde im Dezember 1946 in Anwesenheit zahlreicher Vertreter der amerikanischen Streitkräfte wieder eingeweiht. Allerdings waren die Renovierungsarbeiten so mangelhaft ausgeführt worden, dass bereits 1950 Reparaturen am Dach erforderlich wurden. Mit Berufung auf bereits geleistete Zahlungen lehnte das Hessische Ministerium für Finanzen die Übernahme der Kosten ab.14

Es zeigte sich jedoch, dass die Synagoge den Anforderungen der neuentstandenen Gemeinde schon bald nicht mehr genügte. Anfang der 1960er Jahre entschied man sich daher, das alte Gebäude abzureißen und an derselben Stelle eine moderne Synagoge zu errichten. Der Neubau folgte den Entwürfen des Frankfurter Architekten Ignaz Jacoby; die Gestaltung der Fenster übernahm Egon Altdorf (1922–2008).15 Jacoby nutzte die enge Innenhoflage bestmöglich aus, indem er den Eingang ganz an die Westseite, gewissermaßen an die Stelle des früheren „Turmes“ verschob. Der Innenraum der Synagoge hat die Form eines Trapezes, an dessen kürzerer Seite eine weiträumige Apsis liegt. Sie enthält den Thoraschrein und die Stühle für den Rabbiner, Vorbeter und Gemeindevorstand und ist lediglich mit einer Stufe über das Niveau des Gemeindebereichs erhoben. Ihr gegenüber befindet sich die Frauenempore, die sich in einem Halbrund über die ganze Breite des Innenraums erstreckt. Ein besonderer Blickfang sind die von Altdorf gestalteten bodentiefen Fenster, genaugenommen Glaswände, auf der Nord- und der Südseite des Innenraums und oberhalb der Empore sowie weitere Glaselemente, die ideal mit der Holztäfelung der Apsis harmonieren. Wiewohl die neue Synagoge inzwischen schon über fünfzig Jahre alt ist, wirkt der Innenraum noch immer zeitlos-modern. Die Synagoge bietet 112 Plätze für Männer und 62 für Frauen; im Untergeschoss befindet sich ein Festsaal. Im Nebengebäude sind der Verwaltungssitz der Gemeinde, Schulungsräume und die Bibliothek untergebracht.

Weitere Einrichtungen

Cemetery

Friedhof am Hellkundweg

Die religiösen Differenzen zwischen konservativ-liberalen und orthodoxen Gemeindemitgliedern, die 1877 in der Spaltung der Gemeinde und der Gründung der altisraelitischen Kultusgemeinde gipfelten, machten die Anlegung eines eigenen Friedhofs für die orthodoxen Juden erforderlich.16 Die Bitte an die kommunale Gemeinde, ihr auf dem zur gleichen Zeit neuangelegten Friedhof (Nordfriedhof) ein Grundstück zur Verfügung zu stellen, war zunächst mit dem Hinweis auf die Nutzungsmöglichkeit dieses kommunalen Friedhofs auch für Juden zurückgewiesen wurden. Da nach den jüdischen Religionsvorschriften in orthodoxer Auslegung jedoch ein eigener Friedhof erforderlich ist, sah sich die altisraelitische Kultusgemeinde zum Kauf eines Grundstücks gezwungen. Das zunächst von der Stadt angebotene Gelände in Richtung Leichtweishöhle erregte jedoch den Widerspruch des Oberförsters, da zum einen das Grundstück aufgrund seines starken Gefälles nur bedingt als Friedhof geeignet war, zum anderen die „kahle Totenhofsfläche das hübsche landschaftliche Bild der Gegend zerstören würde“. Der Oberförster schlug stattdessen ein an den kommunalen Friedhof östlich angrenzendes Grundstück vor, gelegen im Distrikt „Hellkund“ etwa auf der Höhe der christlichen Trauerhalle. Die altisraelitische Kultusgemeinde konnte das rund 26,9 ar umfassende Grundstück ankaufen, musste aber die Bäume auf ihre Kosten fällen lassen, wobei das Holz selbst Eigentum der Stadt Wiesbaden blieb. Für die Anlegung des Friedhofs wurde die Fortführung der Einfriedungsmauer des kommunalen Friedhofs zur Bedingung gemacht, so dass von außen der Eindruck eines einzigen bzw. gemeinsamen Friedhofs erweckt wurde. Der orthodoxe Friedhof wurde im November 1877 eingeweiht und war bis 1942 regulär in Benutzung; die letzte Beerdigung erfolgte 1965.17 Unter den dort Begrabenen befinden sich auch jüdische (orthodoxe) Kurgäste. Es sind noch etwa 300 Grabsteine von 372 Verstorbenen vorhanden. Die Grabinschriften werden derzeit (2022) in LAGIS im Modul „Jüdische Grabstätten“ erfasst.

Wie der Neue Jüdische Friedhof an der Platter Straße verfügte auch der Friedhof der Altisraelitischen Gemeinde am Hellkundweg über eine eigene repräsentative Trauerhalle aus der Gründerzeit. Aus Kostengründen wurde der ruinöse Bau gegen 1954 abgerissen. Die Fundamente sind noch sichtbar.

Wiesbaden, Jüdischer Friedhof am Hellkundweg: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Wiesbaden, Jüdischer Friedhof am Hellkundweg: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Fußnoten
  1. HHStAW 246, 9
  2. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 388. – Die Gründungsstatuten sind abgedruckt in „Der Israelit“, Jg. 20, 1879, Heft 20 vom14. Mai 1879 (s. Weblink)
  3. Adressbuch der Stadt Wiesbaden, 1880
  4. Fotografie der unverputzten Synagoge von ca. 1900. Grundlegende Veränderungen der Ziegelmauer für Fensterdurchbrüche lassen sich dort nicht erkennen.
  5. HHStAW 3008/1, 13801: Historisches Foto des Innenraums
  6. Artikel in „Der Israelit“, Jg. 31, 1890, Heft 44 vom 5. Juni 1890 (s. Weblink)
  7. Artikel in „Der Israelit“, Jg. 28, 1887, Heft 80 vom 17. Oktober 1887 (s. Weblink)
  8. Das Foto zeigt vier kurze Bänke, die von den Hauptgängen durch eine hölzerne Wand abgetrennt sind, und eine Art Notenständer. – Auch in orthodoxen Gemeinden war und ist es üblich, dass bestimmte Gesänge durch einen (Männer-)Chor mehrstimmig begleitet werden.
  9. Artikel in „Der Israelit“, Jg. 33, 1892, Heft 90 vom 14. November 1892 (s. Weblink)
  10. HHStAW 433, 7370
  11. HHStAW 519/2, 2090
  12. HHStAW 518, 1166
  13. HHStAW 503, 7391 und 7392. In letzterer Akte ist der Original-Vergleich überliefert.
  14. HHStAW 503, 7394
  15. Schmidt, Höre Israel, S. 18–21
  16. HHStAW 519/2, 2067. - Buschmann/Vollmer, Jüdische Friedhöfe, S. 73–84
  17. Zur Anlegung des orthodoxen Friedhofs siehe die Artikel: „Der Israelit“, Jg. 17, 1876, Heft 42 vom 19. Oktober 1876; Heft 51 vom 20. Dezember 1876 (Zitat ebd.) und Jg. 18, 1877, Heft 11 vom 14. März 1877. Zur Einweihung ebda., Heft 47 vom 21. November 1877 (s. Weblink)
Recommended Citation
„Wiesbaden (Synagoge Friedrichstraße) (Stadt Wiesbaden)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/790> (Stand: 10.2.2023)