Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Werdorf Karten-Symbol

Gemeinde Aßlar, Lahn-Dill-Kreis — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1695

Location

35614 Aßlar, Ortsteil Werdorf, Hauptstraße, jetzt: Freilichtmuseum Hessenpark | → Lage anzeigen

preserved

ja

Jahr des Verlusts

1980

Art des Verlusts

Abbruch und Translokation

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Werdorf wurde 772 erstmals urkundlich erwähnt und kam früh in die Hände der Grafen von Solms. Seit 1809 gehörte es zum Großherzogtum Nassau und ab 1816 zu Preußen. Im Zuge der Gemeindereform 1977 erfolgte die Eingemeindung zu Aßlar und mit dieser 1978 die Verleihung der Stadtrechte.

Auch wenn die Möglichkeit besteht, dass sich einige der 1349 aus Wetzlar vertriebenen Juden hier niederließen, ist eine sichere Besiedlung erst in einer Einwohnerliste von 1695 nachgewiesen. Zu diesem Zeitpunkt lebten zwei jüdische Familien im Ort, die Personenzahl wurde mit 13 angegeben.1 Während des 18. Jahrhunderts stieg die Zahl jüdischer Einwohner und lag zu Beginn des 19. Jahrhunderts zwischen 31 und 36. Einer der wenigen gesicherten Nachweise stammt aus dem Jahr 1835 und ist ein Verzeichnis der in der Bürgermeisterei Greifenstein lebenden Juden. Als Beruf ist in allen Fällen Händler angegeben, außer bei der Witwe des Wolf Moses, die von ihren Kindern unterhalten wurde. Die Bewohner im Einzelnen waren der Witwer Salomon mit seinen Kindern Lazarus, Feist, Levy, Täubchen und Bellchen; Joseph Salomon mit seiner Frau Rahel und den Kindern Bellchen, Amalie, Täubchen, Löb, Feist und Hendel; Abraham Jacob mit seinen Geschwistern Feist, Simon und Gelle sowie dem Sohn Abraham; Joseph Jacob mit seiner Frau Hendel und der Tochter Bellchen; Abraham Hirsch mit seiner Frau Fradel und den Kindern Madel, Dusel und Sara; Seeligmann Abraham mit seiner Frau Mäusche und den Kindern Fradel, Blume, Hendel und Seeligmann; die Witwe des Moses Wolf und ihre Kinder Löb und Wolf; Benjamin Moses mit seiner Frau Rose und der Tochter Giedel und schließlich Seeligmann Löb mit seiner Frau Täubchen und den Kindern Wolf und Bellchen.2 Insgesamt waren es 42 Personen.

Zu dieser Zeit existierte bereits eine eigene Gemeinde, zu der auch Ehringshausen gehörte. Zudem bestanden eine Synagoge und ein Friedhof.

1845 hatten Juden feste Familiennamen anzunehmen. Seitdem waren die Familien Strauß, Arnstein, Levi, Sternberg, Seligmann, Salomon und Löb im Ort vertreten.3

Die Zahl der Gemeindemitglieder stieg bis 1851 auf 71. Bei der Neueinteilung der Synagogenbezirke 1853 wurde Werdorf dem Synagogenbezirk Aßlar zugeteilt und gehörte zur Hauptsynagoge in Wetzlar.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging die Zahl jüdischer Einwohner zurück. 1882 waren als steuerpflichtig verzeichnet Abraham Arnstein, Baruch Meier Levi, Levi Levi, Nathan Levi, Löb Salomon, Aron, Löb und Michel Sternberg, die Witwe des Löb Moses Sternberg und Abraham Strauß.4

1908 lag die Zahl der jüdischen Einwohner nur noch bei vier. Bereits zu dieser Zeit wird kein Gemeindeleben mehr stattgefunden haben. Bis 1933 sank die Zahl jüdischer Einwohner auf zwei.

Betsaal / Synagoge

Da davon ausgegangen wird, dass sich die jüdische Gemeinde zu Beginn des 19. Jahrhunderts gründete, ist auch von dem Vorhandensein einer Synagoge oder eines Betraumes auszugehen. Das erste Mal tritt sie konkret in Erscheinung, als die jüdische Gemeinde 1823/24 den Anbau an ein privates Wohnhaus erwarb und dort einen Betraum einrichtete. 1856 zählte die Gemeinde 68 Mitglieder. Die Synagoge befand sich in schlechtem Zustand und bot nur Platz für 40 Personen.5 Vermutlich handelte es sich dabei um das gleiche Gebäude, das 1869 als neu erbaute Synagoge bezeichnet wurde. Es war nun ein zweistöckiger traufständiger Fachwerkanbau, dessen Obergeschoss höher als das Erdgeschoss war. Hierin befand sich die Synagoge mit einem eigenen, außen liegenden Eingang, der über eine Freitreppe zu erreichen war. Wenig später wurde das Gebäude, das an der Einmündung der Bachstraße in die Hauptstraße lag, als Anbau an das Wohnhaus des Händlers Sally Salomon bezeichnet. Nach dem Tod seiner Ehefrau verkaufte dieser es an die politische Gemeinde, da bereits um 1900 das Gemeindeleben zum Erliegen gekommen war und kein Gottesdienst mehr stattfand.6 In den 1920er Jahren war das Obergeschoss an den Gemeindehirten vermietet. Im Erdgeschoss soll sich eine Waschküche befunden haben.7 Um 1930 erwarb Heinrich Küster das Gebäude. Der Anbau wurde in der Pogromnacht verschont.

Nach dem Zweiten Weltkrieg drohte dem Bau immer mehr der Verfall, weswegen er 1980 abgebaut und in das Freilichtmuseum Hessenpark überführt wurde.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Über eine Mikwe ist nichts bekannt geworden.

Schule

Die Schulkinder erhielten Religions- und Hebräischunterricht in der Synagoge.

Cemetery

Der alte jüdische Friedhof lag zwischen der heutigen Pfarrstraße und der Grabenstraße, gegenüber dem ehemaligen Pfarrhaus. Wann genau er eingerichtet wurde, ist nicht bekannt. Es darf aber davon ausgegangen werden, dass dies mit der Gründung einer eigenen Gemeinde einherging. Der Friedhof wurde bis 1887 mit den Verstorbenen aus Aßlar, Werdorf, Ehringshausen, Katzenfurt, Kölschhausen und Edingen belegt.8 Zu dieser Zeit war die Fläche vollständig ausgenutzt und es bestand keine Möglichkeit der Erweiterung. Daher wurde an der heutigen Breitenbacher Straße gegenüber Haus Nr. 15 ein neuer Friedhof für die Verstorbenen aus Ehringshausen, Werdorf und Kölschhausen angelegt. Der alte Friedhof wurde 1901 entwidmet, die Grabsteine sollten noch 1938 auf den neuen Friedhof überführt werden. Ein Privatmann hatte das Areal von einer NS-Dienststelle erworben und wollte darauf ein Haus errichten. Er entfernte die Grabsteine und zerstörte sie teilweise. Nach Ende des Dritten Reiches konnten zwar einige Grabsteine zurückgeführt werden, eine Zuordnung zu den Grabstätten war aber nicht mehr möglich.

Auf dem neuen Friedhof fanden bis 1936 ca. 50 Bestattungen statt.9 1983 ließ die politische Gemeinde dort einen Gedenkstein errichten. Er trägt die Inschrift „Zum Gedenken an unsere ehemaligen jüdischen Mitbürger aus Anlass der 1200–Jahr-Feier der Stadt Aßlar im Jahr 1983“.

Werdorf, ehemaliger Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Werdorf, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustrations

Indices

Persons

Solms, Grafen von · Wolf Moses, Witwe · Salomon · Lazarus · Feist · Levy · Täubchen · Bellchen · Joseph Salomon · Rahel · Amalie · Löb · Hendel · Abraham Jacob · Simon · Gelle · Abraham · Joseph Jacob · Abraham Hirsch · Fradel · Madel · Dusel · Sara · Seeligmann Abraham · Mäusche · Blume · Seeligmann · Moses Wolf, Witwe · Wolf · Benjamin Moses · Rose · Giedel · Seeligmann Löb · Strauß, Familie · Arnstein, Familie · Levi, Familie · Sternberg, Familie · Salomon, Familie · Löb, Familie · Arnstein, Abraham · Levi, Baruch Meier · Levi, Levi · Levi, Nathan · Salomon, Löb · Sternberg, Aron · Sternberg, Löb · Sternberg, Michel · Sternberg, Löb Moses, Witwe · Strauß, Abraham · Salomon, Sally · Küster, Heinrich

Places

Aßlar · Wetzlar · Greifenstein · Ehringshausen · Katzenfurt · Kölschhausen · Edingen

Sachbegriffe Geschichte

Nassau, Großherzogtum · Preußen · Zweiter Weltkrieg · Hessenpark, Freilichtmuseum

Sachbegriffe Architektur

Fachwerkbauten · Freitreppen

Fußnoten
  1. Peusch, Gemeinden, 2010
  2. HHStAW 423, 86
  3. www.a-h-b.de/AHB/Listen/Asslar.htm
  4. HHStAW 423, 585
  5. HHStAW 423, 583
  6. Peusch, Gemeinden, 2010
  7. Historische Dokumentation: Untersuchungsbericht zur Judenschule/Synagoge Werdorf BAB 118, S. 110
  8. HHStAW 423, 583
  9. Peusch, Gemeinden, 2010
Recommended Citation
„Werdorf (Lahn-Dill-Kreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/263> (Stand: 29.11.2022)