Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Uttrichshausen Karten-Symbol

Gemeinde Kalbach, Landkreis Fulda — Von Susanne Gerschlauer
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

17. Jahrhundert

Location

36148 Kalbach, Ortsteil Uttrichshausen, Talbrückenstraße 6 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Hanau

preserved

nein

Jahr des Verlusts

2000

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Der heute nur von rund 840 Einwohnern und Einwohnerinnen bewohnte kleine Ort in der Rhön wurde wohl 811 erstmals und erneut um 1000 erwähnt.1 Die Grundherrschaft lag bei der Abtei Fulda. Im Verlauf des Mittelalters und der Frühen Neuzeit hielten verschiedene Lehensnehmer der Abtei das Dorf, das zwei Burgsitze hatte; Ende des 14. Jahrhunderts war es Friedrich von Hutten. Grundherren waren das Kloster bzw. Hochstift Fulda und die Grafen von Hanau-Münzenberg. Noch im 14. Jahrhundert lag die Gerichtsbarkeit bei dem Gericht Altengronau, das 1333 an die Grafschaft Hanau, seit 1459 Grafschaft Hanau-Münzenberg, kam. Seit dem 15. Jahrhundert war aus dem Gericht Altengronau das Amt Schwarzenfels entstanden, das 1643 an die Landgrafschaft Hessen-Kassel fiel. 1787 gehörte Uttrichshausen zur Grafschaft Hanau-Münzenberg, später zum Verwaltungsbezirk der Landgrafschaft Hessen-Kassel, zwischen 1803 bis 1851 Kurfürstentum Hessen. Das Verwaltungsamt und Gericht lag bis 1867 bei Schwarzenfels. Danach hatte es der Kreis Schlüchtern inne, der durch seine Eingliederung in die Provinz Hessen-Nassau im Königreich Preußen lag. 1932 war das Amtsgericht Schlüchtern, nach 1971 das Amtsgericht Neuhof, zuständig. Seit 1946 ist Uttrichshausen hessisch. 1945 bis 1968 war das Regierungspräsidium Wiesbaden für die obere Verwaltung zuständig, 1968 bis 1972 lag die Zuständigkeit beim Regierungsbezirk Darmstadt, seit 1972 liegt sie beim Regierungsbezirk Kassel.

Kurz vor der Gebietsreform, am 31.12.1971, schloss sich das benachbarte Heubach an Uttrichshausen an. Am 1.8.1972 wurde Uttrichshausen mit Heubach zur heute sieben Orte zählenden Großgemeinde Kalbach zusammengeschlossen. Heute teilt die Autobahn A 7 Uttrichshausen in eine westliche und eine östliche Hälfte, die Grenze zu Bayern verläuft nur etwa einen Kilometer östlich des Dorfs.

Vermutlich lebten bereits seit dem ersten Drittel des 17. Jahrhunderts Juden im Dorf. 1818 sollen sieben jüdische Familien in Uttrichshausen gelebt haben.2 1835 lebten laut Zählung 68 (von 891 Einwohnern gesamt), 1861 61, 1885 44 und 1905 35 (von 692 gesamt) jüdische Einwohner und Einwohnerinnen im Dorf. Im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts minderte sich die Zahl der Juden durch Wegzug. Einige der Gemeindemitglieder zogen nach Fulda, Flieden (u.a. Jesaias Katz, der dort ein Kaufhaus eröffnete) und Neuhof um.3

Bisher ist unklar, seit wann genau die jüdische Gemeinde Uttrichshausen bestand, fest steht, dass sie bereits um 1813 gegründet war. 1906 gehörten ihr sechs Familien an, bereits 1913 wurde die Synagogengemeinde wegen ihrer geringen Mitgliederzahl aufgelöst. 1913 lebten noch 23 jüdische Uttrichshausener im Ort. Nach Auflösung von Gemeinde und Synagoge wurden der Aron-Hakodesch, eine Thorarolle und ein Thoramantel an das „Gumpertz'sche Siechenhaus“ nach Frankfurt a.M. (Röderbergweg 62-64) überführt. Als Gemeindevorsteher wird um 1892 bzw. 1903 jeweils Samuel Sondheimer genannt, 1906 bis 1913 hatte das Amt Samuel Goldmeier inne.4

Zur Sozialstruktur der Juden in Uttrichshausen ist wenig bekannt. Die Mehrheit war vermutlich eher arm. Es gab Händler (Vieh, Textilien, Hausierer) und Handwerker (Bäcker, Metzger).

Vermutlich zog im Verlauf der 1920er Jahre die Mehrheit der jüdischen Ortsbürger weg. Zwischen 1933 bis 1945 emigrierten die meisten der Verbliebenen in die USA, England und Israel (Palästina).5 Die folgenden 14 Menschen jüdischen Glaubens, die entweder in Uttrichshausen geboren waren oder längere Zeit dort gelebt hatten, wurden während der Nazidiktatur ermordet: Flora Bähr geb. Katz, Louis Lazarus Goldmeier, Nathan Goldmeier, Frieda Gottlieb geb. Sondheimer, Frieda Heß geb. Katz, Benny Katz, Lina Katz, Max Katz, Paula Katz, Sara Kaufmann geb. Katz, Selma Rosenthal, Hannchen Strauß geb. Katz, Paula Wahlhaus geb. Goldmeier, Meta Wallach geb. Goldmeyer.6

Betsaal / Synagoge

Anfang des 19. Jahrhunderts hatte die jüdische Gemeinde geplant eine Synagoge neu zu errichten und wollte hierzu ein Grundstück von Johann Peter Glock erwerben.7 Offenbar wurde dieser Plan so nicht umgesetzt. Die jüdische Gemeinde kaufte stattdessen 1813 ein bestehendes Gebäude an der heutigen Talbrückenstraße 6, ehemals Haus Nummer 87. Das Grundstück liegt im alten Ortskern, etwa 150 Meter südlich der evangelischen Kirche. Das Haus wurde nach Erwerb zur Synagoge umgebaut. Am 15.7.1906 wurde seitens des Gemeindevorstehers Samuel Goldmeyer zu einer Spende für ihre Renovierung aufgrund von Baufälligkeit aufgerufen.8 Nach erzwungener Abgabe des Gebäudes durch die Nationalsozialisten 1934 wurde es zu einem Wohnhaus umgebaut. Anfang 2000 wurde die ehemalige Synagoge abgerissen.9 Eine Erinnerungstafel an die Synagogengemeinde gibt es nicht.

Ein historisches Foto, etwa aus den 1970er Jahren, zeigt die ehemalige Synagoge nach dem Umbau zu einem Wohnhaus. Das schlichte Fachwerkgebäude war über rechteckigem Grundriss errichtet. Das Foto zeigt ein allseitig mit hellen Holzschindeln verkleidetes Haus, das vielleicht auch der ursprünglichen Optik entspricht. Über einem etwa 1,20 Meter hohen Steinsockel erhob sich das eingeschossige, unterkellerte Häuschen mit Satteldach. Ob auch das Synagogengebäude den Haupteingang in der Giebelseite besaß, wie auf dem Foto, und ob es ursprünglich eine Dachgaube gab, ist unklar. Ebenso ist nicht bekannt, wie das Innere der Synagoge gestaltet war.

Weitere Einrichtungen

Schule

Der Schulraum für jüdischen Religionsunterricht lag vermutlich in der Synagoge. Der Lehrer kam von außerhalb. 1879 stellte die jüdische Gemeinde Uttrichshausen gemeinsam mit der in dem etwa 3,5 Kilometer südlich gelegenen Heubach einen Religionslehrer für die jüdischen Kinder ein.10 Er wohnte in Heubach und unterrichtete in beiden Gemeinden. 1887 war David Albrecht Lehrer, 1892 war dies Jakob Rothschild, der in Uttrichshausen sieben jüdische Kinder unterrichtete.11

Cemetery

Friedhof für die Uttrichshäuser Juden war der etwa 30 Kilometer südwestlich, in Altengronau, Sinntal, gelegene alte Sammelfriedhof. Er weist 59 Grabsteine mit Bestattungen aus Uttrichshausen auf. Der älteste Stein stammt aus dem Jahr 1700, der jüngste von 1908.12

Altengronau, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Altengronau, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustrations

Indices

Persons

Hutten, Friedrich von · Hanau-Münzenberg, Grafen von · Katz, Jesaias · Sondheimer, Samuel · Goldmeyer, Samuel · Bär, Flora, geb. Katz · Katz, Flora · Goldmeier, Louis Lazarus · Goldmeier, Nathan · Gottlieb, Frieda, geb. Sondheimer · Sondheimer, Frieda · Heß, Frieda, geb. Katz · Katz, Frieda · Katz, Benny · Katz, Lina · Katz, Max · Katz, Paula · Kaufmann, Sara, geb. Katz · Katz, Sara · Rosenthal, Selma · Strauß, Hannchen, geb. Katz · Katz, Hannchen · Wahlhaus, Paula, geb. Goldmeier · Goldmeier, Paula · Wallach, Meta, geb. Goldmeyer · Goldmeyer, Meta · Glock, Johann Peter · Albrecht, David · Rothschild, Jakob

Places

Heubach · Kalbach · Fulda · Flieden · Neuhof · Frankfurt am Main · Frankfurt am Main, Gumpertz'sches Siechenhaus · USA · England · Israel · Palästina · Altengronau

Sachbegriffe Ausstattung

Thorarollen · Thoramäntel · Aron Hakodesch

Sachbegriffe Architektur

Fachwerkbauten · Holzschindeln · Steinsockel · Satteldächer · Dachgauben

Fußnoten
  1. Wikipedia, Art. Uttrichshausen nennt die Ersterwähnung 811, dagegen lauten die Angaben im Ortsartikel Uttrichshausen in LAGIS, Historisches Ortslexikon (siehe Link oben) als früheste Nennung auf um 1000 (fuldisches Urbar)
  2. Ortsartikel Uttrichshausen auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  3. Arnd, Provinz Hanau, S. 520; Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 364; Ortsartikel Uttrichshausen in LAGIS, Historisches Ortslexikon (siehe Link oben)
  4. Ortsartikel Uttrichshausen auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  5. Ortsartikel Uttrichshausen auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  6. Gedenkbuch Yad Vashem (s. Weblink)
  7. HStAM 86, 8533
  8. Israelitisches Familienblatt vom 26.7.1906 (s. Weblink)
  9. Ortsartikel Uttrichshausen auf Alemannia Judaica (s. Weblink); Imhof, Juden in Deutschland, S. 374
  10. Vgl. Inserat in Der Israelit H. 38 vom 17.9.1879 (s. Weblink)
  11. Ortsartikel Uttrichshausen auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  12. Ortsartikel Uttrichshausen auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
Recommended Citation
„Uttrichshausen (Landkreis Fulda)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/220> (Stand: 25.8.2022)