Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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5021 Ziegenhain
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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 52. Ziegenhain

Treysa Karten-Symbol

Gemeinde Schwalmstadt, Schwalm-Eder-Kreis — Von Bernd Lindenthal
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1381

Location

34613 Schwalmstadt, Stadtteil Treysa, Neuer Weg 13 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Oberhessen (Marburg)

preserved

nein

Jahr des Verlusts

ca. 1959

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

„Der Jude Borich (= Baruch) de Treyse wird Bürger in Gelnhausen“ ist der erste quellenmäßige Nachweis eines Juden in Treysa (1381).1 Ab 1438 ist im Rechnungsbuch des Dominikanerklosters Treysa eine Synagoge belegt, also muss es bereits eine jüdische Gemeinde gegeben haben.2 Im 16. Jahrhundert lassen sich mehrere Juden nachweisen. Die Stadt ist aber am Zuzug von Juden nicht interessiert. 1660 wird die Bitte eines Wasenberger Juden, einen Tag in Treysa hausieren zu dürfen, abgelehnt. 1679 bat ein Jude aus Eschwege um Aufnahme in die Stadt. Auf Anfrage des Landgrafen lehnte die Bürgerschaft ab, da ihr wegen der in den Dörfern unter adeligem Schutz wohnenden Juden „aller Handell und gewerb mit denen Landtleuthen fast gäntzlich abgeschnitten“ sei.3

Nach einem Sandstein, wahrscheinlich von einem Kachelofen, auf dem LEVI HECKSTER 1686 steht, sind die Höxters die älteste der über mehrere Generationen nachweisbaren jüdischen Familien in Treysa.4

Am 5. Mai 1715 wurde die 19jährige Tochter des Levi Höxter bei Patenschaft der landgräflichen Familie in der Stadtkirche zu Treysa getauft.5 Zwischen 1718 und 1740 betrieb Joseph Dannenberg bzw. seine Witwe eine Tuchmanufaktur in den Gebäuden des Dominikanerklosters als Zweigbetrieb seiner Ziegenhainer Manufaktur. Es wurden Uniformstoffe hergestellt und an die fürstliche Montierungskammer in Kassel oder direkt an bestimmte Regimenter geliefert. Wenn die Dannenbergs in diesen Geschäften unterwegs waren, waren sie vom Judenzoll befreit.

1744 lebten vier jüdische Familien in Treysa, die sich auch in den ersten genauen Listen von 1769 und 1773 wiederfinden lassen. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung betrug 1778 und 1805 etwa 1,7 Prozent.6 Während des Königreichs Westfalen nutzten die Treysaer Juden ihre Freiheit für zahlreiche Eheschließungen. In das französische Intermezzo der Emanzipation fällt aber auch ein Pogrom gegen den jüdischen Handelsmann Abraham Isaak Meier, dessen Haushalt am 29. September 1813 zerstört und geplündert wurde.7

1819 lebten 76 Juden in Treysa (3,57 Prozent); von 15 Familien gingen 12 dem Handel nach, davon die Hälfte als Not- oder Kleinhändler. Auch 1858 sind die Verhältnisse noch etwa so. Es dominierten die Kaufleute in den ca. 30 jüdischen Familien. 11 Personen wanderten nach Amerika aus.

Erst nach der Annexion Kurhessens durch Preußen und der Gründung des Deutschen Reiches fallen alle aus den religiösen Unterschieden abgeleiteten Beschränkungen. Unter Nutzung der neuen politischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten prosperierte die jüdische Gemeinde und erreichte 1895 mit 193 Personen (= 8,1 Prozent der Stadtbevölkerung) den Höhepunkt ihrer Geschichte, was ihre zahlenmäßige Stärke betrifft. 1902 waren 47 Männerstände und 38 Frauenstände in der Synagoge vermietet. Der Wille zur Integration durch Bildung zeigte sich an dem überrepräsentativen Anteil jüdischer Kinder in den Aufnahmebüchern des 1909 gegründeten Gymnasiums. Entsprechend änderte sich das Berufsspektrum der Treysaer Juden hin zu verschiedenen akademischen Berufen, die aber fast vollständig abwandern. Eine herausragende Persönlichkeit war der Tierarzt Abraham Höxter, der ein Serum gegen die Maul- und Klauenseuche entdeckt hatte, und den die hiesigen Landwirte noch bis 1938 heimlich in Anspruch nahmen. Er wurde von SA in einem Schandmarsch durch die Stadt geführt zusammen mit dem Diakon Titus Fröhling vom Krankenhaus Hephata, der ihm Spritzen besorgt hatte. Fröhling wurde daraufhin von Hephata zwangspensioniert. Im Ersten Weltkrieg kämpften für Deutschlands Vormachtstellung auf dem Kontinent 35 Juden aus Treysa mit. In der Zeit zwischen 1923 und Ende 1932 schrumpfte die jüdische Gemeinde in Treysa von 133 auf 120 Personen. Die Zahl der Steuerpflichtigen sank von 45 im Jahre 1921 auf 29 in 1932 und 25 am 1.2.1934.

Vor dem Hintergrund, dass der Altkreis Ziegenhain eine Hochburg der NSDAP war8, wurde in der NS-Zeit massiv gegen die jüdischen Bürger vorgegangen: ihre Häuser beschmiert, die Kinder aus dem Gymnasium gedrängt, unwürdige öffentliche Anprangerungen und Umzüge durchgeführt, ein Haus in Brand gesteckt, Bürger willkürlich verhaftet und ein Viehhändler erschlagen. Das Novemberpogrom begann in Treysa am helllichten Vormittag, wozu der Ortsgruppenleiter Schulkinder rekrutierte.9

Bis zur Verkündung der Nürnberger Rassegesetze verließen 29 jüdische Bürger die Stadt, die große Mehrheit ging ins Ausland, davon die meisten nach Palästina. Weitere 29 Personen flüchteten bis zu dem Novemberpogrom, auch hier standen als Ziel Palästina und die USA an oberster Stelle. Es kommen noch 26 Flüchtlinge hinzu, bei denen das Abmeldedatum nicht bekannt oder vage ist. Nach dem Pogrom bis zum Kriegsbeginn verließen weitere 19 Bürger die Stadt. Es fanden zwei Deportationen statt, die erste am 30. Mai 1942 mit 39 Personen, darunter 15 aus Treysa, 13 aus Oberaula, acht aus Neukirchen, zwei aus Merzhausen und eine Person aus Willingshausen. Am Sonntag, dem 6. September 1942, wurden die 14 letzten in Treysa verbliebenen Jüdinnen und Juden nach Kassel gebracht und von dort am nächsten Tag nach Theresienstadt deportiert. Mindestens 56 jüdische Bürger Treysas wurden Opfer des Holocaust.

Betsaal / Synagoge

Der Handelsmann Abraham Isaak Meyer beantragte am 22.8.1817 eine neue Synagoge auf eigene Kosten bauen zu dürfen. Der Neubau entstand am Neuen Weg nach dem Vorbild der Synagoge zu Witzenhausen, wohin Meyer mit dem Zimmermeister Dietz gereist war, und wurde am 6.8.1819 eingeweiht. Das Gebäude, ein zweigeschossiger verputzter Lehmfachwerkbau mit Eichengebälk und Bruchsteinsockel, lag etwas von der Häuserfront zurück und hatte einen eingefriedeten Vorhof. Den Bau führte der Maurermeister Peter Menzler aus. Anlässlich der Einweihung spendete der Erbauer über 1.000 Brote für die christlichen Armen der Stadt. Als „alte Synagoge“ galt bis 1819 ein Raum in der Wohnung des Süsmann Höxter in der Steingasse 23. 1855/56 wurde die Synagoge renoviert und dabei die alte Einrichtung so verändert, dass das Vorlesepult aus der Mitte an die Seite gelangte und dadurch mehr Sitzplätze entstanden. Im Einzelnen wurden u.a. acht schwere, runde Säulen abgehobelt und neu gestrichen und die hohen Brüstungen der Frauenbühne verkürzt. In den Jahren 1928/29 wurde die Synagoge noch einmal gründlich renoviert und neu ausgemalt durch den Architekten K. H. Sichel, der nach Johannesburg, Südafrika, entkommen konnte. Nach den Entschädigungs- und Wiedergutmachungsakten hatte die Synagoge vor der Zerstörung der Inneneinrichtung 90 Sitzplätze für Männer und 50 Sitzplätze für Frauen. Ferner wurden u.a. geltend gemacht: ein Thoraschrein mit Altaraufbau, sieben Thorarollen, eine große Thorakrone aus Silber mit Halbedelsteinen, acht Thoraschreinvorhänge, zwei silberne Thoraschilder, 24 goldbestickte Thoramäntel, ein großer Kronleuchter, eine marmorne Gefallenengedenktafel, ein großer Ofen, ein schwerer silberner Leuchter, eine Megillah mit Mantel, ein Priesterwaschbecken mit Kanne, beides aus Silber usw.10

Während des Novemberpogroms wurden die Inneneinrichtung der Synagoge und die Kultgegenstände zerstört. Ferner der gesamte innere Ausbau sowie Teile des Mauerwerks. Der Pöbel rollte die Thorarollen auf der abschüssigen Straße aus und trampelte darauf herum. In Brand gesetzt wurde das Gebäude wegen der dichten Bebauung nicht.11 Die Synagoge und das Grundstück wurden am 6. August 1940 von einem Treysaer Ehepaar unter dem Einheitswert gekauft. Sie diente zeitweise als Unterkunft für ein Arbeitskommando französischer Kriegsgefangene aus dem Stalag IX A Ziegenhain. 1950 musste sie an die JRSO zurückgegeben werden und wurde Ende der 1950er Jahre abgerissen. Heute erinnert eine 1995 angebrachte Gedenktafel an einer Mauer auf der gegenüberliegenden Straßenseite an ihr Schicksal.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Eine frühe Mikwe könnte in der Steingasse 35 existiert haben. Dieses Haus befand sich zwischen 1790 und dem Ende des 19. Jahrhunderts im Besitz der Familie Abraham. Zu sehen ist ein rechteckiger Sandsteinbrunnen mit Stufen im Keller (Marianne Friauf, Treysa). Ein Frauenbad bestand vor 1855. 1858 wurde beraten, ein eigenes Frauenbad zu errichten.12 1862 hatte die Gemeinde an der Wiera ein Grundstück erworben und dort ein Badehaus errichtet. Diese Mikwe am Keilsteg ist heute nicht mehr vorhanden.

Schule

Seit 1831 unterrichtete der Lehrer und Vorsänger Meyer Rothschild aus Steinbach, Kreis Hünfeld, die Schulkinder vom 6. bis 14. Lebensjahr. Die Zahl der Schüler schwankte zwischen 29 im Jahr 1848 über 17 im Jahr 1865 bis 39 im Jahr 1888.

Unterricht wurde im Haus des Lehrers neben der Synagoge im Neuen Weg gehalten. Vom 1.8.1878 an gingen die israelitischen Kinder in die Stadtschule, da Rothschild wegen seines Alters den Gesamtunterricht nicht mehr erteilen konnte. Er gab aber weiterhin den Religionsunterricht und versah den Kultusdienst. Am 31. März 1886 trat er in den Ruhestand und verstarb am 10.8.1896. 1897 konnte ein eigenes Schulhaus im Neuen Weg gegenüber der Synagoge errichtet werden. Es wurde am 3.1.1898 eingeweiht. Vom 16.6.1886 an war der Lehrer Gabriel Oppenheim aus Niederaula, Kreis Hersfeld, angestellt und von da an gab es wieder eine öffentliche israelitische Volksschule. War der Lehrer krank, wurden die Kinder auf die sechs Klassen der Stadtschule verteilt. Lehrer Oppenheim wurde zum 1.10.1922 pensioniert und starb am 8.12.1922 zu Bad Wildungen. Zugleich hob die Regierung die Schulstelle wegen zu geringer Schülerzahlen auf, und die jüdische Gemeinde vermietete die beiden Schulzimmer an die Stadt. Das Gebäude ist noch vorhanden.

Cemetery

Arnsberg zählte 164 Grabstätten, heute sind nur 127 erkennbar, davon 119 mit Grabsteinen, davon wiederum 18 nur in hebräischer Schrift. 14 Grabsteine sind z.T. massiv beschädigt, davon drei dadurch ohne Text. Die Beschädigungen stammen von mutwilligen Zerstörungen in der Zeit des Nationalsozialismus. 122 Bestattete konnten anhand der erhaltenen Grabsteine namentlich aufgenommen werden. Der älteste Grabstein stammt aus dem Jahr 1846. Die älteste Bestattung mit deutschem Text auf dem Grabstein war die von Levi Katzenstein am 26.10.1862. In Ziegenhain/Niedergrenzebach wurden beispielsweise Zipora Höxter 1833, Sussmann Höxter 1836 und Marianne Höxter 1846 beerdigt. Die letzte Bestattung in Treysa war die der am 22.1.1939 verstorbenen Lina Schön. 1932 bestanden eine „Chewras Bachurim“, gegründet 1879 zur Unterstützung von Armen und bei Sterbefällen (Vorsitzender Salomon Katzenstein) und eine „Chewroh Kadischoh“ für Wohltätigkeit und Totenbestattung (Vorsitzender Hermann Schwalm).

Am 14.8.1943 hatte sich ein Treysaer Bürger beim Frankfurter Finanzamt um den Erwerb des Friedhofs bemüht. Er schrieb, der Friedhof „macht einen sehr schlechten Eindruck. Die Denkmäler liegen zum großenteil um, die Mauer ist am Einstürzen, der Besitz ist herrenlos und sind dadurch anliegende Gartenbesitzer mit Obst- und Gemüsediebstahl heimgesucht.“14

Es befinden sich auf dem Friedhof noch zwei Gedenksteine, einer wurde von der Familie Schön für ihre Holocaustopfer gesetzt, der andere von der Stadt Treysa für alle jüdischen Bürger am 7.11.1976.

Treysa, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Fußnoten
  1. Löwenstein, Quellen, Nr. 26
  2. Fowler, Schwälmer Jahrbuch 1986, S. 29
  3. StAM 330 Dep. Treysa, 1588, Blatt 2 und 3
  4. Lindenthal, Zwischen Hoffnung und Wahnsinn, S. 248
  5. Lindenthal, Zwischen Hoffnung und Wahnsinn, S. 247
  6. Lindenthal, Zwischen Hoffnung und Wahnsinn, S. 250
  7. Lindenthal, Zwischen Hoffnung und Wahnsinn, S. 251 f.
  8. Lindenthal, Der politische Wille im Kreis Ziegenhain, S. 215 ff.
  9. Moritz / Noam, NS-Verbrechen vor Gericht, S. 118 ff.
  10. HHStAW 518, 1257
  11. Lindenthal, Zwischen Hoffnung und Wahnsinn, S. 331 ff.
  12. HStAM 180 Ziegenhain, 2828
  13. HHStAW 519/2, 1329
Recommended Citation
„Treysa (Schwalm-Eder-Kreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/345> (Stand: 16.10.2022)