Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 50. Rosenthal

Rosenthal Karten-Symbol

Gemeinde Rosenthal, Landkreis Waldeck-Frankenberg — Von Horst Hecker
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1569

Location

35119 Rosenthal, Im Sack 1 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Oberhessen

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Rosenthal im Burgwald wurde 1327 von dem Mainzer Erzbischof Matthias von Buchegg als kurmainzischer Vorposten gegen Hessen gegründet. Als Stadt ist die Siedlung 1343 erstmals belegt. Im Zuge der Mainzer Stiftsfehde fiel Rosenthal 1464 an die Landgrafschaft Hessen und gehörte seit 1604 zur Landgrafschaft Hessen-Kassel. In der Folge teilte die Stadt deren Schicksal.

Die frühesten Nachrichten über Juden in Rosenthal stammen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Im Dezember 1569 wird der Jude Mose zu Rosenthal genannt, 1572 ein Muschi aus Rosenthal.1 Bis zum Ende der frühen Neuzeit waren immer nur ein bis drei jüdische Familien in der Stadt ansässig. In einem Verzeichnis der Juden im Nieder- und Oberfürstentum Hessen vom November 1622 wird ein Schutzjude genannt.2 Im Jahr 1700 lebten zwei jüdische Familien mit insgesamt 16 Personen in Rosenthal, 1704 waren es drei Familien mit 16 Personen und 1710 ebenfalls drei Familien mit 14 Personen, einschließlich einer jüdischen Dienstmagd.3 Seit Beginn des 19. Jahrhunderts nahm die Zahl der Juden in Rosenthal fast kontinuierlich zu. 1812 gab es schon sieben Judenfamilien.4 Für das Jahr 1818 werden 35 Personen genannt,5 1835 waren es 45 und 1853 59.6 Mit 63 Personen scheint im Jahr 1861 der Höhepunkt der jüdischen Bevölkerungsentwicklung erreicht worden zu sein. Danach erfolgte ein stärkerer Einbruch, der die Zahl der Juden in Rosenthal bis 1871 auf 43 zurückgehen ließ. 1880 betrug der Anteil der Juden an der Gesamteinwohnerschaft 5,2 Prozent.7

Die Israelitische Synagogengemeinde Rosenthal gehörte zum Rabbinatsbezirk Oberhessen mit Sitz in Marburg. Die Personenstandsregister sind ab dem Jahr 1824 (bis 1880) erhalten.8

Haupterwerbszweig der Rosenthaler Juden war der Handel, vor allem der Viehhandel sowie der Handel mit Ellenwaren und Spezereien. Darüber hinaus gab es auch einige Handwerker (Schneider, Schreiner, Schlosser, Buchbinder).

1933 lebten in Rosenthal noch neun jüdische Familien mit insgesamt 27 Personen. Sie sind in der Folgezeit entweder ausgewandert (in die USA) oder innerhalb Deutschlands verzogen, viele nach Frankfurt am Main. Im Frühjahr 1938 löste sich die Gemeinde auf.

Von den in Rosenthal geborenen oder dort ansässig gewesenen Juden fielen mindestens 24 dem Holocaust zum Opfer.9

Betsaal / Synagoge

Bis 1855 besaßen die Rosenthaler Juden kein eigenes Synagogengebäude. Der Gottesdienst fand in einem angemieteten Raum in einem Privathaus statt, wofür die Gemeinde zuletzt eine jährliche Miete von 12 Reichstalern zahlte. Angesichts der stetigen Zunahme der Zahl der Gemeindeglieder und wegen der Gefahr der jederzeitigen Kündigung des Mietverhältnisses erwarb sie im November 1854 ein halbes Wohnhaus von Johannes Schneider (alte Haus-Nr. 98, heute Im Sack 1)10, um es zu einer Synagoge einzurichten. Wie der Gemeindeälteste Löb Blumenthal am 15. Februar 1855 an das Israelitische Vorsteheramt in Marburg schrieb, eignete sich das Haus nach sachkundiger Meinung sehr gut zu einer Synagoge, indem die Mannsstände zu ebener Erde kämen und im zweiten Stock nur die Frauenstände angebracht würden.11 Dasselbe sei 21 Fuß lang, 22 1/9 Fuß breit und nur 36 Fuß hoch. Auf den befürwortenden Bericht des Landrats in Frankenberg vom 13. März 1855 genehmigte die Regierung der Provinz Oberhessen den Antrag zwei Tage später, und bereits im Sommer des folgenden Jahres konnte die neue Synagoge eingeweiht werden.

Das zweistöckige Gebäude, das 1745 erstmals bezeugt ist12, liegt von drei Seiten freistehend in der Ortsmitte hinter der Hauptstraße (Fischtor). Nach Angabe des Brandversicherungskatasters misst es 6,1 Meter in der Länge und sieben Meter in der Tiefe.13 Auf dem massiven Erdgeschoss ruht das in Fachwerkkonstruktion ausgeführte Obergeschoss. Das giebelseitig zum Straßenzug aufgesetzte Satteldach ist leicht ausgekragt und besitzt ein Giebelgeschoss.14

Über die Inneneinrichtung ist nur wenig überliefert. Das Brandversicherungskataster nennt um 1890 als Inventargegenstände lediglich einen Altar, Bänke und Bühne (Empore).15 Der Gebetsraum soll mit einem gefliesten Fußboden versehen und die Decke mit einem Motiv bemalt gewesen sein, das an einen Sternenhimmel erinnerte.16

Zu Beginn der 20. Jahrhunderts befand sich die Synagoge baulich in einem derart schlechten Zustand, dass man ihren gänzlichen Verfall befürchtete. Hauptursache war offenbar die durch den unmittelbar an dem Gebäude vorbeifließenden Bach verursachte Feuchtigkeit des Mauerwerks. 1901 beantragte die Gemeinde deshalb beim Landratsamt die Genehmigung zur Aufnahme eines Darlehens in Höhe von 900 Mark zur Instandsetzung.17 1930 beschloss die Gemeinde eine neuerliche Reparatur der Synagoge. Über die Ausführung des Vorhabens ist jedoch nichts bekannt.

Nach der Auflösung der Gemeinde im Frühjahr 1938 wurde das Synagogengebäude an einen örtlichen Schreinermeister verkauft, der im ehemaligen Gebetsraum eine Werkstatt einrichtete, die er bis 1989 betrieb. Darüber befand sich eine Wohnung.

Trotz des Verkaufs wurde die ehemalige Synagoge während des Pogroms im November 1938 verwüstet. Über das Schicksal der Inneneinrichtung gibt es verschiedene Angaben, einerseits soll sie zusammen mit den Kultgegenständen vernichtet worden sein, anderen Angaben zufolge wurden die Ritualien noch verkauft bzw. an eine andere Gemeinde abgegeben.

In seinem Äußeren wurde die ehemalige Synagoge nach dem Krieg ebenfalls grundlegend umgestaltet. So wurden die Öffnungen in Größe und Anordnung verändert, das Dach erneuert und die Fassade mit Asbestzementplatten verkleidet. Aufgrund dieser baulichen Veränderungen ist der ursprüngliche Zweck des Gebäudes heute nur noch schwer erkennbar.

Vor einigen Jahren wurde auf private Initiative hin eine Gedenktafel an der ehemaligen Synagoge angebracht („Ehem. Synagoge. Von 1850-1939 im Besitz der israelitischen Gemeinde“).

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Unter dem einstigen Gebetsraum der früheren Synagoge soll sich ein Brunnen befinden. Ob es sich dabei um ein rituelles Bad handelte, muss offen bleiben, da der neue Besitzer des Hauses den Zugang beim Umbau verschlossen hat. Nach Angabe des Gebäudebuchs der Stadt Rosenthal stand unmittelbar neben der Synagoge ein Badehaus, das ebenso wie die Synagoge im Jahr 1948 umgebaut und mit dieser vereinigt wurde.18 Nach einem Bericht aus dem Jahr 1825 badeten die Rosenthaler Juden damals im Sommer in einem Wasserbehälter vor der Stadt, während sie im Winter das Bad bei Elias Blumenthal benutzten.19

Schule

Eine israelitische Elementar- bzw. Volksschule bestand in Rosenthal nicht. Mehrere Versuche im 19. Jahrhundert, eine solche zu errichten, scheiterten. So gab es am Ort nur eine Religionsschule, die von der Gemeinde angestellten Lehrern oder auftragsweise von Lehrern aus den Nachbarorten (Frankenberg, Gemünden) versehen wurde. Für den Unterricht in den übrigen Fächern besuchten die jüdischen Kinder die christliche Schule.

Cemetery

Die Gemeinde besaß keinen eigenen Friedhof, sondern bestattete ihren Toten ursprünglich auf dem jüdischen Sammelfriedhof in Hatzbach, seit 1828 auf dem neu angelegten jüdischen Friedhof in Gemünden.

Hatzbach, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Gemünden (Wohra), Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Fußnoten
  1. Löwenstein, Quellen 2, Nr. 2011, S. 140; Nr. 2142, S. 197
  2. HStAM, 40 a Rubr. 16 Generalia, Paket 1
  3. HStAM, 40 a Rubr. 16 Marburg
  4. Horwitz, Israeliten, S. 95
  5. HStAM, 30 Repositur II Klasse 5 b, 4
  6. HStAM, 180 Frankenberg, 9
  7. Bosse, Verbreitung
  8. HHStAW 365, 729; vgl. dazu auch 728
  9. Gedenkbuch Opfer der Verfolgung, Bundesarchiv 2006 (s. Link oben)
  10. Klingelhöfer / Siebert, Häuserarchiv, S. 120
  11. HStAM, 19 h 552
  12. Zur Geschichte des Gebäudes vgl. Klingelhöfer / Siebert, Häuserarchiv, S. 120
  13. HStAM 224, 182
  14. Altaras, Synagogen, S. 184 f.
  15. HStAM 224, 182
  16. Schilling, Karl (= sg): Nur ein Schild erinnert an jüdische Gemeinde. Einstige Rosenthaler Synagoge ist heute ein Wohnhaus – Vor 70 Jahren wegen Politik der Nazis verkauft. Frankenberger Zeitung vom 11.1.2008
  17. HStAM, 180 Frankenberg, 1396
  18. HStAM, Kataster II Rosenthal, lfd. Nr. 12, Gebäudebuch, Bd. 1, S. 42
  19. HStAM 19, h 608
Recommended Citation
„Rosenthal (Landkreis Waldeck-Frankenberg)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/401> (Stand: 23.7.2022)