Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Raibach Karten-Symbol

Gemeinde Groß-Umstadt, Landkreis Darmstadt-Dieburg — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

2. Hälfte 17. Jahrhundert

Location

64823 Groß-Umstadt, Stadtteil Raibach, Unterdorf 16 | → Lage anzeigen

preserved

nein

Jahr des Verlusts

ca. 1894

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Raibach, 1392 urkundlich zum ersten Mal erwähnt, gehörte im Mittelalter zur Kurpfalz und in den ritterschaftlichen Besitz derer von Groschlag, die früh die Ansiedlung von Juden förderten. 1802 wurde der Ort hessisch, 1972 Stadtteil von Groß-Umstadt.

In Raibach sind jüdische Einwohner seit der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg belegt. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts werden Afron, Abrahams Witwe, Isaak, Itzig und Mortge namentlich in einem Rügeprotokoll genannt.1 Ob es sich dabei um eine vollständige Aufzählung handelt, ist nicht bekannt.

1705 zahlten Däffel, Joseph der Ältere und Joseph der Jüngere sowie Isaak Beisassengeld an die Gemeinde. Im Laufe des 18. Jahrhunderts stieg die Zahl der jüdischen Einwohner an und lag 1813 bei 62. Das entsprach rund 11 Prozent der Gesamtbevölkerung. Berücksichtigt man, dass zur gleichen Zeit im nahen Groß-Umstadt von 1.984 Einwohnern 52 Juden waren2, so war der Anteil in Raibach bemerkenswert hoch.

Anfang des 18. Jahrhunderts lebte der Schutzjude Levi Amschel in Raibach. 1759 wurde dessen Sohn Maier Levi geboren, der später Metzger wurde und Anfang des 19. Jahrhunderts den Namen Lichtenstein annahm. Einer seiner Söhne, der 1803 geborene Simon, verzog 1824 mit dem Vater nach Groß-Umstadt und legte dort den Grundstein für diese später recht bekannte Familie.3 In den folgenden Dekaden zogen weitere Nachkommen Raibacher Familien nach Groß-Umstadt, darunter beispielsweise die Familien Rapp und Rothschild.4

Wohl spätestens im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert bildete sich eine eigene Gemeinde. Ihre Mitglieder lebten vorwiegend von Handel mit Vieh, landwirtschaftlichen Produkten und Spezerei.

Eine Zeitlang gehörten die Juden aus Klein-Umstadt zur Synagogengemeinde Raibach.

1881 verschied der letzte in Raibach lebende Jude, Zodeck Rapp. Ob und wann die Gemeinde formal aufgelöst wurde, ist nicht bekannt.

Betsaal / Synagoge

Es wird davon ausgegangen, dass bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein Betsaal bestand.

Der älteste gesicherte Nachweis einer Synagoge stammt aus dem Jahr 1802, als das Brandkataster angelegt wurde. Darin ist unter der Nummer 11, heute Hauptstraße, „die Judengemeinde, Schule“ verzeichnet.5 Sie galt schon 1858 als baufällig, weshalb die Großherzogliche Baubehörde die weitere Nutzung untersagte. Ersatzweise wurde ein Raum im Anwesen Unterdorf 9 genutzt, auf dem auch eine Laubhütte stand.6

Aufgrund der geringen Mitgliederzahl konnte die Gemeinde eine sofortige Reparatur des Synagogengebäudes nicht finanzieren. Auch verschiedene Spendenaufrufe brachten zunächst nicht den gewünschten Erfolg. In der zweiten Jahreshälfte 1861 waren die Arbeiten schließlich abgeschlossen. Es muss sich um eine sehr umfangreiche Sanierung, wahrscheinlich aber um einen Neubau gehandelt haben. Die Kosten beliefen sich auf 2.512 Gulden, 44 Kreuzer. In einem Dankesschreiben vom 12. Mai 1862 bemerkte die Gemeinde, das Großherzogliche Kreisbauamt habe den Synagogenbau in Art und Weise ausgeführt, der an Schönheit, Zweckmäßigkeit, Dauerhaftigkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Dadurch war sogar von der ursprünglich projektierten Bausumme einiges gespart worden „und sprechen wir daher zum Schlusse der Hohen Baubehörde unsre vollkommene Zufriedenheit und Dankbarkeit aus“7.

Im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt lagern Planentwürfe, denen zufolge die Synagoge ein rechteckiger massiver Bau war, der mit einem Satteldach mit eingezogenem Ortgang traufständig zur Straße stand. Über dem Eingang befand sich ein rundes Fenster, in den Traufwänden je drei Rundbogenfenster. Durch den Männereingang wurde der Synagogenraum betreten, an der gegenüberliegenden Giebelwand standen drei Stufen erhöht der Thoraschrein und das Vorbeterpult. Diese wurden durch ein gewölbtes Dach über zwei Pfosten überdeckt, während sich über dem zentral stehenden Almemor und den Sitzreihen eine Balkendecke erstreckte. Ebenfalls auf Pfosten erstreckte sich über dem Männereingang die Frauenempore, deren Zugang in der Südwand lag. Eine Detailzeichnung zeigt den Entwurf für den Thoraschrein, über dem das Hessische Wappen angebracht war.8

Schon bald konnte aber kein Minjan mehr erreicht werden. Ende des 19. Jahrhunderts erwarb Philipp Fischer das Anwesen, ließ das Synagogengebäude abbrechen und 1894 an seiner Stelle eine Scheune errichten.9

Weitere Einrichtungen

Mikwe

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts befand sich unter dem von Joseph Löb angemieteten Haus ein Bad, das er gemeinsam mit seinem Bruder Hörsche Löb und dessen Ehefrau nutzte und zu unterhalten hatte.10 Es handelte sich folglich um eine Privatmikwe. Sie ist auch in jüngeren Archivalien nachweisbar und lag auf einem Grundstück im Unterdorf mit der heutigen Bezeichnung Ecke Weißdorn- und Fliederweg. Sie wurde zeitweise auch von den Frauen aus Groß-Umstadt genutzt, als deren eigene Mikwe aus hygienischen Gründen von der Behörde geschlossen worden war.

Spätestens nach dem Tod des letzten jüdischen Bewohners in Raibach im Jahr 1881 wird sie geschlossen worden sein.

Schule

Zur Unterrichtung der Kinder wurden befristet Lehrer angestellt, die bei den Familien wohnten und dort auch den Unterricht erteilten. In der Mitte des 18. Jahrhunderts soll dies der Sohn des Michelstädter Baál Schem Seckel Löb Wormser gewesen sein.

Cemetery

Spätestens seit 1720 wurden die Verstorbenen aus Raibach auf dem Friedhof in Dieburg beigesetzt.11 Der letzte Raibacher Jude, Zodeck Rapp, wurde dort am 12. September 1881 bestattet.

Dieburg, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Dieburg, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

  • HStAD R 21 J, Nr. 3572 Rügeverfahren vor dem Amt Habitzheim gegen Juden im Amt, namentlich gegen Jakob Mordechai und Mortge aus Brensbach, Moses von Georgenhausen, Hayum, Jakob (Jekuf), Löw, Mang [Manche], Mayers Witwe, Seckel und Zadek aus Groß-Zimmern, Jakob, Isaak, Jonas, Mayer und Moses aus Habitzheim, Afron, Abrahams Witwe, Isaak, Itzig und Mortge aus Raibach sowie Elias, Löw, Moses, Jakob und [[gesamt:Schime, Jude zu Spachbrücken; 1662-1756.
  • HStAD Best G 34 Nr. 3444 Errichtung der Synagoge zu Raibach 1860-1862.
  • HStAD P 11, 3578/1-4 Grund- und Aufrisse sowie Schnitte zum Bau und zur Innenausstattung der Synagoge für die israelitische Gemeinde zu Raibach um 1860.
  • HStAD P 11 Nr. 3579/1-10 Grund- und Aufrisse sowie Schnitte zum Bau und zur Innenausstattung der Synagoge für die israelitische Gemeinde zu Raibach 1860

Bibliography

  • Alicke, Klaus-Dieter: Lexikon der jüdischen Gemeinden im Deutschen Sprachraum. Gütersloh 2008.
  • Brenner, Georg und Wilfried Köbler: Sie waren Umstädter. Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Umstadt, Raibach, Klein-Umstadt, Kleestadt und Semd. Groß-Umstadt 2010.
  • Franz, Eckhart G. und Christa Wiesner: Der jüdische Friedhof in Dieburg. Wiesbaden 2009.
  • Kron, Helga: Juden in Raibach. Masch. Man. O.O., O. J.
  • Lange, Thomas: L´chaim – Die Geschichte der Juden im Landkreis Darmstadt-Dieburg. Reinheim 1997.
  • Verein zur Bewahrung der Gross-Umstädter Synagoge (Hrsg.): Groß-Umstadt : Zur Geschichte der Juden und ihrer Synagoge. 1988.
Fußnoten
  1. HStAD R 21 J, 3572
  2. Verein, 1988, S. 21
  3. Verein, 1988, 22
  4. Kron, masch. Man.
  5. Brenner, 2010, S. 138
  6. Brenner, 2010, S. 83
  7. HStAD G 34, 3444
  8. HStAD P 11, 3578/1-4
  9. Brenner, 2010, S. 141
  10. Brenner, 2010, 140
  11. Franz, 2009, S. 78
Recommended Citation
„Raibach (Landkreis Darmstadt-Dieburg)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/163> (Stand: 21.7.2022)