Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 43. Altmorschen
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Beiseförth Karten-Symbol

Gemeinde Malsfeld, Schwalm-Eder-Kreis — Von Hans-Peter Klein
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1542

Location

34323 Malsfeld, Ortsteil Beiseförth, Brunnenstraße 6 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Niederhessen (Kassel)

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Beiseförth ist heute ein Ortsteil der Gemeinde Malsfeld. Zu der ehemaligen jüdischen Gemeinde Beiseförth gehörten auch die jüdischen Familien aus Malsfeld, Binsförth, Neumorschen und Rengshausen. Erstmals wurde ein Jude aus Beiseförth 1542 in einer Klage wegen Beraubung erwähnt.1 Weitere Juden aus Beiseförth tauchen in Akten aus den Jahren 1614, 1663, 1678 und 1685 im Zusammenhang mit Diebstählen, Beschwerden und Sicherstellungen auf.2 Sie mussten Dienste für die von Scholley leisten, die 1653 Beiseförth als Lehen erhielten. Dies geht aus dem „Malsfeldischen Exercitienbuch“ des Rittmeisters Geörgen von Scholley hervor. Neben diesen Diensten mussten die Juden auch jährlich fünf Taler Schutzgeld an die von Scholley zahlen.3 Aus Aufzeichnungen im Staatsarchiv Marburg geht hervor, dass in der ersten Hälfte des 18 Jahrhunderts in den Orten zwischen einer Familie (in Neumorschen) und acht Familien (in Beiseförth) lebten. Juden, die 1744 keinen landesherrlichen Schutz mehr besaßen, sollten des Ortes verwiesen werden.4 Neben den Schutzgeldabgaben war das Leben der jüdischen Familien durch Verordnungen streng reglementiert, in Hessen beispielsweise durch die Grebenordnung von Landgraf Friedrich I. von 1739, und die Möglichkeiten zur Berufsausübung in kleinen Orten waren oft auf Nothandel beschränkt. So lebten 1858 von den 13 jüdischen Familien (62 Personen) in Beiseförth 11 von Klein- und Gelegenheitshandel, zwei Juden waren Großhändler.5

Diese Verhältnisse änderten sich erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Nachdem die Verfassung im Königreich Westphalen unter Jerome Bonaparte die Juden kurzfristig zu gleichberechtigten Staatsbürgern machte, dauerte es dann noch einmal fast 20 Jahre, bis das Schutzgeld endlich abgeschafft wurde und Juden den christlichen Einwohnern gleichgestellt wurden.6 Das starke Bevölkerungswachstum in dieser Zeit von 20 Juden 1835 auf 78 im Jahre 1861 in Beiseförth (10 Prozent der Gesamtbevölkerung) hielt jedoch nicht lange an und sank durch Ab- und Auswanderung kontinuierlich auf 20 jüdische Bewohner im Jahr 1925. Ähnlich verlief auch die Bevölkerungsentwicklung der Juden in Malsfeld, Binsförth, Neumorschen und Rengshausen.7

1933 wohnten in Beiseförth 25 Juden, im August 1935 21 und am 9.11.1938 waren es noch 15. Deportiert und ermordet wurden insgesamt 46 Mitglieder der jüdischen Gemeinde Beiseförth, davon 24 Männer, Frauen und Kinder aus Beiseförth, sechs aus Malsfeld, fünf aus Binsförth, acht aus Neumorschen und drei aus Rengshausen. Ins Ausland geflohen sind 11 Personen, in die USA, nach Canada und Uruguay.8

Aus Beiseförth stammte Levy Leo Rosenblatt, geboren 6.4.1888. Er war Offizier im Ersten Weltkrieg, danach Lehrer und Erzieher am Jüdischen Waisenhaus in Paderborn und von 1921 bis 1929 im Schuldienst der Stadt Berlin tätig. Danach übernahm er die Leitung der israelitischen Gartenbauschule in Ahlem bei Hannover. Er wurde 1943 zusammen mit seiner Familie nach Theresienstadt deportiert und mit seinem Sohn 1944 in Auschwitz ermordet.9

Lothar Rosenblatt, geboren am 26.5.1927 in Beiseförth, konnte mit seinen Eltern Ferdinand und Flori Rosenblatt am 7.9.1937 nach Montevideo/Uruguay fliehen. Er gründete dort den Technologiekonzern CONATEL und kam öfter beruflich nach Deutschland, nach Beiseförth zum ersten Mal wieder 2013.10

Betsaal / Synagoge

Bevor die jüdische Gemeinde in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Synagoge in Beiseförth bauen konnte, fanden Gottesdienste, Feste und Feiern sowie Unterricht in einem Betraum, der in einem jüdischen Wohnhaus angemietet wurde, statt. Dies war nicht nur in Beiseförth so, sondern auch in Malsfeld und Neumorschen. In Beiseförth gab es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen Betraum in dem Haus der jüdischen Familie von Leib Katz/Jehuda ha Kohen, Haus Nr. 45, heute Brückenstraße 14.11 Nach langjährigen Verhandlungen mit dem kurhessischen Kreisamt in Melsungen konnte die jüdische Gemeinde in Beiseförth eine Synagoge bauen und sie 1853 einweihen. Grund für die 10jährigen Auseinandersetzungen waren Bedenken wegen des geringen Abstandes der Synagoge zu dem christlichen Schulgebäude. Die ursprüngliche Planung sah den Bau der Synagoge mit Schulraum schräg hinter der Beiseförther Gemeindeschule vor. Das Grundstück am Dorfweg (heute Mühlenstraße), auf dem bereits ein Wohnhaus stand, das abgerissen werden sollte, gehörte der jüdischen Gemeinde. Da das Grundstück allerdings nicht groß genug war, wurde für den Unterricht 1847 ein Schulraum im Haus von Daniel Rosenblatt (Nr. 48, heute Brückenstraße 4) angemietet. Der Bau der Synagoge wurde nach einem erneuten Antrag der jüdischen Gemeinde an das kurfürstliche Landratsamt in Melsungen vom 16.11.1851 auf ein Grundstück am Ortsausgang nach Binsförth (heute Brunnenstraße 6) verlegt. Ein „Kostenanschlag über den Neubau eines Synagogengebäudes ohne Schulhaus in Beiseförth“ des Landbaumeisters Augener vom Mai 1851 belief sich auf 1950 Reichstaler. Weiter heißt es dort: „Das Gebäude von gebrannten Lehmsteinen zu erbauen wird 40‘ [Fuß] lang, 36‘ [Fuß] tief, 2 Stockwerke hoch. Es enthält dieser Betsaal im unteren Raum 56 Männerstände, von welchen jeder 2 ¼‘ [Fuß] Breite erhält.“12 Dies entspricht einer Grundfläche von 12 Metern x 10,80 Metern. Die von Thea Altaras und Hans Martin Betz genannten Grundmaße von 50 Fuß x 25 Fuß, bzw. 14, 5 Metern x 7,25 Metern sind nicht zutreffend.13 Die Baukosten von ca. 12.000 Mark wurden von den Gemeindemitgliedern durch regelmäßige Spenden aufgebracht. Bereits im April 1843 erklärte der Gemeindevorsteher, dass in den letzten drei Jahren 400 Reichstaler von den Gemeindemitgliedern gesammelt worden seien, weitere 115 Reichstaler würden jährlich hinzukommen.14

Bei dem Gebäude handelt es sich um einen massiven Saalbau aus gebrannten Lehmsteinen (rote Backsteine) und Ecklisenen, die in das Dachgesims übergehen. Das Satteldach in Ost-Westrichtung ist mit Biberschwänzen eingedeckt. Der Fußboden ist mit Sandsteinplatten belegt, das Gebäude ist nicht unterkellert. Die Eingangstüren und die Rundbogenfenster waren mit Hausteinrahmen versehen. Über der Eingangstür befand sich ein Rundbogenfenster mit Rosette, auf dem First über dem Eingang hatte man einen Gesetzesstein mit den Anfangsbuchstaben der zehn mosaischen Gebote in hebräischer Schrift angebracht. Von dem Vorraum führten zwei Treppenaufgänge zur Frauenempore. Für die Dachkonstruktion, die Sitzbänke und die Empore sowie für die sie tragenden Säulen wurde Eichenholz verwandt. An der Ostwand befand sich um drei Stufen erhöht der Thoraschrein. In der Mitte des Saales stand der Almemor.15 In der Grundmauer befindet sich rechts von der Eingangstür ein Grundstein, bestehend aus einem Eckstein und einem Zusatzstein mit der Inschrift „HMMM 1853 I G G A“. Diese Initialen können stehen für „HandelsMann Menachem Manus 1853 Israelitische Gemeinde Gemeinde Aeltester“. Menachem Manus Katz (1784-1850) war Handelsmann und Viehhändler in Beiseförth und von 1823 bis 1849 Gemeindevorsteher bzw. Gemeindeältester. In diese Zeit fallen unter seiner Leitung Verhandlungen und Planungen zum Bau der Synagoge.16 Eine Skizze zum Bau der Synagoge aus dem Jahre 1844 bezieht sich auf die ursprünglichen Planungen in der Ortsmitte und entspricht nicht der 1853 eingeweihten Synagoge am Ortsrand (Größe, Anzahl der Fenster, Eingang), gibt aber der Innenausbau mit Sitzbänken, Almemor, Thoraschrein und Frauenempore annähernd wieder.17

75 Jahre nach der Einweihung der Synagoge wurde diese 1928 grundlegend renoviert und am 28.11.1928 feierlich wiedereröffnet. Vor allem im Inneren wies die Synagoge erhebliche Schäden auf, die einer dringenden Reparatur bedurften. Dies wurde durch Spender, staatliche Mittel und durch die Gemeindemitglieder selbst ermöglicht. Die Wände und die Decke wurden himmelblau gestrichen, Bänke, Empore und Türen dunkelblau. Neue Läufer wurden im Innenraum zum Thoraschrein verlegt. Der Beiseförther Frauenverein stiftete einen neuen Vorhang vor dem Thoraschrein und auch die Uhr, die 40 Jahre nicht mehr lief, wurde wieder instandgesetzt.18

In der Nacht vom 9.11.1938 wurde der Innenraum der Synagoge von SA-Männern und Mitläufern verwüstet. Der Gesetzesstein mit den zehn Geboten Moses auf dem First über der Eingangstür wurde herausgeschlagen. Das Synagogengebäude diente während der Kriegsjahre 1939-1945 als Schlafsaal für Kriegsgefangene und Feuerwehrgerätehaus, wurde 1947/48 als Schulsaal benutzt und 1951 verkauft und in ein Wohnhaus mit Werkstatt umgebaut. Das Haus steht z. Zt. leer und ist unbewohnt. Im Rahmen der 650-Jahr-Feier von Beiseförth 1998 wurde eine Informationstafel vor dem Eingang des Hauses angebracht, die die Geschichte des Hauses beschreibt.19

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Eine Mikwe befand sich 1823 im Haus der Familie von Samuel Stern in der Bahnhofstraße 3, früher Haus Nr. 12.20

Schule

Eine jüdische Schule befand sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von 1842 bis 1908 in einem angemieteten Raum im Haus Brückenstraße 18.

Cemetery

Von überregionaler Bedeutung ist der jüdische Friedhof in Binsförth. Er ist einer der ältesten jüdischen Friedhöfe in Nordhessen. Der Friedhof, der 5.540 Quadratmeter umfasst, liegt etwa einen Kilometer oberhalb des Ortes am Siechenberg und diente als Sammelfriedhof für die in folgenden Orten lebenden jüdischen Familien: Melsungen, Spangenberg, Beiseförth, Binsförth, Neumorschen, Heinebach, Röhrenfurth, Malsfeld, Rengshausen, Nenterode und Elbersdorf. Nachdem in Melsungen und Spangenberg ab der Mitte des 19. Jahrhunderts eigene jüdische Friedhöfe angelegt wurden, wurden ansässige jüdische Familien dort bestattet. Aus der Zeit von 1694 bis 1937 sind 256 Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof von Binsförth erhalten, zumeist aus rotem Sandstein.21 Wohl aufgrund seiner Lage abseits des Ortes an einem Berghang wurde der Friedhof im Nationalsozialismus nicht geschändet.

Binsförth, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Binsförth, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustrations

Indices

Persons

Scholley, Geörgen von · Friedrich I., Landgraf · Bonaparte, Jerome · Rosenblatt, Levy Leo · Rosenblatt, Lothar · Rosenblatt, Ferdinand · Rosenblatt, Flori · Katz, Leib · Jehuda ha Kohen · Rosenblatt, Daniel · Augener, Landbaumeister · Katz, Menachem Manus · Stern, Samuel · Baumbach, Ritter von

Places

Malsfeld · Binsförth · Neumorschen · Rengshausen · USA · Canada · Uruguay · Montevideo · Paderborn · Hannover · Ahlem · Melsungen · Spangenberg · Heinebach · Röhrenfurth · Nenterode · Elbersdorf

Sachbegriffe Geschichte

Erster Weltkrieg · Paderborn, Jüdisches Waisenhaus · Ahlem, Israelitische Gartenbauschule · Theresienstadt, Ghetto · Auschwitz, Vernichtungslager

Sachbegriffe Ausstattung

Thoraschreine · Almemore · Läufer · Vorhänge · Uhren · Gesetzestafeln

Sachbegriffe Architektur

Saalbauten · Lehmsteine · Backstein · Lisenen · Dachgesimse · Satteldächer · Biberschwänze · Sandsteinplatten · Rundbogenfenster · Hausteinrahmen · Rosetten · Treppenaufgänge · Frauenemporen · Emporen · Säulen · Grundsteine

Fußnoten
  1. Ortsartikel Beiseförth auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  2. HStAM 17 I, 120; HStAM 17 I, 4348; HStAM 17 d, von Gilsa 231; HStAM Protokolle II, Roding 6
  3. Katz/Eifert, 397 Jahre jüdisches Leben in Beiseförth, S. 89.; Müldner, Juden in Malsfeld, S. 10-12
  4. Demandt, Judenstättigkeit, S. 301-302, 309.; HStAM Bestand 17/2, 1109
  5. Katz/Eifert, 397 Jahre jüdisches Leben in Beiseförth, S. 5.; Beiseförth, Chronik, S. 89
  6. Katz/Eifert, 397 Jahre jüdisches Leben in Beiseförth, S. 6
  7. Ortsartikel Beiseförth auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  8. Zusammengestellt aus verschiedenen Quellen, u.a. Gedenkbuch Bundesarchiv; Yad Vashem; Ortsartikel Beiseförth auf Alemannia Judaica (s. Weblinks); Katz/Eifert, 397 Jahre jüdisches Leben in Beiseförth S. 8; Beiseförth, Chronik, S. 92-93; HStAM 180 Melsungen, 2407
  9. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 61
  10. Hessische Niedersächsische Allgemeine, Ausgabe Melsungen vom 27.06.2013.; Katz / Eifert, 397 Jahre jüdisches Leben in Beiseförth, S. 47–51
  11. Beiseförth, Chronik, S. 89; Preuschhof, Genealogie
  12. HStAM 180 Melsungen, 1744; HStAM 18, 2699
  13. Altaras, Synagogen, S. 147; Betz, Sozialstruktur, S. 23.; Beiseförth, Chronik, S. 90
  14. HStAM 180 Melsungen, 1744
  15. Altaras, Synagogen, S. 147; Betz, Sozialstruktur, S. 23.; Beiseförth, Chronik, S. 90
  16. „Katz, Manus (1850) - Binsförth“ in: Jüdische Grabstätten
  17. HStAM 180 Melsungen, 1744, Bl. 15, S. 47
  18. Jüdische Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck vom 16.11.1928 im Ortsartikel Beiseförth auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  19. Altaras, Synagogen, S. 147; Katz/Eifert, 397 Jahre jüdisches Leben in Beiseförth, S. 9–10
  20. Beiseförth, Chronik, S. 89; Betz, Sozialstruktur, S. 33
  21. Friedhof Binsförth auf Alemannia Judaica (s. Weblink); Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 61
Recommended Citation
„Beiseförth (Schwalm-Eder-Kreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/331> (Stand: 22.7.2022)