Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Pohl-Göns Karten-Symbol

Gemeinde Butzbach, Wetteraukreis — Von Susanne Gerschlauer
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1770

Location

35510 Butzbach, Stadtteil Pohl-Göns, Gießener Straße 22a | → Lage anzeigen

Rabbinat

Oberhessen

religiöse Ausrichtung

orthodox

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Im frühen Mittelalter gehörte Pohl-Göns zusammen mit Lang-Göns, Kirch-Göns und Ebers-Göns zu der Markgenossenschaft „Gönser Mark“. Die Herren von Göns verwalteten als Amtmänner für die Herren von Greifenstein die Genossenschaft mit dem Hauptort Lang-Göns. Im Jahr 1533 wechselte die Amtsverwaltung zum Amt Hüttenberg; seit 1806 gehört der Ort zum Großherzogtum Hessen und ging anschließend über in die Provinz Oberhessen.

Die ersten Juden in Pohl-Göns werden 1770 genannt.1 Bis 1866 gehörten die Juden von Pohl-Göns zur Gemeinde in Lang-Göns und gründeten dann zusammen mit denen von Kirch-Göns eine eigene Gemeinde. Um 1930 besaß die Gemeinde eine Thorarolle.2

Um 1830 lebten in Pohl-Göns 9 Juden, 75 Jahre später 48. In Kirch-Göns wohnten gleichzeitig jeweils 16 Juden.3 Bis 1939 waren von den zwölf Anfang der 1930er Jahre noch im Ort lebenden jüdischen Pohl-Gönsern beinahe alle weggezogen, manche verstorben. Im August 1940 soll der letzte hier lebende Jude aus dem Ort weggezogen sein. Die Mehrheit der jüdischen Pohl-Gönser lebte vom Viehhandel.4

Betsaal / Synagoge

Anfangs soll der Gottesdienst in einem Wohnhaus in der Butzbacher Straße 11 abgehalten worden sein, einem Gebäude im alten Ortskern, etwa 150 Meter südlich der evangelischen Kirche.

Vermutlich aufgrund der zunehmend beengten räumlichen Verhältnisse am alten Standort entschied sich die jüdische Gemeinde zum Bau einer neuen Synagoge. Mit finanzieller Unterstützung der jüdischen Bewohner aus den Nachbarorten wurde das Neubauprojekt realisiert und von dem Butzbacher Architekten Jakob Lippert (1880–1968) geplant. Bauplanung, Baugenehmigung und Neubau dauerten insgesamt nur etwa ein halbes Jahr. Am 3. Dezember 1926 wurde die Synagoge feierlich eingeweiht.5

Die Synagoge steht an der Gießener Straße 24, vom heutigen Straßenverlauf stark zurückgesetzt. Zur Erbauungszeit lag die Adresse am nördlichen Rand des alten Dorfkerns, etwa 200 Meter nördlich der evangelischen Kirche. Die aus Bimssteinen errichtete, ehemals freistehende Synagoge wurde über einem Grundriss von 7,30 x 7,30 Metern errichtet. Es handelte sich um einen einfach gehaltenen, eingeschossigen verputzten Bau mit einem geschweiften Pyramidendach, das mit Biberschwanzziegeln gedeckt ist. Die Spitze des Daches zierte ein metallener Davidstern. Im unteren Drittel der südlichen Dachfläche sollte eine Dreiecksgaube eingebaut werden. Die äußeren Gliederungselemente bildeten in der Horizontalen je den schmalen umlaufenden Sockel bzw. das Dachgesims sowie vertikal die Rundbogenfenster mit (möglicherweise nur geplanten) Klappläden. Zusätzlich strukturierte der einmal abgetreppte Aron-Hakodesch-Erker die Mittelachse der Ostwand. Heute nur noch ansatzweise erkennbar sind Reste des bauzeitlich wahrscheinlich auf allen Außenwänden angebrachten farbigen Putzes. Ein dunkles Weinrot war 1990 unterhalb der Traufe auf der Nordwand noch erkennbar.

Von der Straße aus erreichten die Gottesdienstbesucher über einen schmalen Weg den Hofbereich. Der einzige Zugang in das Gebäude liegt in der Mittelachse der Südseite. Die rechteckige einflügelige Tür besaß ein halbrundes Oberlicht mit Fächergliederung. Der Eingangsbereich wurde durch ein Rundbogenfries und zwei vor dem Eingang aufgestellte steinerne Kugeln optisch hervorgehoben. Sein langgezogener Schlussstein mit versenktem Relief band in das umlaufende Dachgesims ein. Im Süden links und rechts der Tür, im Norden ihr gegenüber sowie in der Mitte wurden die rundbogigen gedrungenen Sprossenfenster eingebaut.

Der Betsaal wurde von Süden her mit einen Windfang hinter dem Eingang erschlossen. Im Nordwesten gab es auf einer Estrade 18 Plätze für Frauen; die Bänke für 27 Männer waren nördlich und südlich der Achse zum Thoraschrein platziert. Etwa einen Meter vor dem Allerheiligsten, nach Westen versetzt, stand der Almemor. Das mit Sternen vor blauem Grund reich verzierte eingezogene Klostergewölbe war entlang der unteren Ränder mit farbigem, gelb-blauem Zickzackfries geschmückt. Die Wände sind in kräftigem Rot gestrichen, gerahmt von blauen bzw. gelben Begleitstrichen, die auch die Rahmung für Fenster- und Türöffnungen darstellen. Über der Aron-Hakodesch-Nische ist die – nachträglich leider stark übermalte – hebräische Inschrift „Wisse, vor wem du stehst“ aufgetragen.

Nachdem die Synagoge von den Nationalsozialisten in der Pogromnacht 1938 innen stark beschädigt, der Davidstern heruntergerissen und Mobiliar und liturgisches Gerät außerhalb des Gebäudes verbrannt worden war, wurde die Synagoge unter dem letzten Vorsitzenden, Emil Simon, an den Grundstücksnachbarn zwangsverkauft.6 Der Nachbar richtete in der Synagoge einen Lagerraum für Holz seiner Schreinerwerkstatt ein. Ihre Gestalt blieb weitgehend unverändert, so dass Fenster und Innenraumbemalung in situ verblieben, doch verursachten Abnutzung und aktuelle Nutzung anhaltende Schäden am Bau bzw. im Inneren. Ende des 20. Jahrhunderts wurde eine Tür in die Südwand des an die Ostwand angebauten Lagers gebrochen, so dass die Südostecke der ehemaligen Synagoge dabei beschädigt wurde. Die Anbauten der vergangenen Jahrzehnte von Osten und Süden her beeinträchtigen die optische Wirkung des Gebäudes erheblich. Risse in der Südwand sind eine der Folgen der Anbauten, die die Substanz des Gebäudes schädigen.

Weitere Einrichtungen

Cemetery

Der jüdische Friedhof liegt außerhalb, westlich des Dorfes, auf einem etwa 1.200 Quadratmeter großen Areal. Er wurde erst 1889 angelegt, nachdem einem Antrag der jüdischen Gemeinde stattgegeben worden war.7 Zuvor beerdigten die Pohl-Gönser und Kirch-Gönser Juden ihre Verstorbenen auf dem Friedhof in Großen-Linden.

Pohl-Göns, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Großen-Linden, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Pohl-Göns, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen
Großen-Linden, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Fußnoten
  1. Ortsartikel Pohl-Göns auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  2. Zit.: Wolf, D., Stadtarchivar, Butzbach, aus: Entwurf zu Ausstellung zum Jahrestag der Reichspogromnacht 1988
  3. Butzbach (Begleitheft zur Sonderaustellung), S. 23
  4. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 204
  5. Stadtarchiv Butzbach, Lageplan des Baugesuchs von Oktober 1926, sowie: Butzbach (Begleitheft zur Sonderausstellung), S. 23, und Ortsartikel Pohl-Göns auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  6. Butzbach (Begleitheft zur Sonderausstellung), S. 25, sowie: zit.: Wolf, D., Stadtarchivar, Butzbach, aus: Entwurf zu Ausstellung zum Jahrestag der Reichspogromnacht 1988
  7. Butzbach (Begleitheft zur Sonderausstellung), S. 23
Recommended Citation
„Pohl-Göns (Wetteraukreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/122> (Stand: 5.9.2022)