Synagogen in Hessen
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- Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 79. Treis / 80. Nordeck
Großherzogtum Hessen 1823-1850 (Übersichtskarte mit handschriftlichen Ergänzungen) – 7. Allendorf
Allendorf an der Lumda
- Gemeinde Allendorf (Lumda), Landkreis Gießen — Von Susanne Gerschlauer
- Basic Data ↑
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Juden belegt seit
um 1770
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Location
35469 Allendorf (Lumda), Nordecker Straße 3 (frühere Anschrift: Nordecker Straße 5) | → Lage anzeigen
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Rabbinat
Oberhessen
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religiöse Ausrichtung
liberal
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preserved
ja
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Gedenktafel vorhanden
ja
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Weitere Informationen zum Standort
- History ↑
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Bereits seit der Mitte des 13. Jahrhunderts war Allendorf im Besitz der Landgrafen von Hessen. Nachdem um 1320 ein Wochenmarkt und das Recht einer eigenen Pfarrei am Ort gestattet worden war, vergab rund fünfzig Jahre später der Landesherr, Heinrich II., das Stadtrecht. Seit 1625 waren die Landgrafen von Hessen-Darmstadt im Besitz der Landstadt.
Bereits um die Mitte des 18. Jahrhundert sind jüdische Einwohner in Allendorf belegt.1 Um 1770 sind sechs jüdische Familien nachweisbar; um 1828 lebten 65 Juden in Allendorf.2 Mit 86 jüdischen Allendorfern im Jahr 1905 erreichte der Anteil an der Bevölkerung seinen Höhepunkt (7,46 Prozent von 1.120 Einwohnern).3 1910 lebten noch 73 Juden hier, was 6,2 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht.4
Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde eine Synagogengemeinde gegründet.5 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es verschiedene Religionslehrer, die in Personalunion auch als Vorbeter und Schochet arbeiteten und von den jüdischen Gemeinden Allendorf und dem benachbarten Treis an der Lumda angestellt waren. Nach der Jahrhundertwende wurde die Aufgabe des Religionslehrers und die des Schochet an zwei Personen vergeben.6 Die Vorsteher der jüdischen Gemeinde in den 1920er Jahren waren Lazarus Liebermann, der auch als Schochet tätig war, Ferdinand Grünewald und Max Rosengarten.7 Die jüdischen Allendorfer lebten überwiegend vom Vieh- sowie vom Manufakturwaren- und Getreidehandel.8
Im September 1890 sind antisemitische Aktionen gegen jüdische Allendorfer dokumentiert. Offenbar waren in die Weißbrote für den Sabbat je 10 Streichholzköpfe eingeschmuggelt worden, die mitgebacken worden waren. Seitens des Lebensmittelhändlers Stern aus Nordeck war daraufhin Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet worden.9 Die Region in der Rabenau gehörte gegen Ende des 19. Jahrhunderts zum Wahlkreis des Kaufmanns und späteren Reichstagsabgeordneten Wilhelm Pickenbach. Er trat für die Vorläuferin der von Otto Böckel am 20.3.1890 gegründeten „Antisemitischen Volkspartei“, der Partei der „fraktionslosen Antisemiten“ zur Reichstagswahl am 20.2.1890 an und errang mit 198 Stimmen einen Anteil von 87 Prozent.10
Im Jahr der Machtübertragung an Hitler 1933 zählte die jüdische Gemeinde noch 55 Mitglieder. In den Jahren bis zur Reichspogromnacht 1938 gelang es 16 Personen, ins Ausland zu emigrieren; andere zogen innerhalb Deutschlands um. Bis zur faktischen Auflösung der jüdischen Gemeinde 1942 lebten noch 26 Juden in Allendorf. Sie wurden 1942 auf der Marktstraße zusammengetrieben und zur Deportation – und Ermordung in osteuropäischen Konzentrationslagern – zum Bahnhof gebracht. Es waren Lina und Herrmann Glück, Lilli und Arthur Grünewald, Anni, Ruth, Gustine und Moritz Isenberg, Anna, Heinz, Martin und Siegbert Manela, Sette, Arthur und Max Rosengarten, Clara, Gerd und Walter Schloss, Flora Stiebel, Betty, Fritz, Hedwig, Hermann, Herz, Jakob und Jette Weinberg. Zum Gedenken an die Allendorfer Juden wurde 1988 ein Gedenkstein mit einer Bronzetafel auf dem jüdischen Friedhof aufgestellt.
- Betsaal / Synagoge ↑
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Bei Gründung der jüdischen Gemeinde wurden die Gottesdienste in einem Betraum bzw. einer Vorgängersynagoge abgehalten, über dessen bzw. deren Lage bisher nichts bekannt ist.11 Erst mit der Einrichtung eines eigenen Synagogengebäudes im Jahr 1844 erhielt die Gemeinde ein ausreichend großes Gebäude für ihre Mitglieder, in dem wahrscheinlich auch die Schule und eine Lehrerwohnung untergebracht waren.12 Ob das Fachwerkhaus, das auf einem 9 x 11 Meter großen Grundstück steht, zur Synagoge umgebaut oder als solche erst errichtet wurde, ist unbekannt.
Das Haus steht traufseitig zur Straße auf einem Bruchsteinsockel. Das zweigeschossige, mit einem bewohnbaren Dachgeschoss ausgestattete Gebäude ist mit einem Satteldach gedeckt. In Rähmbauweise aufgezimmert, entspricht es seiner Struktur nach der Bauzeit aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. In regelmäßiger Gliederung durch Streben und Riegel zeigt das Gebäude eine homogene, qualitätvolle Planung der Fassadenstruktur. Sowohl die Trauf- als auch die Giebelseite weisen heute in Unter- und Obergeschoss Fensterachsen auf; die westlichen Fenster im Obergeschoss des Nord- und Südgiebels sind heute zugesetzt. In der Mittelachse der Westtraufe liegt heute der über drei Stufen erschlossene Haupteingang. Eher unauffällig, vom äußeren Erscheinungsbild her den benachbarten bäuerlichen Fachwerkwohngebäuden ähnelnd, fügte sich die Synagoge ins Dorfbild ein.
Wie die Aufteilung der Räume im Inneren war, ist bisher nicht bekannt. Von der ausreichenden Größe des Gebäudes her zu urteilen (ca. 200 Quadratmeter) kann gemutmaßt werden, dass ein Gebäudeteil für die Synagoge über zwei Geschosse genutzt wurde. Ein anderer Teil konnte für Lehrerwohnung, Versammlungs- und Religionschulraum genutzt werden.
Obwohl das Synagogengebäude 1938 bereits nicht mehr im Besitz der Gemeinde war,13 wurde die Inneneinrichtung während der Reichspogromnacht am 9. November stark verwüstet. Das noch vorhandene Inventar wurde auf dem Festplatz zusammengetragen und dort verbrannt.
Im Laufe der Jahrzehnte nach ihrem Verkauf an Privatpersonen wurde die ehemalige Synagoge zu einem Wohnhaus umgebaut und renoviert, zuletzt 1982, wobei man auch das sanierungsbedürftige Fachwerk teilweise erneuerte. 1982 wurde neben der Eingangstür eine Gedenktafel zur Erinnerung der ehemaligen Nutzung und Nutzer angebracht.
- Weitere Einrichtungen ↑
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Mikwe
In der Synagoge war „im letzten Zimmer“14 die heute zugeschüttete Mikwe eingebaut und über eine mit Steinstufen gesetzte Treppe vom Treppenhaus aus erreichbar. Ein Trog aus Lungstein diente der Aufnahme des Grund- oder Quellwassers.15
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Cemetery
Die jüdische Gemeinde von Allendorf an der Lumda verfügte über einen eigenen Friedhof von ca. 1.763 Quadratmetern Größe.16
- References ↑
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Weblinks
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Sources
- Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (HHStAW):
- HHStAW Best. 503, Nr. 7384: Entschädigungsansprüche der jüdischen Gemeinden im Regierungsbezirk Darmstadt. Bd. 7: Synagogen und andere jüdische Einrichtungen im Kreis und in der Stadt Gießen, (1932-1939, 1955) 1960-1962
- HHStAW Best. 518, Nr. 1239: Entschädigungsakte Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Hessen (enth. Allendorf a.d.L.), 1954, 1961
- HHStAW Best. 518, Nr. 1411: Entschädigungsakte Jüdische Gemeinde Allendorf, 1952-1962
- HHStAW Best. 519/2, Nr. 636: Verkauf der ehem. Synagoge in Allendorf b. Kirchhain durch die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland und Verwaltung des dortigen jüdischen Friedhofs, 1939-1944, 1946-1948, 1950
- Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (HStAD):
- HStAD Best. R 21 J, Nr. 2159: Bestätigung einer Schuldverschreibung der Charlotte Elisabetha Franziska Sieg geb. v. Cyriaci durch die Regierung Gießen gegenüber dem Schutzjuden Abraham zu Allendorf an der Lumda, 1760
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Bibliography
- Altaras, Thea: Synagogen und jüdische Rituelle Tauchbäder in Hessen – Was geschah seit 1945? Königstein im Taunus 2007
- Arnsberg, Paul: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang. Untergang. Neubeginn, 2 Bde. Frankfurt a.M. 1971/1972, hier: Band 1, S. 26-27
- Deissmann, Walter: Allendorf an der Lumda. Die Mitte des Tales. Hrsg. vom Heimat- und Verkehrsverein Allendorf. Allendorf 1987
- Ruppin, Arthur: Die Juden im Großherzogtum Hessen. Berlin 1909
- Schneider, Ernst: Allendorf an der Lumda. Chronik einer alten Stadt. Allendorf 1970
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Illustrations
- Indices ↑
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Persons
Hessen, Landgrafen von · Hessen-Darmstadt, Landgrafen von · Liebermann, Lazarus · Grünewald, Ferdinand · Rosengarten, Max · Stern · Pickenbach, Wilhelm · Böckel, Otto · Glück, Lina · Glück, Herrmann · Grünewald, Lilli · Grünewald, Arthur · Isenberg, Anni · Isenberg, Ruth · Isenberg, Gustine · Isenberg, Moritz · Manela, Anna · Manela, Heinz · Manela, Martin · Manela, Siegbert · Rosengarten, Sette · Rosengarten, Arthur · Rosengarten, Max · Schloss, Clara · Schloss, Gerd · Schloss, Walter · Stiebel, Flora · Weinberg, Betty · Weinberg, Fritz · Weinberg, Hedwig · Weinberg, Hedwig · Weinberg, Hermann · Weinberg, Herz · Weinberg, Jakob · Weinberg, Jette
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Places
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Sachbegriffe Geschichte
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Sachbegriffe Architektur
Bruchsteinsockel · Satteldächer · Streben · Riegel · Fachwerk · Gedenktafeln · Lungsteine
- Fußnoten ↑
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- HStAD R 21 J, 2159. ↑
- Deissmann, Allendorf a.d.L., S. 326 ↑
- Ruppin, Juden, S. 73 ↑
- Deissmann, Allendorf a.d.L., S. 326 ↑
- Lt. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 26, bestand bereits seit 1838 eine jüdische Gemeinde. ↑
- Lehrer Plaut unterrichtete die sieben jüdischen Kinder. ↑
- Ortsartikel Allendorf a.d.L. auf Alemannia Judaica (s. Weblink) ↑
- Ortsartikel Allendorf a.d.L. auf Alemannia Judaica (s. Weblink) ↑
- 26.9.1890: „Allgemeine Zeitung des Judentums“ und „Der Israelit“ ↑
- Deissmann, Allendorf a.d.L., S. 325, sowie: www.antisemiten-im-reichstag.netfirms.com/abgeordnete.html ↑
- Ortsartikel Allendorf a.d.L. auf Alemannia Judaica (s. Weblink) ↑
- Ortsartikel Allendorf a.d.L. auf Alemannia Judaica (s. Weblink) ↑
- Ortsartikel Allendorf a.d.L. auf Alemannia Judaica (s. Weblink) ↑
- Deissmann, Allendorf a.d.L., S. 329 ↑
- Altaras, Synagogen 2007, S. 424; Deissmann, Allendorf a.d.L., S. 329 ↑
- Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 27 ↑
- Recommended Citation ↑
- „Allendorf an der Lumda (Landkreis Gießen)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/17> (Stand: 30.1.2023)