Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Münzenberg Karten-Symbol

Gemeinde Münzenberg, Wetteraukreis — Von Susanne Gerschlauer
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

16. Jahrhundert

Location

35516 Münzenberg, Am Junkernhof 14 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Oberhessen

religiöse Ausrichtung

liberal

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Die Ortsgerichtbarkeit unterstand seit Gründung der Gemeinde den Grafen von Falkenstein und Münzenberg. Unter den Ganerben der Falkensteiner Grafen waren neben den Herren von Hanau auch die Grafen von Solms mit verschiedenen Linien (Ende des 16. Jahrhunderts Linie Münzenberg, später Rödelheim, danach Laubach und Braunfels) sowie die Herren von Stolberg-Gedern. Im Jahr 1245 wurde Münzenberg zur Stadt erhoben. Seit 1418 besaßen die Ganerben der Grafen von Hanau 1/6 der Herrschaft über Münzenberg und beanspruchten in dieser Zeit unter Bezug auf ein kaiserliches Privileg von 1351, die Schutzjuden betreffend, die alleinige Gerichtsbarkeit über die Juden am Ort, welche erhebliche wirtschaftliche Vorteile brachte.1 Anspruch auf die anfallenden Abgaben durch Münzenberger Juden erhoben allerdings aus dem gleichen Grund auch alle anderen Eigentümer von Münzenberg. Bis 1806 unterstand die Gemeinde den Ganerben der Falkensteiner; danach ging Münzenberg in die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt über.

Vermutlich wohnten bereits vor 1188 Juden in Münzenberg.2 Durch die Ansiedlungspolitik Cuno von Münzenbergs etablierten sich damit schon früh Schutzjuden am Ort. Eindeutige und häufigere Belege für die Ansässigkeit von Juden, oft wegen Streitigkeiten innerhalb der Ortsherrschaften um ihre Privilegien, finden sich seit dem 16. Jahrhundert. Wichtig für die Entwicklung und den Status der vermutlich bereits im 15. Jahrhundert bestehenden jüdischen Gemeinde Münzenbergs war die 1571 von den Münzenberger Amtmännern beschlossene Judenordnung. Sie bescheinigte einerseits den ortsansässigen Juden eine Daseinsberechtigung, legte ihnen andererseits aber erhebliche Zwänge und Verpflichtungen auf. Die Münzenberger Judengemeinde erklärte sich gezwungenermaßen mit der Ordnung einverstanden, doch wurden die darin enthaltenen Regelungen häufig umgangen oder ignoriert.3 Der letzte Vorsitzenden der Synagogengemeinde in den 1930er Jahren war Emil Katz.4

Die Zahl der in Münzenberg lebenden Juden war bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts hoch – sie betrug fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung. Um 1830 lebten 97 Juden in Münzenberg, 1905 bis um 1933 waren es aufgrund der Effekte aus Landflucht und später der politischen Repressalien durch den Nationalsozialismus nur noch 27.5 Die Berufe der Münzenberger Juden verteilten sich im 19. und frühen 20. Jahrhundert auf Kaufleute verschiedenster Waren und Vieh sowie zwei Metzger.

Von den 27 bzw. 30 jüdischen Münzenbergern konnten vor 1938 15 ins Ausland emigrieren. Von zwei Personen ist nichts über ihr Schicksal bekannt, 12 Juden zogen aus Münzenberg weg. Von den verbliebenen bzw. der Mehrheit der erst nach 1938 weggezogenen Juden ist bekannt, dass sie verhaftet, deportiert und ermordet wurden.6

Betsaal / Synagoge

Eine frühe Nennung eines jüdischen Betraums ist für das Jahr 1436 im Zusammenhang mit Abtragung von Schulden belegt.7 Schon 1549 und 1573 bezeugen Urkunden das Vorhandensein einer Judenschule in Münzenberg8, deren genaue Lage im Ort jedoch nicht bekannt ist. Sie wird südlich der jetzigen evangelischen Kirche vermutet.9

Die jüngste Synagoge wurde 1848 etwa 70 Meter nordwestlich der evangelischen Kirche an der Ecke Am Junkernhof/Pfarrgasse (ehemals Mittelgasse) Nr. 14 in Anlehnung an den klassizistischen Rundbogenstil gebaut. Erste Planungen hierzu finden sich im Rechnungsbuch der Gemeinde aus dem Jahr 1842. Die Kalkulation für den Neubau betrug 7.000 Gulden, die zu einem jährlichen Zins von 4 Prozent geliehen werden sollten. Vorgesehen war einen Rückzahlungsplan.10 Die Synagoge stand im alten Ortskern. Sie hob sich bauzeitlich wegen ihrer einem Sakralgebäude typischen architektonischen Erscheinungsformen von der sie umgebenden engen Bebauung aus kleineren Hofreiten ab.

In West-Ost-Richtung errichtet, steht das etwa 11 x 10 Meter Fläche messende Gebäude giebelseitig, etwa 3 Meter vom heutigen Straßenverlauf zurückgesetzt. Das massiv aus Bruchsteinen errichtete Haus war vermutlich verputzt, wobei die für die Gebäudeecken verwendeten Sandsteinquader vermutlich unverputzt geblieben waren, um dem Gebäude eine zusätzliche optische Aufwertung zukommen zu lassen. Die Synagoge besitzt ein flaches Satteldach von etwa 45 Grad Neigung. In alle vier Wände waren vermutlich je zwei fast wandhohe Rundbogen-Sprossenfenster symmetrisch eingebaut, die eine Binnengliederung aus kleinen Quadraten aufwiesen. Brüstungen aus Buntsandstein gliedern die Fenster in Höhe der heutigen Geschosstrennung.11 Im Westgiebel lag, um einige Stufen erhöht, der zweiflügelige Haupteingang. Ein halbrundes Oberlicht über der Eingangstür – vermutlich mit Fächersprossen – bot dem Innenraum Helligkeit. Oberhalb des Eingangsbereiches schloss ein Rundfenster bündig in Scheitelhöhe der beiden es flankierenden Rundbogenfenster die vertikale Wandgliederung ab. Unten waren die Wandflächen von dem niedrigen, umlaufenden Sockel begrenzt.

Im westlich gelegenen Foyer führten zwei in beide Ecken eingebauten Treppen auf die entlang der Westwand verlaufende, zweigeschossige Frauenempore. Das Innere des Gebetsraums im Erdgeschoss gab nach Osten den Blick auf den um einige Stufen erhöht gelegenen Thoraschrein frei. Nur wenige Meter davor stand das Vorlesepult, von Truhen zur Aufbewahrung der Kultusgeräte umrahmt. Zwei Paar in der West-Ost-Achse eingebaute Kerzenhängeleuchter spendeten künstliches Licht.12 Insgesamt bot der Gottesdienstraum etwa 120 Personen Platz.

In der Pogromnacht vom November 1938 wurde die gesamte Inneneinrichtung sowie alle Fenster zerstört, Transportables wie Thorarollen und Gesangbücher wurde auf der Straße verbrannt.

In Folge des Novemberpogroms und des zunehmenden politischen Druckes verkaufte die jüdische Gemeinde die Synagoge an die politische Gemeinde. Diese nutzte das Haus bis 2003 als Feuerwehrgerätehaus.13 Notwendig werdende Umbau- bzw. Sanierungsmaßnamen zur Erhaltung des Gebäudes führten seitens des Freundeskreises Burg und Stadt Münzenberg e.V. zur Initiative, das ehemalige Gotteshaus als kulturelle Begegnungsstätte zu erhalten. Erklärtes Ziel war, die ehemalige Synagoge ihrer bauzeitlichen Optik angenähert wieder herzustellen. Die notwendige Unterstützung und fachliche Begleitung durch Kreis- und Landesdenkmalpflege war hierbei Bestandteil der Planungen. In gemeinschaftlicher Arbeit mit den verantwortlichen Gremien der Stadt Münzenberg konnte die Planung umgesetzt werden. Letzte Arbeiten zur Gestaltung, die wesentlich durch Vertreter und Vertreterinnen des Freundeskreises, aber auch Verantwortliche der Stadt betreut und gefördert wurden, fanden 2009 statt. Zur Finanzierung des aufwendig sanierten Gebäudes trug eine hohe Summe Geldes bei, das der Freundeskreis aus Eigenmitteln und mit Hilfe von Spenden bereitstellte. Im Mai 2009 wurde das Haus als kultureller Treffpunkt und Ort der Erinnerung der Öffentlichkeit übergeben. Betrieb und inhaltliche Betreuung kommender Veranstaltungen und Ausstellungen liegt in den Händen des Vereins, Träger ist die Gemeinde Münzenberg.14

Weitere Einrichtungen

Mikwe

In Münzenberg bestand ein rituelles Tauchbad, das um 1900 aufgegeben und abgerissen wurde.15 Über Lage und Aussehen ist bisher nichts bekannt.

Cemetery

Der jüdische Friedhof von Münzenberg liegt südlich der Steinbergstraße Nr. 34. Er ist etwa 25 Meter vom Straßenverlauf zurückgesetzt und ca. 900 Quadratmeter groß. Zur Zeit seiner Inbetriebnahme lag er außerhalb der Ortsgrenze. Seit wann der Friedhof besteht, ist bisher nicht genau bekannt. Der älteste Grabstein stammt aus dem Jahr 1845.16

Münzenberg, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Fußnoten
  1. Steinl, Münzenberg, S. 122
  2. Steinl, Münzenberg, S. 122
  3. Steinl, Münzenberg, S. 123 f.
  4. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 98
  5. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 98
  6. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 99, nennt 27 noch in Münzenberg lebende jüdische Personen; P. Müller, Münzenberg, hingegen 30
  7. HStAD B 9 (Nachweis) Urkunden der Grafschaft Solms-Rödelheim von 1436
  8. HStAD R 14 Judaica (Nachweis) von 1549 und 1573
  9. Vgl. Angaben bei P. Müller, Münzenberg
  10. Stadtarchiv Münzenberg, Abt. XIII, Abschn. 1, Konv. 2, Fasc. 1, Rechnungsbuch von 1862
  11. Vgl. Rekonstruktionsplan von 2003
  12. Vgl. Skizze der Synagoge vor 1938 aus der Erinnerung von Erwin Elieser Katz von 1989
  13. Vgl. ebensolche Nutzung der ehemaligen Synagoge in Nieder-Mockstadt, Stadt Florstadt
  14. Freundeskreis Burg und Stadt Münzenberg (s. Weblink)
  15. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 99
  16. Vgl. Münzenberg, Jüdischer Friedhof in LAGIS (s. Link)
Recommended Citation
„Münzenberg (Wetteraukreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/124> (Stand: 12.7.2023)